Eltern und Beschäftigte Seite an Seite auf der Straße
Am Samstag protestierten über 3500 Menschen auf den Straßen Berlins gegen die derzeitige Kitakrise. Damit wurde die wohl größte Demo für eine Verbesserung der Betreuungssituation in Kitas auf die Beine gestellt, die es seit vielen Jahren gab.
Von Marius Petrenz, Berlin
Viele Familien mit Kindern beteiligten sich mit Plakaten an der Demonstration. „Wartelistenplatz Nr. 374″ oder auch „Kita statt Krieg“ war zu lesen. Gegen 10 Uhr setzte sich der Demonstrationszug am Dorothea-Schlegel-Platz in Bewegung, um zum Brandenburger Tor zu ziehen. Initiiert wurde der Protest von Eltern und ErzieherInnen, für die die Verhältnisse untragbar geworden sind und die die jetzige Situation in den Kindertagesstätten nicht länger hinnehmen wollen. Auch die Gewerkschaften GEW und ver.di unterstützen den Marsch. Die TeilnehmerInnen forderten mehr Kita-Plätze und eine deutlich bessere Qualität der Betreuung. Dass statt der angemeldeten 1800 Personen mehr als doppelt so viele an der Demonstration teilnahmen, zeigt wie sehr das Thema drängt. Mitglieder der SAV waren ebenfalls vor Ort. Neben der Rückseite unserer Zeitung zum Thema „AfD stoppen!“ stieß unser Flugblatt zur Kita-Misere auf großes Interesse.
Zwar haben seit dem 1. Januar Eltern ab dem zweiten Lebensjahr ihres Kindes das Recht auf sieben Stunden Kita Betreuung, allerdings gibt es keine Plätze, um diesen Anspruch auch geltend zu machen. In Berlin fehlen etwa 3000 Kitaplätze. Potentieller Raum wäre für 2000 davon vorhanden, Personal hingegen nicht. Angekündigt sind 30000 neue Kitaplätze, die in den nächsten Jahren geschaffen werden sollen. Doch angesichts der gerade einmal 2500 ErzieherInnen, die im nächsten Jahr voraussichtlich ihre Ausbildung beenden, wird diese Versprechung nicht ansatzweise erfüllt werden. In zukünftiges Personal muss investiert werden. Zurecht fordert das Demo-Bündnis, dass die Löhne der Kitabeschäftigten mindestens auf das Brandenburger Niveau angehoben werden.
Umso wichtiger ist es, den Protest für Verbesserungen aufrecht zu erhalten. Denn statt der Forderungen der KitavertreterInnen zu folgen, kündigte die Jugendsenatorin Sandra Scheeres im April an, dass befristete Überbelegungen möglich seien. Der Betreuungsschlüssel soll also noch weiter runtergesetzt werden. Dies hätte nichts Anderes als weitere Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen für ErzieherInnen zur Folge, die bereits jetzt mit enormen Lärm und mit hohem Stress belastet sind. An anderer Stelle ist zu hören, dass Kita-Leitungen durch Verwaltungskräfte ersetzt werden könnten – pädagogische Standards wären damit jedoch nicht erfüllt.
Es ist dringend notwendig, den Betreuungsschlüssel endlich spürbar zu verbessern statt ihn immer weiter aufzuweichen, sodass eine Betreuung von 1:2 für Kinder von 0 bis 1 Jahr, 1:3 für Kinder von 1 bis 3 Jahren und 1:8 für Kinder von 3 bis 5 Jahren sowie eine maximale Gruppengröße von 16 Kindern gewährleistet werden kann. Um dies zu realisieren ist eine Aufwertung von Arbeit mit Kindern erforderlich – Wir brauchen große Investitionen und grundlegende Verbesserungen statt Schnellbauten und Scheinlösungen sowie höhere Entlohnung und Verbesserung in allen sozialen Berufen. Außerdem müssen QuereinsteigerInnen und Aushilfspersonal fachlich ausreichend geschult sein. Eine Qualitätsminderung in der Ausbildung der Betreuenden lehnen wir ab.
Notwendigkeit als auch Wille zum Protest sind bei der prekären Lage vorhanden und werden Eltern, ErzieherInnnen und UnterstützerInnen auch in Zukunft auf die Straße treiben. Ein Bündnis aus Gewerkschaften, Trägerverbänden und Elternvertretungen fordert nun Bildungssenatorin Scheeres auf, einen Krisengipfel noch vor der Sommerpause einzuberufen. Inwieweit sich die Senatorin darauf einlassen wird, ob und wenn ja wie schnell solch ein Krisengipfel die Lage verbessern kann, bleibt jedoch sicher offen. Die Demonstration hat bereits zum Ausdruck gebracht, welche Schritte zur Lösung des Problems gegangen werden müssen. Die Verbindung zu anderen Missständen – steigende Mieten, fehlendes Personal und Investitionen in soziale Bereiche – wurde ebenfalls gezogen. Ein Zusammengehen der sich entwickelnden sozialen Protestbewegungen könnte den Druck auf den Senat weiter steigern.