Ein Verteidigungshaushalt der keiner ist
Der vermeintlich schlechte Zustand der Bundeswehr ist seit einiger Zeit Thema in den bürgerlichen Medien. Die ständigen Meldungen über Mängel bei der Ausrüstung sollen vorbereiten auf von der Leyens massive Aufrüstungspläne.
Von Richard Ulrich, Frankfurt
„Deutschlands Desaster-Armee“ betitelte der Stern einen Artikel im Januar diesen Jahres. Beklagt wird beispielsweise, dass zwei Drittel der Kampfhubschrauber nicht einsatzfähig seien, ebenso die Hälfte der Leopard-2-Panzer. Bereits vor einigen Jahren kam Kritik am Sturmgewehr G36 auf, es werde nach mehreren hundert Schuss (!) Dauerfeuer zu heiß und dadurch unpräzise. In den Kriegstenor stimmen auch die Grünen, die sich gerne als Partei des Friedens verklären, ein. So sagte der sicherheitspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner, unlängst: „Es ist der Ministerin bisher nicht gelungen, eine wirkliche Verbesserung der Situation in der Bundeswehr zu erreichen.“
Auf rein technischer Ebene wird hier diskutiert, was politisch hinterfragt werden muss. Wer braucht eine schlagkräftige Bundeswehr und zu welchen Zwecken? Diese verkürzte Debatte ist kein Zufall, das ist Methode.
Kampagne für Aufrüstung
Dies ist auch Teil einer Kampagne, die deutsche Bevölkerung mental auf die kommende Militarisierung vorzubereiten. Man denke an die Werbeplakate der Bundeswehr, ihre Präsenz an Schulen und Universitäten. Denn die Mehrheit ist entgegen dem Willen der Herrschenden, geprägt von den schlimmen Erfahrungen der deutschen Geschichte, eher antimilitaristisch gesinnt. Ein Beispiel: Erst im Mai diesen Jahres sprachen sich in einer Umfrage 64 Prozent der Befragten für einen Stopp ALLER Rüstungsexporte aus.
Bei der Aufrüstung der Bundeswehr geht es nicht darum, die Bevölkerung gegen eine reale Gefahr zu schützen. Kein Land der Erde zeigt Bestrebungen, in Deutschland einzumarschieren. Stattdessen soll die Bundeswehr für kommende Kriegseinsätze im Ausland modernisiert werden. Das zeigen auch die laufenden Rüstungsprojekte, so die Anschaffung von Flugdrohnen, die mit Bomben bewaffnet werden können. Im Kampf um Märkte und Rohstoffe will das deutsche Kapital mitmischen, das ist ein offenes Geheimnis.
Es ist Politik für die Banken und Konzerne, die Kosten tragen wir alle. Der „Verteidigungs“-Etat 2017 betrug 37 Milliarden Euro, aber das reicht der Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen noch nicht. Sie fordert laut Zeitungsberichten eine schrittweise Steigerung innerhalb der nächsten vier Jahre um weitere 25 Milliarden Euro auf 62 Milliarden Euro jährlich. Das wäre eine Erhöhung um 68 Prozent. Die Bundeswehr soll von 174.000 auf 198.000 Soldaten und Soldatinnen vergrößert werden.
Eine solche Ausweitung des Wehretats würde mit massiven Kürzungen in anderen Bereichen einhergehen müssen, das Programm würden abhängig Beschäftigte, Arbeitslose und Jugendliche teuer bezahlen.
Rüstungskonzerne happy
Wer sich nicht beklagen kann, sind die Rüstungskonzerne. Sie verdienen eifrig Geld an der globalen Instabilität und am Morden. Entgegen aller politischen Lippenbekenntnisse werden Rüstungsgüter in Krisengebiete geliefert. Es waren deutsche Panzer, mit denen die türkische Armee in Afrin einmarschiert ist. Im letzten Jahr wurde die ägyptische Militärdiktatur massiv mit deutschen Waffen aufgerüstet, und im laufenden Jemenkrieg wurden Kriegsparteien mit Waffen aus Deutschland beliefert.
Es ist klar, dass die Welt dadurch langfristig nicht sicherer wird, wenn die Armeen global weiter aufgerüstet werden. Denn letzten Endes bedeutet Kapitalismus Krieg. Im Kampf um Märkte und knapper werdende Ressourcen wie Erdöl sind alle Mittel recht.
Frei nach Clausewitz ist Krieg die Fortsetzung von Politik mit anderen Mitteln – von bürgerlicher Klassenpolitik sollte man präzisieren. Eine Politik im Interesse der Massen, jenseits von Profitinteressen, braucht nämlich keine Aufrüstung und keine Kriege.
Geld ist genug da
Die Debatte um den Wehretat zeigt zumindest eins: Geld ist genug da. Gerne reden die Herrschenden von leeren Kassen, wenn damit Angriffe auf das Sozialsystem begründet werden sollen. Doch für ihre eigenen Projekte werden schnell Milliarden locker gemacht.
Statt einer weiteren Militarisierung nach innen und außen, brauchen wir ein Sofortprogramm für gute Bildung, Kitas, flächendeckende Gesundheitsversorgung, Umweltschutz und auch echter Entwicklungshilfe zur Bekämpfung der Fluchtursachen. Dies wären Maßnahmen zum Wohle von Millionen Menschen statt für die Interessen einiger weniger.