Containern ist kein Verbrechen!

München: Aktivistinnen sollen 2400 Euro zahlen, weil sie bei Edeka Lebensmittel aus dem Müll entnommen haben

Franzi und Caro sind zwei junge Frauen aus Olching im Münchner Umland. Sie sind – wie fast alle Menschen – überhaupt nicht damit einverstanden, dass tonnenweise genießbare Lebensmittel in Deutschland weggeworfen werden. Also haben sie etwas naheliegendes getan: Sie sind zum Abfallcontainer eines Edeka-Supermarktes in ihrer Nähe gegangen und haben das gute Essen dort herausgeholt, „gerettet“.

Von Christian Walter, Aachen

„Containern“ erfreut sich wachsender Beliebtheit

Franzi und Caro sind damit nicht allein. Tausende gehen in Deutschland regelmäßig containern. Die Motivation kann dabei durchaus unterschiedlich sein: Viele machen es ideologisch motiviert, wollen praktisch etwas dagegen tun, dass genießbare Lebensmittel weggeworfen werden. Andere wiederum haben einfach nicht genug Geld, um sich genug Essen zu kaufen (geschweige denn gesundes Essen – und gerade mit Gemüse und Obst sind die Tonnen oft besonders voll). Ob das Containern nun ein wirksames Mittel gegen Lebensmittelvernichtung ist, ob dadurch die Produktionsmenge, also die Überproduktion, beeinflusst wird, kann man durchaus diskutieren. Unabhängig davon jedoch handeln Containernde aus durchaus verständlichen Motiven.

Es gibt nur ein Problem: Es ist verboten.

Müll ist Eigentum

Denn Müll ist in Deutschland Eigentum: Erst vom Supermarkt, irgendwann vom Entsorgungsunternehmen. Und wer anderen das Eigentum wegnimmt, begeht einen Diebstahl. So absurd das ist, so viel absurder, dass deswegen tatsächlich Menschen angezeigt werden. Trotzdem kommt es immer wieder dazu. So auch in Olching: Franzi und Caro wurden angezeigt, sollen zusammen 2400€ Strafe zahlen.

Protest wirkt

In Aachen ist die Staatsanwaltschaft mit einem ähnlichen Kriminalisierungsversuch ziemlich auf die Nase gefallen. Wie jetzt im Olchinger Fall wurden zwei Menschen angezeigt. „Schwerer Diebstahl“ lautete die Anklage. Doch damit sind sie nicht durchgekommen. Mit Unterstützung einer Solidaritätsgruppe wurden Kundgebungen durchgeführt, Flyer verteilt, eine Online-Petition erreichte 127.000 Unterschriften. Zwischenzeitlich wurde öffentlich zum gemeinsamen Containern aufgerufen, bis zu 65 Menschen beteiligten sich an diesen Touren. Es gab vier Ansätze, die Sache vor Gericht zu verhandeln. Jedes Mal wurden Proteste angekündigt, jedes Mal die Verhandlung verschoben. Letztlich wurde sie ohne Auflagen eingestellt.

Unterstützt die Olchingerinnen

Auch der Olchinger Fall wurde bereits ein Mal verschoben. Auch wenn ein anderer Grund angegeben wurde: Kurz vorher wurde zu einer Kundgebung und zur Prozessbegleitung aufgerufen. In der Aachener Kampagne wurde deutlich, wie wenig Verständnis es in der Bevölkerung gibt, dass Lebensmittelretter*innen verfolgt werden, statt denjenigen, die das Essen vernichten (lassen). Unternehmen und Staatsanwaltschaften haben deswegen eine große Angst vor Öffentlichkeit. Und genau deswegen wird nun auch in Olching in die Öffentlichkeit gegangen.

Franzi und Caro sind selbstbewusst. Auf ihrem Blog olchiscontainern1.blogsport.de schreiben sie:

„Das Thema Lebensmittelverschwendung ist ein gesellschaftliches. Wir fühlen uns nicht „schuldig“ in dem Sinne, wie uns vonseiten der Staatsanwaltschaft vorgeworfen wird. Stattdessen sollten Gesetzgeber, Supermärkte und Gesellschaft Verantwortung übernehmen. Es wäre einfacher und eventuell günstiger gewesen, den Forderungen des Strafbefehls nachzukommen und die 2400 Euro zu bezahlen. Damit hätten wir jedoch unsere Schuld gestanden und hätten uns dem Kriminalisierungsversuch ergeben. Deshalb haben wir uns dazu entschieden, unseren Fall öffentlich und politisch zu führen.“

  • Am Mittwoch, den 17. Oktober wird um 19:30 Uhr in München im Eine-Welt-Haus, Schwanthalerstrasse 80, eine Unterstützungsgruppe gegründet. Schon jetzt bekommen die beiden viel Unterstützung aus ihrem Freundeskreis, aber auch von Mitgliedern der linksjugend [’solid] und der SAV. Auf dem Treffen sollen Strategien und Aktionen diskutiert werden.
  •  Der Prozess ist derzeit für den 12. November angesetzt – kann aber natürlich wieder verschoben werden. Aktuelle Infos, ebenso wie ein Spendenkonto, gibt es auf dem Blog olchiscontainern1.blogsport.de

 

Christian Walter betreibt das Facebook-Blog „Aachen Containert“ und hat mit anderen die Aachener Containern-Kampagne durchgeführt. Erfahrungen sowie Hintergründe zum Containern und zu Lebensmittelvernichtung hat er in seinem Buch „Volle Bäuche statt volle Tonnen“ zusammengefasst. Es kann hier bezogen werden: manifest-buecher.de/containern