Vorschläge für eine Bewegung
Die #unteilbar-Demonstration am 13. Oktober übertraf alle Erwartungen. Nur wenige Tage vor einer der größten Massendemonstrationen in der Geschichte der Republik hatten die Organisator*innen erklärt, mit 40.000 Teilnehmer*innen zu rechnen. Es wurden 242.000.
von Sascha Stanicic
Doch nicht nur die große Zahl von Demonstrierenden ist von Bedeutung. #unteilbar war der Höhepunkt des „Herbstes der Solidarität“ – an Großdemonstrationen in München gegen die CSU-Politik und in Hamburg in Solidarität mit Geflüchteten hatten schon Zehntausende teilgenommen. Und im Laufe des Jahres waren Hunderttausende auf verschiedensten Demonstrationen gegen die AfD, gegen repressive Polizeigesetze und Rassismus. 2019 ist das Jahr von Massenprotesten gegen Rechts.
Es gab in den letzten 25 Jahren mehrmals Mobilisierungen dieser Größenordnung gegen Rechtsextremismus. Im November 1992 demonstrierten 350.000 unter dem Motto „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Manche nannten dieses Ereignis auch „Weizsäcker-Demo“ – der Bundespräsident und CDU-Politiker*innen liefen in der ersten Reihe. Zehn Jahre später rief der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder zum „Aufstand der Anständigen“ und 200.000 kamen. Damals reagierte das bürgerliche Regierungsestablishment auf die wachsende Stimmung gegen rechts und konnte die Kontrolle über solche Großmobilisierungen halten.
#unteilbar von unten
#unteilbar war anders: eine breite Mobilisierung von unten, die die soziale Frage nicht aussparte. Ryanair- und Krankenhausbeschäftigte marschierten mit und konnten ihre Anliegen auf der Bühne vortragen. Obwohl die Gewerkschaftsführungen keine wirkliche Mobilisierungskampagne durchgeführt hatten, gab es eine große Beteiligung von Gewerkschaftsmitgliedern. Die #Seebrücke-Bewegung, queere Gruppen und unzählige andere soziale Bewegungen waren vertreten. SPD- und Grüne-Politiker*innen waren dann auf den immer mehr an Fahrt aufnehmenden Zug aufgesprungen, was die Pressesprecherin des Bündnisses, Theresa Hartmann, zu der Aussage brachte:„Wir sehen diesen Widerspruch schon, mit Regierungsparteien gegen eine Politik zu demonstrieren, die teils von der Regierung selbst betrieben wird.“
#unteilbar ist Ausdruck einer massenhaften Gegenreaktion gegen AfD, Nazi-Terror und staatlichen Rassismus, aber auch des Wunsches die sozialen Probleme gemeinsam und von unten, ohne rassistische Spaltung, anzugehen.
#unteilbar war ein Zeichen
Aber, wie der kürzlich verstorbene Marxist und Widerstandskämpfer Theodor Bergmann einmal sagte: „Eine Demonstration ist nur ein Tag. Das Jahr hat aber 365 Tage.“ #unteilbar war ein mächtiges Zeichen. Wenn daraus gesellschaftliche Wirkungsmacht werden soll, darf es nicht bei einer Demonstration bleiben. Und die vielen beteiligten Gruppen dürfen nicht einfach nur zurück an ihre vielen verschiedenen Fronten gehen und ihre Teilkämpfe fortsetzen. #unteilbar wollte die Verbindung dieser Initiativen und Bewegungen herstellen. Nun muss ein Weg gefunden werden, diese Verbindung zu verstetigen und mit Leben zu füllen.
ZEIT online titelte in Anspielung auf die selbsternannte Sammlungsbewegung „aufstehen“ nach der #unteilbar-Demo und auf diese bezogen: „Die Sammlungsbewegung ist da.“ Wir schrieben nach der Demonstration: „Aber es stellt sich die Frage, ob aus dieser Demonstration eine wirkliche Sammlungsbewegung linker, gewerkschaftlicher und sozial bewegter Kräfte werden kann, das ein Angebot für die vielen tausenden sein könnte, die bisher nirgends organisiert oder engagiert sind, aber auch mehr machen wollen, als nur zu Demonstrationen zu gehen. Örtliche #unteilbar-Kongresse und ein großer bundesweiter Kongress, lokale Kampagnen, die Mieter*innen, Krankenpfleger*innen, Geflüchtete, streikende Ryanair-Beschäftigte, Klimaschützer*innen zusammen bringen, eine Debatte über die Schnittmengen und Basis der gemeinsamen Interessen auslösen und die verschiedenen Proteste und Bewegungen vernetzt, wären das Gebot der Stunde.“
Mitte November treffen sich die #unteilbar-Beteiligten, um darüber zu beraten, wie es weiter gehen soll. Wir sind der Meinung: es muss weiter gehen!
Unsere Vorschläge:
- Bildung von lokalen #unteilbar-Gruppen, die sowohl Vertreter*innen der beteiligten Initiativen und Organisationen, als auch nicht anderweitig organisierte Menschen zusammen bringen und Schaffung breiter lokaler Netzwerke für örtliche Kampagnen und soziale Gegenwehr
- Durchführung regelmäßiger Versammlungen und Informationsveranstaltungen
- Gegenseitige Unterstützung bei den verschiedenen Kampagnen. Zum Beispiel: in NRW könnten die Krankenhausbeschäftigten in ihren Kreisen über den Widerstand gegen den Braunkohletagebau informieren und mobilisieren und die Initiativen gegen den Braunkohletagebau organisieren Solidarität mit den Kämpfen der Krankenhausbeschäftigten für mehr Personal; Mieter*inneninitiativen informieren über Aktionen gegen geplante Abschiebungen und Geflüchtetensolidaritätsgruppen informieren über Aktionen gegen Zwangsräumungen. Durchführung gemeinsamer Demonstrationen zu verschiedenen Anliegen.
- Informations- und Aufklärungskampagnen zum wahren Charakter der AfD, dem Charakter von Rassismus als Spaltungsinstrument und Sündenbocktheorie und den tatsächlichen Ursachen sozialer Probleme. Zum Beispiel durch Massenflugblätter, Aktionen vor Betriebstoren, Fußballstadien und in Fußgängerzonen, Informationsveranstaltungen etc.
- Durchführung lokaler #unteilbar-Kongresse in den ersten Monaten des Jahres 2019, um alle Beteiligten zu sammeln und die Möglichkeit zu geben, sich aktiv einzubringen und eines großen bundesweiten Kongresses im Frühjahr/Sommer 2019.
- Vorbereitung eines bundesweiten Demonstrationstages im Herbst 2019 mit Großdemonstrationen in mehreren Landeshauptstädten.