Pflegepersonalstärkungsgesetz lässt das Wichtigste aus.
Mit einem mag sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gut auskennen: Wie er seine Politik verkauft. Vollmundig verkündete er gegenüber den wütenden Protesten von Kranken- und AltenpflegerInnen „Wir haben verstanden“.
von Angelika Teweleit, Berlin
Mit dem vom Kabinett Anfang August beschlossenen Gesetz, welches im Herbst in den Bundestag geht, wird allerdings keine wirkliche Lösung des entstandenen Personalmangels in der Pflege anvisiert. Zwar soll die Finanzierung von Pflegepersonal zunächst aus den so genannten DRG’s (Fallpauschalen), die auf marktwirtschaftliche Kriterien zugeschnittenen sind, herausgenommen werden. Das ist unmittelbar ein Zugeständnis, das nur durch den massiven Druck der Bewegung erreicht werden konnte. Die KollegInnen in den Uniklinika im Saarland und in Düsseldorf und Essen können diese Tatsache als Argument nutzen. Denn bis 2020 wird so jede einzelne neu geschaffene Stelle refinanziert. Auch da, wo Volksentscheide für eine verbindliche Personalbemessung auf Landesebene laufen, ist dies ein wichtiger Punkt. Gerade in Berlin, wo unter anderem DIE LINKE mit in der Regierung ist, könnte die Landesregierung nun unmittelbar sagen, dass sie die Gesetzesvorlage des Volksentscheides übernimmt und sofort umsetzt.
Das ist umso wichtiger, weil auf Bundesebene droht, dass die Finanzierung ab dem Jahr 2020 wiederum gedeckelt werden soll. Über ein kompliziertes Verfahren droht, dass „Nurse Related Groups“ (NRG’s) eingeführt werden, die sich auf die nach Wirtschaftlichkeit ausgerichteten DRG’s beziehen würden. Außerdem sollen so genannte Pflegepersonalquotienten ermittelt werden. Diese sollen sich am völlig unzureichenden Ist-Zustand orientieren, anstatt an dem, was für eine Patienten-gerechte Versorgung gebraucht würde!
Untergrenzen verhindern
Das bisherige Gesetz sah vor, dass die Verbände der Krankenkassen und der Krankenhäuser (GKV und DKG) Personaluntergrenzen festlegen. Das war bereits von der Bewegung für mehr Personal massiv kritisiert worden. Denn hier wurde der Bock zum Gärtner gemacht – nämlich diejenigen, die ein Interesse an möglichst geringen Vorgaben und niedrigen Kosten haben. GKV und DKG konnten sich nicht einigen, weil die DKG fand, dass die Untergrenze bei den schlechtesten 25 Prozent zu hoch angesetzt sei!
Nun soll ab 1. Oktober übergangsweise eine Verordnung des Gesundheitsministeriums in Kraft treten. ver.di kritisiert: „Eine Pflegekraft für zehn bis 24 Patient/innen – das ist nicht mehr als die Zementierung und Legitimierung der miserablen Personalausstattung. Auch die erlaubte Quote für Hilfskräfte ist zu hoch. (…) Pflegehilfskräfte, Stationsassistenz und Leitungskräfte dürfen nicht eingerechnet, sondern nur zusätzlich eingesetzt werden.“ (www.gesundheit-soziales.verdi.de).
Derartige Untergrenzen sowie die Pflegepersonalquotienten nach jetziger Ausrichtung müssen unbedingt verhindert werden. Sie sind Teil der kapitalistischen Marktlogik und bedeuten, dass in den Krankenhäusern, die über den festgelegten Untergrenzen liegen, perspektivisch sogar noch Personal abgebaut würde!
Die Bewegung für mehr Personal muss weiter gestärkt werden. Dabei steht die Forderung nach einer bedarfsgerechten und verbindlichen Personalbemessung – auf Grundlage der Beendigung der Marktlogik – im Mittelpunkt. Der Druck muss über weitere Kämpfe auf tariflicher Ebene, über die Volksentscheide auf Landesebene sowie eine Bündelung der Kämpfe weiter aufgebaut werden. Wichtig wäre, dass ver.di zeitnah eine bundesweite Aktivenkonferenz einberuft, um die neuen Entwicklungen sowie die weiteren Strategien zu diskutieren.
Bewegung geht weiter
Die Bewegung für mehr Personal läuft bundesweit weiter. An den Uniklinika in Düsseldorf und Essen streikten KollegInnen im Jul und August wochenlang. Bei Scheitern der Schlichtung ist eine Intensivierung der Solidaritätskampagne dringend nötig. An der Uniklinik im Saarland läuft bis zum 11. September die Urabstimmung über Streik für einen Tarifvertrag Entlastung.
Das Beispiel der Volksentscheide in Berlin und Hamburg wurde nun auch in Bayern aufgegriffen und ein Volksentscheid gestartet. In Hamburg findet am 22. September eine Demonstration für die Ziele des Volksentscheides statt.