Solidarität mit dem Kampf für mehr Personal im Krankenhaus in Düsseldorf, Essen und Homburg!
Die Streikfront an den Unikliniken in Düsseldorf und Essen steht ungebrochen. Die Auseinandersetzung dauert bei ihnen schon seit Wochen an und es wird hart gekämpft. Zeitgleich gehen die Beschäftigten im saarländischen Homburg in die Urabstimmung für einen unbefristeten Streik. Weitere Proteste sind angekündigt. Sie alle kämpfen für Entlastung durch mehr Personal im Krankenhaus und eine verbindliche Mindestpersonalbesetzung.
von Michael Koschitzki, Berlin
Trotz des augenscheinlichen Pflegenotstands fürchten die Klinikleitungen feste Personalschlüssel nach Bedarf, wie der Teufel das Weihwasser. Deshalb gehen sie auch mit harten Bandagen gegen die Streikenden in Düsseldorf und Essen vor, die sich aufmachen, dem Beispiel der Berliner Charité zu folgen und für eine Personalbemessung per Tarifvertrag zu streiken. Der Arbeitgeberverband brach im Juni sämtliche Verhandlungen mit der Gewerkschaft ver.di in allen Bereichen ab. Erst nach andauerndem Protest konnte er zurück zu Verhandlungen gezwungen werden. In Düsseldorf lehnt die Klinikleitung aber weiterhin den Abschluss einer Notdienstvereinbarung ab, die gemeinsame Handlungen von Streikleitung und Arbeitgeber zum Schutz der PatientInnen und Behandlungen von Notfällen festlegt.
Unbefristeter Vollstreik
Doch die Beschäftigten lassen sich davon nicht abhalten. Am Uniklinikum Düsseldorf befinden sich die Beschäftigten in der dritten Woche im Vollstreik, nach einer Woche schlossen sich die KollegInnen aus Essen an. Das ist der Gipfel von Kampfmaßnahmen, die mit Warnstreiks, Protesten und Verhandlungen seit dem 20. Juni anhalten, als viertausend Beschäftigte in Düsseldorf gegen die Gesundheitsministerkonferenz demonstrierten.
Und ihr Streik kann sich sehen lassen. Zweitausend Operationen sind streikbedingt bereits ausgefallen. Fünfhundert, vor allem Kolleginnen, stehen jeden Tag vor dem Krankenhaus. Während des Streiks besuchten sie unter anderem Streikende von Amazon. „Die Kolleginnen und Kollegen dort wehren sich ebenfalls mit ver.di gegen miese Arbeitsbedingungen. Ich finde es wichtig, diese Kämpfe miteinander zu verbinden“, wird Alexandra Willer von der Streikleitung aus Essen auf der Homepage von ver.di zitiert. Am 9. August fand eine Demonstration in der Essener Innenstadt mit 500 TeilnehmerInnen statt.
Leider wurden im Rahmen der bundesweiten Tarifbewegung Entlastung nicht noch mehr Krankenhäuser in die Auseinandersetzung gebracht (zu Problemen der Bewegung siehe: https://www.archiv.sozialismus.info/2017/09/mehr-von-uns-ist-besser-fuer-alle-2/), so dass die beiden Universitätskliniken derzeit alleine dastehen. Noch versuchen die Arbeitgeber sie zu isolieren und PatientInnen gegen sie aufzubringen. Doch die KollegInnen können sich auf enorme Solidarität stützen. Im Vorfeld wurden 8500 Unterschriften in Düsseldorf und Essen gesammelt. Auch in Essen ist jetzt ein Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus entstanden. Von Seiten der Betroffenen wurde am Dienstag, dem 14. August ein Brief von 135 aktuellen oder ehemaligen PatientInnen veröffentlicht, die sich solidarisch mit dem Streik erklären. Und die Beschäftigten berichten von enormer Solidarität, die sie in der Stadt erfahren. Der Kampf braucht jetzt maximale Unterstützung, um einen Erfolg erzielen zu können. Die ver.di-Führung im Bund und in NRW muss jetzt alle Kräfte mobilisieren, um hier einen Durchbruch zu erzielen.
Forderungen
Die Beschäftigten fordern unmittelbar mehr Personal in beiden Kliniken. An beiden Standorten müsste es jeweils 200 zusätzliche Pflegekräfte geben – das wären rund zwei Stellen mehr pro Station. Darüber hinaus wollen sie verbindliche Mindestpersonalregeln erkämpfen – eine Pflegekraft soll nicht mehr als zwei IntensivpatientInnen betreuen. Auch für Normalstationen fordern sie eine Quote von maximal sechs PatientInnen auf eine Pflegekraft und keine Nacht allein auf Station. Dort wo das unterschritten wird, fordern sie verbindliche Konsequenzen und Entlastung.
Weitere Auseinandersetzungen für mehr Personal im Krankenhaus
Auch im Saarland stehen die Zeichen auf Streik. Seit dieser Woche sind die Beschäftigten am Universitätsklinikum Homburg aufgerufen, über einen unbefristeten Streik für mehr Personal in einer Urabstimmung zu entscheiden. Die Abstimmung läuft noch bis 11. September. Danach könnte es auch dort losgehen. Die Beschäftigten hatten zuvor der Klinikleitung und Landesregierung ein 100-Tage-Ultimatum für Entlastung gesetzt, das diese untätig verstreichen ließen.
Außerdem läuft in Bayern nun die Unterschriftensammlung für einen Volksentscheid für mehr Personal im Krankenhaus an. Sie haben sich an den Vorbildern in Berlin und Hamburg orientiert, wo für Volksentscheide in der ersten Stufe 30.000 bzw. fast 50.000 Unterschriften gesammelt wurden und deren Gesetzentwürfe nun in der rechtlichen Prüfung sind.
Auch an der Berliner Charité gibt es Unmut, weil die bisherigen Regelungen nicht ausreichend umgesetzt werden und die Konsequenzen nicht flächendeckend greifen. Obwohl ein Streik derzeit nicht ansteht, sind weitere Maßnahmen geplant, um den Druck zu erhöhen. So diskutieren Beschäftigte der Charité über gemeinsame Aktionen mit anderen Berliner Krankenhäusern im Rahmen der Kampagne „Der Soll ist Voll“, um auf die Unterbesetzung aufmerksam zu machen.
Auch in Hamburg mobilisiert das Hamburger Bündnis für mehr Personal im Krankenhaus für eine Demo gegen den Pflegenotstand am 22. September unter dem kämpferischen Titel „Menschenwürde vor Profit – Gute Pflege für Alle“. (Aufruf unter http://pflegenotstand-hamburg.de/media/files/Aufruf—Mehr-Personal-ins-Krankenhaus—Volksentscheid-umsetzen-jetzt!-(3).pdf)
Unterstützt die Kämpfe
Durch seit Jahren anhaltende Proteste ist es gelungen den Pflegenotstand aufzuzeigen und zum gesellschaftlichen Thema zu machen. Laut aktuellem ARD Deutschlandtrend halten 69 Prozent Gesundheitspolitik für eine wichtige bis sehr wichtige Frage. Bei Asyl und Flüchtlingen ist es fast nur halb so viel. Der Kampf für bessere Pflege kann ein Kampf sein, der eine der wichtigen sozialen Fragen wieder in den Mittelpunkt rückt und dem Trommelfeuer von rechts etwas entgegensetzt.
Trotz aller öffentlichen Berichterstattung und Diskussion über Pflege hat sich immer aber noch nichts getan. Sogar hat die von der alten Bundesregierung eingesetzte Kommission zur Bestimmung von Pflegeuntergrenzen ihr eigenes Scheitern erklärt, nachdem die Vorschläge auf dem Tisch nicht nur schlecht sondern sogar gefährlich waren. Was aus Spahns markigen Erklärungen wirklich wird, ist derzeit noch offen.
Nur über Kämpfe und Druck wird sich in der Pflege etwas bewegen. Unterstützt deshalb die Auseinandersetzungen für mehr Personal im Krankenhaus. Solibotschaften an die Streikenden in NRW können geschickt werden an: jan.vonhagen@verdi.de Infos zum Volksentscheid in Bayern sowie Unterschriftenlisten finden sich unter https://stoppt-pflegenotstand.de Das Kampagnenmaterial der LINKEN und weitere Infos gibt es unter https://www.pflegenotstand-stoppen.de/start/