Stellungnahme des Netzwerks für eine kämpferische und demokratische ver.di
Nachdem die dritte Verhandlungsrunde in die Verlängerung gegangen war, präsentierte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske das Ergebnis stolz und einvernehmlich an der Seite des neuen Bundesinnenministers Horst Seehofer.
Doch in der Mitgliedschaft hält sich die Euphorie in Grenzen. Etliche, auch langjährige Gewerkschaftsmitglieder sind von dem Ergebnis eher enttäuscht.
Ein Blick zurück zeigt, worum es eigentlich ging. Die zentralen Forderungen von ver.di waren:
- Erhöhung der Entgelte um 6 Prozent, aber mindestens um 200 Euro
- Erhöhung der Entgelte für Auszubildende und PraktikantInnen um 100 Euro monatlich.
Das alles bei einer Laufzeit von 12 Monaten!
Aber auch die Übernahme von Auszubildenden nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung, war ein wichtiger Punkt. Weiterhin formulierte der verdi-Vorstand weitere „Erwartungen“ an die Arbeitgeberseite, wozu unter anderem die Anhebung des Zusatzurlaubs für Wechselschicht- und Schichtarbeit um fünfzig Prozent und die schon längst überfällige Angleichung der Jahressonderzahlungen Ost an das Niveau West ging.
Es wurden einige beeindruckende und von der Stimmung her kämpferische Warnstreik-Aktionen organisiert. Hier gab es auch Fortschritte in Bezirken, die früher nur schwach mobilisieren konnten. Doch im Vergleich zu vergangenen Tarifrunden, wo mehrere Warnstreikwellen organisiert wurden, wurden diesmal weniger Bereiche aufgerufen und es gab kaum größere regionale Mobilisierungen.
Kämpferische Stimmung
Nichtsdestotrotz war unter den TeilnehmerInnen der Warnstreiks eine kämpferische Stimmung vorhanden. Vielen KollegInnen ist bewusst, dass es in der Verantwortung der Politik liegt, wenn die Schere zwischen Arm und Reich stetig wächst. Anstatt jedes Jahr neue Rekordgewinne für Unternehmen und Vergeudung von Steuergeldern in teure Prestigeprojekte wäre es nötig, endlich mehr in den öffentlichen Dienst zu investieren.
2017 wurde ein Überschuss an Steuereinnahmen bei Bund, Ländern und Kommunen von etwa vierzig Milliarden Euro erreicht, die nach Schätzungen von Wirtschaftsforschungsinstituten in den Jahren 2018 und 2019 mit 45 beziehungsweise fünfzig Milliarden Euro nochmals übertroffen werden sollen. Da die Lohnentwicklung im öffentlichen Dienst schon mit etwa vier Prozent hinter der privaten Wirtschaft hinterherhinkt, wären sechs Prozent Lohnerhöhung absolut nachvollziehbar und gerechtfertigt.
Viele Abstriche
Während einige KollegInnen davon ausgingen, dass es in der dritten Runde um alles oder nichts gehen würde, war dann das präsentierte Ergebnis eher ernüchternd. Nicht nur, dass die Ergebnisse noch weit hinter den Forderungen geblieben sind, hat die extrem lange Laufzeit von dreißig Monaten teilweise zu echter Empörung unter ver.di-Mitgliedern geführt.
Die Entgeltforderungen wurden auf die lange Laufzeit gerechnet wieder mal nicht durchgesetzt. Dabei ist es Schönrechnerei, von 7,5 Prozent zu sprechen. Dabei sind 3,19 beziehungsweise 3,01 Prozent mehr für 2018 und 2019 besser als in vergangenen Jahren. Auch die Erhöhung bei den Anfangsgehältern machen deutlich, dass auch aus Arbeitgebersicht ein Ergebnis her musste, um bessere Möglichkeiten für Rekrutierung von neuem Personal zu haben. Dennoch: durch die lange Laufzeit wurde eigentlich nur die Hälfte der Forderung erreicht; und in der dritten Stufe liegt die Erhöhung sogar nur bei 1,06 Prozent. Wenn im Flugblatt von ver.di steht, dass für niemanden die Erhöhung unter 175 Euro beträgt, so bezieht sich das nicht auf zwölf Monate, sondern zweieinhalb Jahre. Das macht einen großen Unterschied.
Kein Sockelbetrag
Die 200 Euro Mindestbetrag für die unteren Entgeltgruppen hat die Verhandlungen nicht überlebt. Übrig geblieben sind gerade mal 250 Euro Einmalzahlung für die Entgeltgruppen 1 bis 6, also auf die Laufzeit gerechnet gerade mal 8,34 Euro pro Monat brutto (ohne Tabellenwirksamkeit). Der Sockelbetrag ist bisher immer ein wichtiger Bestandteil der Forderungen gewesen, der dafür sorgen sollte, die unteren Entgeltgruppen nicht zu weit abzuhängen.
Bei den Auszubildenden und PraktikantInnen werden die Entgelte um jeweils fünfzig Euro 2018 und 2019 angehoben, um dann auf die hundert Euro zu kommen. Immerhin bekommen sie nun auch dreißig Tage Urlaub. Bezüglich der Übernahmeregelungen hat es keine Verbesserung gegeben. Die Wiederaufnahme für den Bund beziehungsweise Beibehaltung für die Kommunen des Paragraphen 16a TVAöD bedeutet, dass eine Übernahme nur für ein Jahr garantiert wird. Nur, wenn dieses erfolgreich absolviert wird, wird dann der Arbeitsvertrag entfristet. Das ist ein Problem, was schon länger an der Basis und nicht nur unter Auszubildenden diskutiert wird.
Auch die Angleichung der Jahressonderzahlung Ost an das Westniveau wird als Erfolg bezeichnet. Doch diese zieht sich in vier Schritten von derzeit 75 Prozent ab 2019 bis in das Jahr 2022, wo die Angleichung dann also nach 33 Jahren – fast ein Berufsleben – endlich vollzogen wird.
Was tun?
Gewerkschaftsmitglieder, die mit dem Ergebnis nicht einverstanden sind, sollten mit Nein stimmen, um ein Zeichen zu setzen. Schon machen die Arbeitgeber und Politiker der etablierten Parteien klar, dass sie auf Konfrontation gehen wollen, wenn sie davon sprechen, dass nun ein weiterer Stellenabbau folgen müsse. Wenn sie den öffentlichen Dienst kaputt sparen wollen, dann muss entschlossene Gegenwehr erfolgen. Da die Forderung nach einer Arbeitszeitreduzierung bei vollem Lohn und mit Personalausgleich schon jetzt auf viel Zuspruch gestoßen ist, wäre das eine Forderung, die ganz sicher noch mehr Beschäftigte mobilisieren würde als reine Geldforderungen.
Das „Netzwerk für eine kämpferische demokratische verdi“ will einen Beitrag leisten, um schon jetzt die Forderungsdiskussion zu beginnen und sich für eine kämpferische Strategie für das Jahr 2020 einzusetzen.