Druck machen für Wohnraum für Alle
Wutentbrannt verließen BewohnerInnen des vor einigen Monaten wegen Brandschutzmängeln geräumten Wohnkomplexes Hannibal II am Mittwoch den 31. Januar die Sitzung der Bezirksvertretung Innenstadt-West im Dortmunder Rathaus. Die Stadt weigert sich, den MieterInnen des Hannibal II konkrete und unbürokratische Hilfe zukommen zu lassen oder gar gegen den Eigentümer Intown vorzugehen. Stattdessen reagierten die Politiker von CDU und SPD auf die Fragen der BewohnerInnen mit Arroganz und Überheblichkeit.
von Jens Jaschik, Dortmund
Am 19. Januar hat Intown beschlossen, den Zugang zum Hannibal II komplett zu schließen. Dabei haben noch viele BewohnerInnen ihre Möbel im inzwischen unbeheizten Wohnkomplex. Die meisten hoffen darauf, dass sie wieder ins Hannibal II zurückzukehren können. Aber mit den Reparaturen wurde immer noch nicht begonnen. Aktuell muss man vor Gericht eine einstweilige Verfügung erzwingen, um seine Wohnung betreten zu können. Ein viel zu komplizierter und bürokratischer Weg für die meisten BewohnerInnen. Wenn sofort mit den Sanierung des Brandschutzes begonnen werden würde, könnten die Betroffenen so bald es geht, wieder einziehen, aber in den letzten vier Monaten wurde nichts gemacht. Der Eigentümer Intown lässt das Hannibal II lieber verwahrlosen.
Obwohl der tobsüchtige SPD-Bürgermeister Sierau selbst feststellte, dass Intown Verbrecher sind, geht er trotzdem nicht gegen sie vor. Das wundert nicht, denn Sierau hat mehr mit den Gaunern von Intown gemein, als mit den einfachen DortmunderInnen. Damit die Stadt handelt, müssen wir uns organisieren und kämpfen.
Was bisher geschah
Am 21. September 2017 – inzwischen vor mehr als vier Monaten – mussten die BewohnerInnen des Hannibal II in kürzester Zeit ihre Wohnungen verlassen. Der Grund: Der Eigentümer Intown hat vor mehreren Jahren den Brandschutz entfernt. Früher hatte das Hannibal II der Stadt Dortmund gehört. Doch als DoGeWo zu einem städtischen Konzern wurde, musste es sich auch der kapitalistischen Profitlogik unterwerfen. Als das Hannibal II nicht genug Profit machte, stießen sie die Immobilie ab und überließen die 400 Familien privaten Investoren. Als die BewohnerInnen ihre Wohnungen verlassen mussten, wussten sie nicht, dass sie später gegen die Stadt und Intown für ihre Rechte kämpfen müssen.
Mitglieder der Sozialistischen Alternative Ruhrgebiet und AktivistInnen der linksjugend[‘solid] Dortmund ergriffen die Initiative und luden die BewohnerInnen des Hannibal II zum Treffen ein, um zu diskutieren, wie man sich wehren kann. Kurz darauf war die Mieterinitiative Hannibal II geboren und ging mit drei Forderungen auf die Straße: Sofortige finanzielle Entschädigung, Übergangswohnungen oder Hotelzimmer für alle und die Überführung des Hannibal II in öffentliches Eigentum, damit sofort mit den Reparaturen angefangen werden kann.
Mit mehren Demonstrationen und Kundgebungen brachten wir die Forderungen der BewohnerInnen auf die Straße und die Situation rund um das Hannibal II in die Öffentlichkeit. Zahlreiche Medien berichten inzwischen über das Hannibal II und über die Forderung der Enteignung von Intwon. Die Eigentumsfrage wurde zu einem der wichtigsten Themen in Dortmund.
Keine Hilfe von der Stadt
Die Stadt hatte gehofft, dass sie die BewohnerInnen des Hannibal II schnell abwickeln kann. Sie haben nicht mit Widerstand gerechnet. Bei den ersten Versammlungen hat die Stadt viele Versprechen gegeben: Finanzielle Entschädigung, unbürokratische Hilfe und Kostenübernahme. Heute erklärt die Stadt Dortmund, dass sie nie von finanzieller Entschädigung gesprochen habe, man muss von einem Amt zum nächsten laufen und oft werden Anträge auf Kostenübernahme abgelehnt. Die Wut auf das politische Establishment der Stadt Dortmund ist dementsprechend hoch.
Die Stadt Dortmund wird nicht von selbst handeln, sondern erst wenn wir sie dazu zwingen. Das Rathaus soll in den nächsten Jahren für 27 Millionen Euro renoviert werden, aber für die BewohnerInnen des Hannibal II ist kein Geld da. Eine sofortige finanzielle Entschädigung für den Aufwand der letzten Monate ist absolut notwendig. Außerdem muss die Stadt Dortmund den weiteren Zugang zum Hannibal II sicher stellen und für die Beheizung der Wohnungen sorgen, damit das Mobiliar nicht beschädigt wird. Ob Intown überhaupt irgendwann mit Reparaturen anfangen wird, ist fraglich. Das Hannibal II muss daher wieder in öffentliches Eigentum überführt und unter die demokratische Kontrolle von BewohnerInnen, Mieterorganisationen und der Stadt Dortmund gestellt werden, damit sofort die Sanierung begonnen werden kann und die MieterInnen einen Ausblick haben, wann sie wieder in ihre Wohnungen zurückziehen können. Intown soll dafür bezahlen. Nur bei nachgewiesener Bedürftigkeit soll das Immobilienunternehmen und sein Besitzer entschädigt werden.
Das Problem existiert nicht nur in Dortmund. Die Parteien des politischen Establishments haben seit Jahrzehnten nicht in sozialen Wohnungsbau investiert. Stattdessen wurden Mietrechte immer weiter angegriffen und der Wohnungsbau dem „freien Markt“ überlassen. Das Ergebnis: Teure Luxuswohnungen für die Reichen, Sanierungen und Modernisierungen auf Kosten der MieterInnen und inzwischen 860.000 Wohnungslose in Deutschland. Sowohl die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW, als auch die kommende Bundesregierung aus CDU/CSU und SPD stehen fest an der Seite der Immobilienmafia. Im Kapitalismus sind Wohnungen – Grundbedürfnis eines jeden Menschen – eine Ware, um Profit zu generieren. Dieser menschenverachtenden Profitlogik müssen wir uns entgegenstellen und für ein System kämpfen, in dem allen guter und bezahlbarer Wohnraum zur Verfügung steht.
Den Druck erhöhen
Die Wut der BewohnerInnen des Hannibal II ist in den letzten Wochen an einem Siedepunkt angelangt. Das hat sich besonders am Mittwoch im Rathaus gezeigt. Mit Protestschildern kamen zahlreiche BewohnerInnen und UnterstützerInnen in die Sitzung der Bezirksvertretung-West, um sofortige Hilfe zu erlangen. Nachdem sich aber der neue gewählte SPD-Bezirksbürgermeister weigerte, konkrete Antworten zu liefern, verließen die BewohnerInnen mit Protest die Sitzung.
Am Abend lud der Mieterverein zur Mieterversammlung ein, um die neuesten Information auszutauschen. Eingeladen waren auch Vertreter der Stadt Dortmund vom Wohnungbaudezernat und dem Sozialamt. Sie hatten keine Skrupel den BewohnerInnen des Hannibal II erneut ins Gesicht zu lügen. Unter Buhrufen verließen die Vertreter der Stadt Dortmund die Versammlung.
Am Ende des Tages haben sie weitere BewohnerInnen bei der Mieterinitiative eingetragen. Ihnen ist klar geworden, dass man sich nicht auf die herrschende Politik verlassen kann. Für seine Rechte muss man kämpfen. Aktuell berichten zahlreiche Medien über das Hannibal II und die Mieterinitiative. Jetzt ist es notwendig den Druck auf die Stadt Dortmund mit weiteren Aktionen und zivilen Ungehorsam zu erhöhen.