LINKE organisiert Protestaktion
Für neunzig Beschäftigte droht Entlassung oder ungewollter Transfer, nachdem Ryanair angekündigt hat, den Standort in Bremen zu schließen. Seit zehn Jahren gibt es den Stützpunkt in Bremen, genauso lange sind einige Mitarbeiter*innen hier beschäftigt. In zehn Jahren hat man viel Zeit, Freund*innen zu finden, eine Familie zu gründen, ein Haus zu kaufen… All das sollen die Beschäftigten jetzt hinter sich lassen.
Von Sebastian Rave, Bremen
Tränen standen in den Augen einiger der Beschäftigten, als sie an der Solidaritätskundgebung der LINKEN am Flughafen teilnahmen. In den Streiks der letzten Wochen haben sie sich Würde erkämpft, der Milliardär und Ryanair-Boss Michael O‘Leary möchte ihnen dafür jetzt alles nehmen. Es gab aber auch Entschlossenheit. Einige Beschäftigte nahmen die Flugblätter der LINKEN mit, um sie an die Passagiere zu verteilen. „Was sollen sie machen, uns rausschmeißen?“ war der zynische Kommentar eines Flugbegleiters.
Der Arbeitgeber kündigt derweil schon den ersten Beschäftigten. Andere werden in ihrer Urlaubszeit zu Mitarbeitergesprächen nach Dublin vorgeladen, mit sieben Stunden Vorlauf! Für ver.di-Anwält*innen gibt es die Schwierigkeit, dass die Verträge nach irischem Recht verfasst sind. Dank der Unterstützung durch das CWI (Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale, internationale sozialistische Organisation, der die SAV angeschlossen ist) konnte Kontakt zu Anwält*innen in Irland hergestellt werden. Mick Barry, Abgeordneter im irischen Parlament und Mitglied der Socialist Party, hielt bei der Kundgebung am Flughafen eine kurze Solidaritätsansprache über Telefon, in der er den Beschäftigten die Solidarität aussprach, aber auch betonte, dass falls die Verhandlungen über einen Sozialtarifvertrag scheitern sollten und sie über einen Streik entscheiden sollten, es die Aufgabe der gesamten Arbeiter*innenklasse wäre, Solidarität zu zeigen.
Denn in der Tat ist der Angriff auf die Pilot*innen, die Flugbegleiter*innen und das Bodenpersonal eine Kriegserklärung gegen das Streikrecht als solches, das in langen, blutigen Kämpfen erstritten wurde. Ein Kommentar im sonst sehr bürgerlichen Weser-Kurier sprach sogar von „Dublin-Kapitalismus als Steigerung des Manchester-Kapitalismus“.
Das deutsche Kapital braucht aber nicht so zu tun, als sei es menschlicher als das irische. Die Praxis von Ryanair, seine Angestellten in Personalpools zu beschäftigen und je nach Flugaufkommen abzurufen sowie nur für die reine Flugzeit zu bezahlen (die Reinigung von Kabinen und Toiletten durch die Flugbegleiter*innen nach der Landung wird nicht vergütet!), ist mittlerweile auch bei deutschen Fluglinien angekommen. Der Traum von einer glamourösen Arbeitswelt in der Luftfahrt wird zum tagelöhnerischen Albtraum. Um so dringender ist es, dass die Beschäftigten sich wehren, und um so beeindruckender ist die grenzüberschreitende Gegenwehr bei Ryanair. Zuletzt wurde in sechs Ländern gleichzeitig gestreikt. Das Kapital ist international organisiert, und wenn Arbeitnehmer*innen sich erfolgreich gegen Lohndumping wehren wollen, müssen sie sich ausnahmsweise daran ein Beispiel nehmen.
Die Beschäftigten bei Ryanair bekommen gerade eine Lektion in Klassenkampf, die sich gewaschen hat. Noch vor wenigen Wochen schrieb eine Flugbegleiterin in ihr Facebook-Profil: „Hör auf über die Zukunft nachzudenken, damit du mehr Zeit vor dir hast.“ Heute steht sie vor der Frage, wie sie die nächsten Monate über die Runden kommen soll, wenn sie entlassen wird, oder wie sie den Umzug bezahlen soll, wenn sie transferiert wird. Das ist die bittere Realität des Kapitalismus, der weder aus Manchester noch aus Dublin kommt. Mick Barry zitierte einen „bekannten deutschen Philosophen, der im 19. Jahrhundert gesagt hat: ‚Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. Proletarier aller Länder, vereinigt euch!‘“