Interviews mit zwei Aktivisten zum Landtagswahlkampf
DIE LINKE in Bayern steht zwei Monate vor den Landtagswahlen in Meinungsumfragen bei vier Prozent. Wir haben mit zwei aktiven LINKE- und SAV-Mitgliedern darüber gesprochen, wie sie Wahlkampf machen und wie es DIE LINKE über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen kann.
Stefan Reifberger, LINKE- und linksjugend[‘solid]-Aktivist aus München
Stefan, Du bist in der linksjugend München aktiv. Wie ist die Stimmung unter Jugendlichen zur Wahl und zur CSU-Landesregierung?
Das neue PAG hat viele Jugendliche zuerst verunsichert und dann politisiert. Die WhatsApp-Gruppen, die zum neuen PAG an den Schulen entstanden sind und der Schulstreik mit 2.000 TeilnehmerInnen zeigen das. Es gibt Wut über den miserablen öffentlichen Verkehr, von dem gerade Jugendliche abhängig sind. Die Bildungspolitik, die auf Leistungsprinzip statt Förderung setzt, stört viele.
Wie werdet Ihr Euch in den Landtagswahlkampf einbringen?
Neben Beteiligung an Aktionen der LINKEN unterstützen wir das Volksbegehren für mehr Pflege. Das aktiviert gerade viele Menschen. Wir wollen die allgemeine Politisierung nutzen, um mit Menschen aktiv zu werden, zum Beispiel in der Seebrücke-Bewegung mit Geflüchteten. Die NoPAG-Bewegung läuft noch immer und wir nutzen den Wahlkampf um den Druck zu dem Thema weiter auszubauen. Über die #ausspekuliert-Demo im September können wir Studierende erreichen, die gerade entweder in Sardinenbüchsen zu überteuerten Mieten wohnen oder erst gar keine bekommen. Wir gehen in etwa nach dem Motto vor „Mit uns aktiv werden und am 14. Oktober DIE LINKE wählen, damit der Protest in den Landtag einzieht.“
Was sind dabei Eure wichtigsten politischen Inhalte und Forderungen?
Alle Verschärfungen, ob im Polizeigesetz, das neue Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz oder gegen Geflüchtete müssen zurückgenommen werden. Die Abschiebungen, insbesondere die von Schülerinnen und Schülern müssen aufhören. Stattdessen fordern wir aktive Seenotrettung. Gegen den Pflegenotstand unterstützen wir die Forderung nach einem gesetzlichen Personalschlüssel. Darüber hinaus müssen die Privatisierungen im Interesse von Azubis, KollegInnen und PatientInnen im Gesundheitsbereich rückgängig gemacht werden.
Sebastian Sommerer, Sprecher und Kandidat der LINKEN in Bayreuth
Die Großdemo unter dem Motto #ausgehetzt und die Bewegung gegen das neue Polizeiaufgabengesetz zeigen, dass es Widerstand von links gegen die CSU-Landesregierung gibt. Was muss DIE LINKE tun, um aus diesen Protesten Wählerstimmen zu machen?
Dies ist in der Tat nicht ganz einfach, da sich auch Grüne und SPD bei diesen Protesten stark mit einbringen. Die SPD kann zur Zeit, wohl vor allem aufgrund der unglaubwürdigen Politik auf Bundesebene, keinerlei Zugewinne erreichen. Die Grünen schaffen dies jedoch gerade gut, obwohl sie eine Koalition mit der CSU nicht ausschließen, was diese Partei nicht glaubwürdig erscheinen lässt.
Und das ist der wichtigste Punkt für DIE LINKE: Glaubhaft sein. Das bedeutet, dass wir die Proteste aus voller Kraft unterstützen, uns gleichzeitig auf politischer Ebene knallhart von prokapitalistischen Parteien, wie SPD und Grüne, abgrenzen und die Themen der Proteste mit der sozialen Frage und dem kapitalistischen System als Ursache in Verbindung bringen.
Hier haben aber auch wir einige Baustellen: Es ist doch nicht glaubhaft, wenn wir hier in Bayern Proteste gegen Abschiebungen organisieren und unterstützen – wie die Mahnwachen gegen Abschiebungen nach Afghanistan in Bayreuth – dann aber Landesregierungen, in welcher DIE LINKE mitregiert, abschieben. Andererseits gefährden auch Aussagen von BundespolitikerInnen unsere Glaubwürdigkeit, wie beispielsweise Sahra Wagenknechts Statement vom „Gastrecht“ oder die Herstellung eines Zusammenhangs zwischen Zuwanderung und Terrorismus. Das macht es uns Aktiven an der Basis nicht einfacher, Menschen von unseren antirassistischen Positionen zu überzeugen.
Was sind Deine Schwerpunkte und zentralen Forderungen im Wahlkampf?
Hier muss natürlich die soziale Frage im Mittelpunkt stehen, denn derzeit werden ja viele Scheindebatten um Migration geführt. Zentrale Forderungen sind bessere Pflege, bezahlbares Wohnen, gute Bildung und eine Herstellung von guter Infrastruktur auf dem Land, beispielsweise durch einen kostenlosen Bus- und Bahnverkehr.
Viele Themen versuchen wir durch Bewegungen stark zu machen, wie das Thema Pflege durch das derzeitige Volksbegehren gegen den Pflegenotstand an bayerischen Krankenhäusern. In Bayern haben wir aber auch den Vorteil, dass nicht einmal die Reformer in unserer Partei für Koalitionen mit SPD und Grünen werben, weshalb wir einen guten Oppositionswahlkampf führen werden.
Ob DIE LINKE es in den Landtag schafft, ist nach derzeitigen Meinungsumfragen offen. Was ist aus Deiner Sicht die Aufgabe der Partei, wenn sie es schafft – und wenn sie es nicht schafft?
Sollten wir in den Landtag einziehen sollten innerparteilich Strukturen geschaffen werden, damit unsere Partei sich nicht im parlamentarischen Sumpf verliert und damit auch den Anschluss an die Bewegungen oder von der Lebensrealität der Lohnabhängigen keine blassen Schimmer mehr hat – denn unsere Aufgabe muss es doch sein, denen eine Stimme zu geben, welche sich immer wieder übergangen fühlen. Im Idealfall schaffen wir es einige Prinzipien der russischen Revolution in unserer Partei zu verankern, so dass Abgeordnetenmandate rotieren oder unsere Abgeordneten den durchschnittlichen Lohn eines Facharbeiters erhalten.
Aber was in beiden Fällen zutrifft: Wir müssen weiterkämpfen und Druck aufbauen! Als im Landtag vertretene Partei gelingt uns dies natürlich viel einfacher, da wir eine größere mediale Aufmerksamkeit erhalten. Aber auch ohne Sitze im Parlament kann uns dies gelingen, wie beispielsweise gerade mit dem Volksbegehren für bessere Pflege.