Bericht vom Internationalen Vorstand des CWI
Ende November kam der Internationale Vorstand des Komitees für eine Arbeiterinternationale (CWI) in Belgien zu einer einwöchigen Tagung zusammen, um über die weltweiten politischen Entwicklungen zu beraten, die Erfahrungen des Klassenkampfes und des Aufbaus sozialistischer Organisationen auszutauschen und gemeinsame Initiativen zu diskutieren. An der Tagung nahmen VertreterInnen aus Kanada, Quebec, den USA, Mexiko, Venezuela, Chile, Brasilien, Südafrika, Nigeria, Tunesien, Israel/Palästina, Zypern, Griechenland, Italien, dem spanischen Staat, Portugal, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Österreich, Deutschland, Nord- und Südirland, Schottland, England und Wales, Schweden, Polen, Russland, China/Hongkong/Taiwan, Malaysia, Pakistan, Indien, Sri Lanka und Australien teil.
Von Sascha Staničić
Auf der Tagesordnung standen Diskussionen zur Weltlage, Europa, Katalonien, den USA, Lateinamerika, Afrika, Südasien, dem Aufbau der Sektionen und ein Bericht des Internationalen Sekretariats. Es wurden Resolutionen zur Weltlage, Europa (finden sich in dieser Ausgabe von sozialismus.info) und zu Lateinamerika, sowie einige Entschließungen die praktische Arbeit des CWI betreffend beschlossen.
Dies war die erste Sitzung des Internationalen Vorstands des CWI nach der Vereinigung mit der Revolutionären Linken (Izquierda Revolucionaria). Deren GenossInnen aus dem spanischen Staat, Mexiko und Venezuela waren eine große Bereicherung für die Sitzung. Als Gäste nahmen auch Vertreter der trotzkistischen Organisationen MAIS aus Brasilien und MAS aus Portugal teil, mit denen die CWI-Sektionen in den jeweiligen Ländern einen Diskussionsprozess und praktische Kooperation begonnen haben.
Peter Taaffe vom Internationalen Sekretariat des CWI wies darauf hin, dass wir in einer Zeit rascher und abrupter Veränderungen leben. Die revolutionäre Krise, die sich um den Kampf für nationale Unabhängigkeit in Katalonien ereignet hatte, der Sturz Mugabes in Simbabwe, aber auch die Bundestagswahl in Deutschland gehören zu den Beispielen, die diesbezüglich genannt und diskutiert wurden. Auch wenn es im letzten Jahr auf der Ebene des Klassenkampfes keinen besonderen Aufschwung oder gar qualitative Veränderungen ähnlich den nordafrikanischen Revolutionen von 2011 gegeben hat, so bestand Einigkeit darin, dass wir Zeuge einer Vertiefung der Krise des kapitalistischen Systems werden, für die die Herrschenden weltweit weder in ökonomischer noch politischer Hinsicht eine Lösung anzubieten haben.
Unfähigkeit der Bürgerlichen
Doch nicht nur das, wie ein roter Faden zog sich durch die Debatten die zunehmende Unfähigkeit der Bürgerlichen, eine Politik zu formulieren und durchzusetzen, die ihren Klasseninteressen entspricht. Die traditionellen Parteien des Kapitals stecken vielfach in der Krise oder haben zumindest massiv an Unterstützung verloren. Aus Angst ums politische Überleben, stehen oftmals kurzfristige und vermeintliche parteipolitische Interessen der Durchsetzung der eigentlichen Klasseninteressen der Kapitalisten im Weg. Heraus kommen politische Krisensituationen, die durch das Agieren von Teilen der bürgerlichen Parteien verschärft werden – siehe Trump, Brexit, die Eskalation in Katalonien oder auch das Scheitern der Jamaika-Koalitionsgespräche in Deutschland. Die politische Legitimationskrise der bürgerlichen Parteien und Institutionen verschärft sich – mit unabsehbaren Folgen. Für die USA wurde diesbezüglich zum Beispiel die Möglichkeit der Spaltung beider großen kapitalistischen Parteien diskutiert, was ein Vier-Parteien-System mit unabsehbaren Konsequenzen zur Folge hätte.
Ein weiteres zentrales Thema der Beratungen war die Entwicklung und der Charakter der verschiedenen neuen (und manchmal schon etwas älteren) Linksparteien. Bei allen Unterschieden gibt es auch Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel die fehlende Verankerung in und aktive Beteiligung von größeren Teilen der Arbeiterklasse, eine oftmals eher kleinbürgerliche soziale Zusammensetzung und eine begrenzte Programmatik, die weit hinter dem zurück bleibt, was linksreformistische Massenkräfte in den 1970er und 1980er Jahren vertraten. Das gilt auch für den Corbyn-Flügel der britischen Labour Party, der eine Art neuer Linke in den Strukturen der alten sozialdemokratischen Partei (die dementsprechend zwei Parteien in einer ist) darstellt. Corbyns Programm ist bei weitem nicht so radikal, wie das der Labour-Linken um Tony Benn in den 1970er und 1980er Jahren. Dass es trotzdem eine solche Begeisterung auslöst, ist auch Ausdruck davon, wie viel sozialistisches Bewusstsein und Verständnis in der Arbeiterklasse in den letzten 25 Jahren verloren gegangen ist.
Trotzdem, und das wurde auf der Tagung auch betont, findet gerade eine Bewusstseinsentwicklung in Teilen der Arbeiterklasse und der Jugend in vielen Ländern nach links statt, wird der Kapitalismus mehr und mehr in Frage gestellt und breitet sich zum Beispiel in den USA ein neues grundlegend sozialistisches Bewusstsein aus. Auch wenn dieser Prozess Teil einer Polarisierung ist, die auch Trump, die AfD und den Front National hervorgebracht bzw. gestärkt hat, so waren die TeilnehmerInnen der Versammlung positiver Dinge in Bezug auf die Möglichkeiten, sozialistische Bewegungen und Kräfte zu stärken.
Aktivitäten des CWI
Dabei stehen die Sektionen und Gruppen des CWI weltweit an vorderster Front. Es gab viele beeindruckende Berichte über die Beteiligung an Kämpfen und Bewegungen und die Rolle, die CWI-Mitglieder darin spielen. Dazu gehörten ein Bericht über die sehr erfolgreiche Wahlkampagne für die Kandidatin von Socialist Alternative, Ginger Jentzen, bei den kürzlichen Stadtratswahlen in Minneapolis, bei denen der zweite Platz geholt wurde. Die sozialistische Stadträtin Kshama Sawant berichtete von den sozialen und gewerkschaftlichen Kämpfen in den USA. Der Präsident der südafrikanischen Gewerkschaft GIWUSA, Mametlewe Sebei, sprach zu den Entwicklungen in Simbabwe, während Weizman Hamilton von der südafrikanischen Workers and Socialist Party betonte, dass der Erfolg von WASP-Mitgliedern in GIWUSA bedeutet, dass sie den Kampf für eine neue Massenarbeiterpartei wieder an vorderster Front, nämlich dem neuen alternativen Gewerkschaftsdachverband SAFTU führen können. Die irischen Parlamentsabgeordneten Mick Barry und Paul Murphy berichteten von den Streiks und sozialen Bewegungen in Irland und ihrer sozialistischen Arbeit im Parlament. Hier spielte die Socialist Party im Zusammenhang mit dem Gerichtsprozess um die Proteste im Dubliner Stadtteil Jobstown eine entscheidende Rolle dabei, Versuche DemonstrantInnen zu kriminalisieren und das Demonstrationsrecht einzuschränken zurückzuschlagen. Lucy Redler, Mitglied im Parteivorstand der Partei DIE LINKE, berichtete über die Entwicklungen der Linkspartei und die Rolle der SAV darin. Mit großer Freude nahmen die Mitglieder des Internationalen Vorstands die Nachricht auf, dass die von CWI-Mitgliedern gegründete Socialist Party of Nigeria nach jahrelangem Kampf endlich die offizielle Registrierung bei der Wahlkommission erreicht hat und nun bei Wahlen wird antreten können.
Das Anwachsen von Frauenbewegungen und Kämpfen gegen Sexismus spielte eine wichtige Rolle in den Debatten und es fand ein spezielles Treffen einer Frauenkommission statt, um die praktischen Aktivitäten in diesem Bereich zu diskutieren. In vielen Sektionen des CWI wurden spezielle Kampagnen zum Kampf für Frauenrechte ins Leben gerufen, wie die ROSA-Kampagnen in Irland und Belgien und die „Kämpferische und frei“-Kampagne im spanischen Staat.
Ausführlich wurde das Eingreifen der katalanischen und spanischen Revolutionären Linken in der Massenbewegung für ein unabhängiges Katalonien diskutiert und als „Mutter aller Interventionen“ bezeichnet. Diese hatte unter anderem durch einen frühzeitigen Aufruf für einen SchülerInnen- und Studierendenstreik eine wichtige Rolle für die Bewegung gespielt und war vor allem die einzige Kraft auf der Linken, die mit einem klaren marxistischen Programm für eine sozialistische katalanische Republik aktiv in die Bewegung eingriff und Vorschläge für ihre weitere Entwicklung einbrachte.
Die Vertreter aus Hongkong/China/Taiwan fassten die Bedingungen ihrer Arbeit unter dem Motto „Gefahren und Möglichkeiten“ zusammen. Die verschärfte Repression, die mehr und mehr auch in Hongkong ausgeübt wird, macht es MarxistInnen schwerer zu agieren, hat aber auch das Interesse an der CWI-Sektion im Reich der Mitte anwachsen lassen. Der Internationale Vorstand beschloss seine Anstrengungen zur Unterstützung der Kampagne „Stop Repression in Hongkong“ (www.stophkrepression.net) zu intensivieren.
Nach der Vereinigung mit der Revolutionären Linken ist das CWI quantitativ und qualitativ gestärkt. Die Aufnahme von Aktivitäten des CWI wurde auch aus Rumänien und Indonesien berichtet, sowie eine deutliche Reaktivierung aus den Niederlanden und Russland und die Aufnahme von Diskussionen mit SozialistInnen und GewerkschafterInnen in Serbien und Slowenien. Einige Sektionen konnten im letzten Jahr ihre größten öffentlichen Veranstaltungen jemals bzw. seit vielen Jahren durchführen, so die Sozialismustage in Deutschland, das „Socialism“-Wochenende in London, die Veranstaltung „Dangerous Ideas“ in Irland, die Veranstaltung zur Russischen Revolution in Stockholm oder das Sommercamp von Socialist Alternative in den USA. Auch die Lateinamerika-Schulung des CWI war im Jahr 2017 die bisher größte. Auch deshalb verließen die TeilnehmerInnen Belgien optimistisch und mit dem festen Willen, die Kräfte des CWI weiter aufzubauen und zu stärken.