Überwältigende Beteiligung bei Demonstration in Berlin-Neukölln
Die Szenen in Chemnitz haben viele Menschen schockiert und wütend gemacht, aber nicht resigniert, sondern bereit, sich dem zu widersetzen. So war die Stimmung auch am gestrigen Abend in Neukölln. Rund 10.000 Menschen waren dem Aufruf der SAV, der linksjugend [’solid] Berlin Ost & Kreuzkölln, der LINKEN Neukölln und #nobärgida gefolgt und demonstrierten lautstark und entschlossen gegen rechte Gewalt in Chemnitz, Neukölln und überall.
von Tom Hoffmann, Berlin
Die Nazi-Mobilisierungen in Chemnitz vom Anfang der Woche waren für viele ein gewaltiger Schock. Nazi-Schläger und rechte Hools jagten (vermeintliche) MigrantInnen, Nicht-Deutsche, Linke und JournalistInnen durch die Stadt. Während die angeblich überforderte Polizei zusah, wütete der rechte Mob. In Berlin-Neukölln gab es in dieser Woche ebenfalls erneut einen Brandanschlag. In den vergangenen Monaten brannten immer wieder Autos von Linken und GewerkschafterInnen. Schon bei diesen Anschlägen wurde ein stadtbekannter Nazi als Tatverdächtiger festgenommen, so auch dieses Mal. Wie zuvor kam er wieder frei. Verschiedene staatliche Behörden scheinen der Bevölkerung sowieso gerade nachweisen zu wollen, dass sie am Kampf gegen Rechts grundsätzlich kein Interesse haben. Damit sind sie sehr erfolgreich. Seien es die Verstrickungen des Verfassungsschutzes in die Morde des NSU oder die Hutbürger-Affäre rund um das LKA Sachsen: Sie zeigen uns, dass wir uns im Kampf gegen die Nazis und andere Rechte nur auf uns selbst verlassen können.
Dafür brauchen wir massenhafte Mobilisierungen, müssen wir uns zusammenschließen und organisieren. Ein erster Schritt wurde damit gestern getan. Dass auf die Initiative der SAV 10.000 Menschen binnen zwei Tagen mobilisiert wurden, zeigt das vorhandene antifaschistische Potenzial. Es war nicht nur die Größe sondern auch die Stimmung auf dieser Demonstration, die im Gedächtnis bleibt. Nach und nach gesellte sich neben die Wut, die die Menschen auf die Straße trieb, auch Entschlossenheit als man das Ausmaß der Demonstration abschätzen konnte. Gegen 19 Uhr platzte der Hermannplatz aus allen Nähten. Auf der Route über die Sonnenallee und Erkstraße in Richtung Rathaus Neukölln wuchs der Zug weiter an. Während die Spitze am Rathausplatz eintraf, befand sich das Demoende auf der Hälfte der Sonnenallee. Auf der Demonstration lösten kämpferische Parolen kämpferische Reden ab.
Sascha Staničić (Mitglied DIE LINKE und Antikapitalistische Linke, Bundessprecher der SAV) bezeichnete die Nazis von Chemnitz als eine aufgehende Saat und forderte dazu auf, über diejenigen zu sprechen, die diese Saat seit Jahren gesät haben: BILD-Zeitung, Regierungspolitiker, Polizei und Verfassungsschutz. „Ohne diese Damen und Herren und diese Institutionen hätte es Chemnitz nicht gegeben.“
Er führte aus, dass“Rassismus […] dem Teile-und-Herrsche [dient]. Rassismus ist ein Herrschaftsinstrument, das uns unten halten soll.“
Marlene Frauendorf (Mitglied bei Linksjugend [`solid] Berlin-Ost und SAV Berlin) betonte: „Mieten explodieren, das Bildungssystem, die Pflege und das Gesundheitssystem sind kaputt gespart. Es gibt keine Kitaplätze und der Niedriglohnsektor ist so groß wie noch nie.
An all dem ist ein System schuld, das auf Ausbeutung und konkurrenz basiert. Der Kapitalismus wird unsere alltäglichen, drängenden Fragen nicht beantworten können. Im Gegenteil er wird die Lage der lohnabhängigen Menschen nur verschlimmern. Denn es wird sich immer eine Minderheit bereichern, während die Mehrheit unter ihm leidet und damit wird rechter Hetze und ihren dumpfen, menschenverachtenden Antworten, weiterhin ein Nährboden bereitet.“
Immer wieder kam vom Lautsprecherwagen die Aufforderung, sich an den Protesten in Chemnitz und Berlin am Wochenende und danach zu beteiligen, doch es nicht nur dabei zu belassen, sondern sich mit KollegInnen, MitschülerInnen und -studierenden auszutauschen und zu organisieren. Nur vereint können wir den Nazis Einhalt gebieten. Dementsprechend wurde auch in vielen Beiträgen herausgestellt, was uns unabhängig von unserer Herkunft, Hautfarbe oder Nationalität vereint: nämlich die Forderung nach einer bezahlbaren Wohnung, einem gut bezahlten Job, usw. usf. Das Geld ist dafür ist da, es liegt bei den Reichen und Mächtigen. Holen wir es uns!
Das Interesse an den sozialistischen Ideen der SAV war sehr groß. Trotzdem wir alle Hände voll zu tun hatten, waren alle Flugblätter waren binnen dreißig Minuten verteilt und viele Leute kauften die am selben Tag frisch aus dem Druck gekommene neue Ausgabe der „Solidarität – Sozialistische Zeitung.“
Wer sich für den Kampf gegen Rechts und die kapitalistische Misere weitergehend organisieren möchte, ist herzlich einladen, zu einem unserer nächsten Treffen zu kommen:
Alle Treffen finden am Dienstag um 19 Uhr an folgenden Orten statt:
Berlin-Friedrichshain
Kontaktstelle PflegeEngagement
Gryphiusstr. 16
10245 Berlin
Berlin-Neukölln
Verein iranischer Flüchtlinge in Berlin e.V.
Reuterstr. 52
12047 Berlin
Berlin-Mitte
Sonntagsclub
Greifenhagener Str. 28
10437 Berlin