#metwo gegen Diskriminierung

Der alltägliche Rassismus und die Forderung nach „Integration“

Unter dem Hashtag #metwo berichten MigrantInnen über ihre Erfahrungen mit Rassismus.  Rassismus sind nicht nur die plumpen Pöbeleien der AfD sondern auch Statements und Politik der etablierten Parteien und die staatlich festgelegte Ungleichbehandlung. Und Rassismus ist zuallererst das, was Menschen in diesem Land täglich erleben.

Von Nadja Habibi, Hamburg

„Sorry, du kannst nicht rein.“  Auch wenn Farhad damit hätte rechnen können, fragt er nochmal nach: „Warum denn nicht?“ Der Türsteher baut sich vor ihm auf: „Leute wie dich kenne ich. So Schwarzköpfe machen hier nur Stress.“

Sina trägt Kopftuch und ist schon früh im Uni-Gebäude, um ein Referat vorzubereiten. Ein anderer Student fragt sie, wann sie denn fertig sei mit Putzen.

Eine Familie steigt in die U-Bahn. Die drei Kleinkinder toben auf ihren Sitzen herum. Eine Frau mit grauen Haaren setzt sich weg, ans andere Ende des Waggons. Von irgendwoher fragt jemand, ob „die Kanacken ihre Kinder nicht unter Kontrolle halten können, wenn sie schon so viele davon zeugen müssen“.

Ich unterhalte mich während einer Taxifahrt mit dem Fahrer. Er erzählt mir von den anderen Fahrgästen, denen er begegnet. „Ich lebe seit über 20 Jahren in Deutschland und bin aus Afghanistan vor Leuten wie den Taliban geflohen. Am Anfang hatte ich viele Probleme mit meinem Aufenthaltstitel. Du musst immer zu Terminen in der überfüllten Ausländerbehörde und weißt nie, ob deine Duldung nächstes Mal verlängert wird, du hast keine Ruhe. Inzwischen bin ich eingebürgert, aber es hört nicht auf. Alle denken, wir Araber respektieren keine Frauen. Wenn ich eine Woche lang meinen Bart nicht rasiere, fangen die Leute an sich in der Bahn wegzusetzen. Und wenn ich im Winter eine dicke Jacke trage, sehe ich, dass die Leute sich fragen, ob ich wohl einen Bombengürtel darunter trage. Dabei bin ich doch vor Leuten mit Bombengürtel geflohen! Die BILD schreibt nur über Ausländer als Sozialschmarotzer, Kriminelle, Vergewaltiger und Terroristen. Kein Wunder, dass die Leute hier das irgendwann glauben.“

Welche Werte?

FDP-Chef Christian Lindner hält die #metwo Debatte für zu einseitig und kritisiert: „In der türkeistämmigen Gemeinschaft gibt es eine Geringschätzung freiheitlicher Werte. Bemühungen, sich zu integrieren, werden vernachlässigt.“

Hier wird sehr gut das Problem von etablierten Politikern und ihrem Rassismus deutlich: Migranten hätten andere Werte als Deutsche, wären nicht so weltoffen und tolerant. Aber allein damit, dass Lindner dies Migrant*innen generell unterstellt, schürt er selbst rassistische Vorurteile.

Es gibt weder „die Flüchtlinge“, noch „die Deutschen“ noch „die Werte“ die alle teilen. Solidarität ist zum Beispiel für viele ein hoher Wert. Solidarität mit Geflüchteten oder die Solidarität mit Streikenden. Doch genau diese Solidarität ist der Regierung und den Kapitalisten ein Graus.

Ganz aktuell gehört zu „deutschen Werten“ Waffen zu exportieren und die Flüchtlinge dann im Meer ertrinken zu lassen. Zu diesen „Werten“ gehört offensichtlich auch, jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut leben zu lassen.  Das, was Lindner „Werte“ und Seehofer „Leitkultur“ nennt, ist eine fatale Politik, die sich nicht um den Großteil der Bevölkerung schert. An schlechten Jobs, fehlenden Wohnungen und Umweltzerstörung sind nicht die Flüchtlinge schuld – das alles gab es schon vor der sogenannten Flüchtlingskrise 2015. Die Schuld liegt in diesem kapitalistischen System und bei den Politikern, die entsprechende Gesetze machen und so im Interesse der Wohnungs-, Rüstungs-, Autokonzerne handeln. Angebliche Werte werden immer von den Herrschenden festgelegt und für ihre Interessen genutzt.

„Integration“

Um von den wirklichen Problemen im Land abzulenken, dreht sich fast jede Polit-Talkshow nur noch um Ausländerkriminalität, Burkinis und Asylchaos. Es geht nur darum, wie viel intolerante AusländerInnen das ach-so-tolerante Deutschland aushalten könne. Dabei fällt immer wieder das Wort Integration. Damit ist meist die Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft gemeint: MigrantInnen sollen ihre Kultur und Tradition aufgeben und eine neue „deutsche“ Identität annehmen. Auch diese Debatte lenkt ab. Warum bedeutet Integration, dass Muslime endlich Schwein essen und Muslima ihre Kopftücher abnehmen sollen? Wenn Integration heißen soll, Unterschiede zu beseitigen, warum redet man dann nicht mal darüber, die Unterschiede zwischen dem Reichtum der Milliardäre und dem Rest der Bevölkerung abzubauen? Die leben tatsächlich in einer Parallelwelt.

Das passt natürlich nicht in das System der Herrschenden, denn sie profitieren davon, wenn wir  anhand von Nationalität, Geschlecht, Sexualität oder auch Kultur gespalten werden. Den Kampf für ein besseres Leben müssen wir gemeinsam führen.