Bericht vom „Krankenhaus statt Fabrik“-Kongress gegen die Ökonomisierung in der Gesundheitsversorgung
Vom 19. bis 23. Oktober diskutierten in Stuttgart 130 Teilnehmer*innen über Fallpauschalen, Profitlogik im Gesundheitswesen und Möglichkeiten der Gegenwehr. Daraus entstanden zahlreiche Verabredungen und Ideen, aber noch keine umfassende Kampagne.
von Michael Koschitzki, Teilnehmer aus Berlin
Das „Krankenhaus statt Fabrik“-Bündnis besteht mittlerweile seit dreieinhalb Jahren und vereint Beschäftigte, Gewerkschafter*innen und Aktive aus verschiedenen Organisationen, die im Gesundheitswesen tätig sind. Seit der Gründung sorgte vor allem ihr Buch mit Fakten und Argumenten zum Fallpauschalen bzw DRG-System für Aufsehen, das mittlerweile 10.000fach gedruckt und verteilt wurde.
Dieses Jahr kamen zum Kongress einige Beschäftigte aus Pflege und ärztlichem Dienst aus verschiedenen Kliniken, ver.di-Sekretär*innen, Medizinstudierende vor allem vom Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte vdää und Aktive aus lokalen Krankenhausbündnissen. An politischen Organisationen waren neben der LINKEN vor allem die Interventionistische Linke (IL) mit vielen Teilnehmer*innen vertreten. Eröffnet wurde der Kongress von der ver.di Landesfachbereichsleiterin Baden-Württemberg vom Landesfachbereich 3 Irene Gölz. Am Vorabend verteidigte besonders Mitbegründer des Bündnisses und Bundestagsabgeordneter der LINKEN Harald Weinberg die Inhalte des Bündnisses bei einer Diskussion mit anderen Abgeordneten.
Einschätzung des Pflegepersonalstärkungsgesetzes
Auf hohem Niveau wurde in mehreren Workshops diskutiert, von den Grundlagen der Krankenhausfinanzierung zur psychiatrischen Versorgung, von Vernetzung bis Kampagnenplanung. Inhaltlich interessierte vor allem die Einschätzung der jetzigen Pläne des Bundesgesundheitsministeriums unter Jens Spahn. Der Pflegeprofessor und Experte für Personalbemessung Michael Simon legte dar, wie fachlich unsauber und tendenziell auch gefährlich die derzeitigen Pläne für so genannte Personaluntergrenzen sind, die den heutigen Pflegenotstand fortschreiben. Die Herausnahme von Pflege aus den Fallpauschalen sei ein großer Erfolg. Er führte aber auch aus, dass auch die Zusage, weitere Stellen zu finanzieren, nicht zu großem Aufbau führe, weil derzeit eine Rückführung der Finanzierung an ein dem Fallpauschalen verwandtes System ab 2020 vorbereitet wird. Deshalb werden sich viele Krankenhäuser mit Stellenaufbau zurückhalten. Daraus schloss er, dass der Pflegenotstand sich unter dieser Regierung deshalb eher noch weiter verschärfen wird, wenn es nicht von unten Widerstand gibt, der dem Einhalt gebietet.
Weitere Pläne
Bei dem Kongress gab es Austausch zwischen aktiven Gewerkschafter*innen, die sich über den Stand von tariflicher Personalbemessung und weitere Schritte in dem Bereich austauschten. Außerdem kamen die Bündnisse für mehr Personal im Krankenhaus zusammen. Sie führen am 9./10. November in Hamburg noch ein weiteres bundesweites Treffen durch, um sich auf weitere Schritte zu verständigen.
Gemeinsam mit allen will man sich an den ver.di-Protesten gegen die Gesundheitsministerkonferenz am 5. Juni in Sachsen beteiligen und dort gegen die derzeitige Gesundheitspolitik protestieren. Darüber hinaus gab es jedoch keine Verständigung auf eine umfassende Kampagne gegen die Ökonomisierung des Gesundheitswesens. Vertreter der SAV brachten ein, dass vor allem die Alternative zum Fallpauschalensystem, also eine kostendeckende und bedarfsgerechte Finanzierung von Krankenhäusern ausformuliert und in griffige Slogans gebracht werden müsse. Außerdem müsse über Forderungen wie Zusammenlegung von Krankenkassen und das Ziel eines steuerfinanzierten kostenlosen Gesundheitswesens geredet werden. Damit ließe sich durch aktive Gewerkschafter*innen, Bündnisse und linke Organisationen mit gutem Material eine dynamische Kampagne entlang verschiedener lokaler und bundesweiter Termine organisieren.
Von mehreren Kolleg*innen wurde an dem Wochenende außerdem die „Herzschlag“ verbreitet. Die unabhängige Zeitung von Kolleg*innen für Kolleg*innen ist mittlerweile in der zweiten Auflage erschienen und wurde von vielen mit nach Hause genommen. (https://herzschlagkrankenhaus.wordpress.com/) Außerdem trugen sich Viele in den Verteiler ein, um die nächste Ausgabe zu erhalten.
Auf dem Kongress fehlten leider Kolleg*innen, die Streiks in diesem Jahr mitgetragen hatten, wie in den Unikliniken Düsseldorf und Essen. Im nächsten Jahr soll es einen weiteren Kongress des Krankenhaus statt Fabrik Bündnisses geben, zu dem auch versucht werden sollte, genau diese Kolleg*innen zu erreichen.