Mit sozialistischen Ideen gegen AfD, Rassismus und Kapitalismus
Mit der AfD ist zum ersten Mal seit fünfzig Jahren eine Partei rechts von der Union ins Parlament eingezogen. Zurecht sind viele Menschen schockiert. Dass diese Partei jetzt im Bundestag sitzt, darf nicht Normalzustand werden. Die Mobilisierungen gegen den AfD-Bundesparteitag sind ein erster Schritt, um das deutlich zu machen. Doch ein effektives, politisches Programm gegen Rassismus darf nicht dabei stehen bleiben, sich an der AfD abzuarbeiten. Die sozialen Ursachen des rechten Aufstiegs müssen genauso bekämpft werden.
von Tom Hoffmann, Berlin
Die AfD wird ihre zurzeit 92 Abgeordneten im Bundestag nutzen, um das gesellschaftliche Klima weiter rassistisch aufzuladen und zu vergiften. Sie wird die kommende Regierung, wie auch immer diese aussehen mag, noch stärker als zuvor von rechts unter Druck setzen. Das bedeutet, dass weitere Verschärfungen des Asylrechts drohen. Hetze gegen Muslime und Muslimas, gegen Flüchtlinge, Minderheiten und Andersdenkende wird nicht abnehmen, sondern von der AfD forciert werden. Auf die realen sozialen Probleme, wie hohe Mieten oder drohende Altersarmut, wird sie keine Antworten geben, sondern Sündenböcke ausfindig machen. Sie wird weiterhin als geistige Brandstifterin agieren und rechte Schläger motivieren, „die Sache“ selbst in die Hand zu nehmen.
Die Gefahren, die von der AfD ausgehen, sind durch ihren Parlamentseinzug um ein Vielfaches angewachsen. Das bedeutet, dass sich Linke, AntirassistInnen, GewerkschafterInnen und Aktive aus sozialen Bewegungen mit diesen Gefahren auseinandersetzen müssen. Es braucht eine breite Diskussion über die richtigen Ideen und Mittel, mit denen der Aufstieg der Rechten aufgehalten und umgekehrt werden kann.
Antirassismus als Klassenpolitik
Die AfD hat es geschafft, in bestimmten Schichten der Bevölkerung Fuß zu fassen und sich als deren politische Vertretung zu inszenieren. Grundlage dafür ist die enorme Legitimationskrise des politischen Establishments. In aktuellen Umfragen liegen die sogenannten Volksparteien CDU/CSU und SPD nur noch knapp über fünfzig Prozent – das ist ein Negativrekord. Unter der Oberfläche einer parlamentarischen Rechtsverschiebung ist die Gesellschaft polarisiert, auch wenn das Potenzial eines linken Gegenpols bislang kaum einen politischen Ausdruck gefunden hat. Soziale Ungleichheit, Zukunftsängste und Entfremdung vom politischen System haben in den letzten Jahren enorm zugenommen. Ein Programm gegen Rechts muss neben wichtigen, antirassistischen Prinzipien deshalb auch Antworten auf Probleme wie prekäre Beschäftigung, Arbeitsdruck, teuren Wohnraum und fehlende Investitionen liefern. Die AfD gibt sich als Vertretung der „Abgehängten“ und kleinen Leute, obwohl eine Umsetzung ihres Programms deren Probleme weiter massiv verschärfen würde. Das zu entlarven ist richtig und notwendig, doch wird allein nicht reichen. Es braucht auch eine glaubwürdige, politische Alternative von links, die das ausspricht, was ist: Nicht die Flüchtlinge oder der Islam sind Schuld an sozialen Problemen. Es ist genug Geld da für öffentliche Investitionen, wenn man es sich bei den Reichen holt. Dafür muss sie den Kampf aller Betroffenen organisieren.
Eine erfolgreiche antirassistische Bewegung muss sich auf einen Klassenstandpunkt stellen und die Interessen von Beschäftigten, Erwerbslosen, Jugendlichen und RentnerInnen unabhängig von Herkunft und Nationalität verteidigen, wenn sie das Problem Rassismus an der Wurzel packen will.
Forderungen im Kampf gegen Rechts
Der gemeinsame Kampf für die eigenen, sozialen Interessen kann nur erfolgreich geführt werden, wenn die Spaltung der Arbeiterklasse entlang ethnischer oder nationaler Linien nicht mitgemacht und zurückgedrängt wird. Antirassismus und soziale Kämpfe gehören zusammen. Linke und AntirassistInnen müssen sich bedingungslos gegen jeden Rassismus und jede Diskriminierung – ob von rechter, faschistischer oder von staatlicher Seite – stellen und das Prinzip der internationalen Solidarität verteidigen. Deswegen fordert die SAV:
- Mobilisierungen und Blockaden gegen Aufmärsche von Nazis und Rechtspopulisten
- Nein zu Abschiebungen – Bleiberecht für Alle
- Nein zur Festung Europa: Frontex abschaffen, Grenzzäune an den Außengrenzen einreißen, Aufhebung des „Sichere Herkunftsländer“-Status, uneingeschränkte Familienzusammenführung
- Herstellung eines wirklichen Asylrechts: Grundrecht auf Asyl, wenn Leib und Leben aufgrund von politischer und gewerkschaftlicher Betätigung, nationaler oder ethnischer Zugehörigkeit, sexueller Orientierung, Geschlecht, Krieg, Umweltzerstörung und sozialer Not, durch staatliche und nichtstaatliche Verfolgung gefährdet sind
- Schluss mit staatlichem Rassismus, durch z. B. Racial Profiling
Unsere Klasseninteressen teilen wir unabhängig von Reisepass, Hautfarbe oder Religion. Wir alle brauchen eine bezahlbare Wohnung und Löhne, die zum Leben reichen. Wir haben alle ein Interesse an gesicherten Arbeits- bzw. Ausbildungsverhältnissen, an ausreichend Kita-, Schul- und Studienplätzen. Der Kampf um diese gemeinsamen Interessen kann rassistische Einstellungen und Vorurteile in nicht-migrantischen Teilen der Bevölkerung zurückdrängen. Deswegen fordert die SAV:
- Schluss mit der Kürzungspolitik in den Kommunen
- Für ein vom Bund finanziertes Sofortprogramm zur Schaffung von 250.000 kommunalen Sozialwohnungen mit einer Kaltmiete von maximal vier Euro pro Quadratmeter
- Ein umfassendes öffentliches Investitionsprogramm zum Ausbau von Kitas, Schulen, Sport- und Freizeitstätten
- Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – Abschaffung diskriminierender Regeln und Gesetze bei der Arbeitsplatzvergabe – Mindestlohn von 12 Euro ohne Ausnahmen
- Uns muss klar sein, dass diese Forderungen den Interessen der Banken und Konzerne widersprechen. Deren EigentümerInnen halten Unmengen des gesellschaftlichen Reichtums in ihren Händen. Allein die tausend reichsten Deutschen besitzen 901 Milliarden Euro. Diese Reichtümer sind oft vererbt, selten stark besteuert und wurden immer von anderen erarbeitet. Die Milliarden könnten und sollten zur Finanzierung der sozialen Investitionen herangezogen werden und der Gesellschaft zugute kommen. Die Reichen sollen zahlen. Deswegen fordert die SAV:
- Einführung einer einmaligen Milliardärsabgabe von 25 Prozent auf alle Vermögen über eine Milliarde Euro (würde ca. 170 Milliarden Euro einbringen)
- Einführung einer Vermögenssteuer von zehn Prozent auf Vermögen über einer Million Euro zur Finanzierung sozialer Investitionen für Alle
Gewerkschaften und LINKE in der Pflicht
Diese Forderungen, die die Arbeiterklasse über Spaltungslinien im Kampf vereinen, müssen in den Protesten gegen die AfD eine größere Rolle spielen als sie es bisher getan haben. Mobilisierungen wie in Hannover sind eine gute Gelegenheit, die Ablehnung der AfD sichtbar zu machen. Doch die einzelnen Proteste können nur zu einer massenhaften Bewegung werden, wenn Aufrufe nicht davor zurückschrecken, soziale Forderungen zu erheben und staatlichen Rassismus genauso zu verurteilen wie die AfD-Hetze. Viel mehr als bisher müssen die Gewerkschaften es als ihre Aufgabe betrachten, zu solchen Protesten ernsthaft zu mobilisieren und eine breit angelegte Kampagne mit Betriebsversammlungen, Schulungen für Gewerkschaftsmitglieder, Info-Material usw. durchzuführen. Stattdessen müssten sie ihre über sechs Millionen Mitglieder über den arbeiterfeindlichen Charakter der AfD aufklären und Vorurteile in den eigenen Reihen zurückdrängen. Genauso muss Schluss sein mit der Sozialpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Auch DIE LINKE steht vor der Aufgabe Antirassismus als kämpferische Klassenpolitik zu begreifen. Die Abschiebungen in Landesregierungen mit LINKE-Beteiligung müssen gestoppt werden. Ebenso sind die Äußerungen von Sahra Wagenknecht und anderen abzulehnen, die wichtige antirassistische Grundpositionen in Frage stellen. Stattdessen muss DIE LINKE auf den Reichtum des Kapitals verweisen und den gemeinsamen Kampf aller Beschäftigten, Erwerbslosen, etc. für dessen Umverteilung organisieren.
Rechte an sozialen Themen entlarven
Denn um die AfD zurückzudrängen, werden nicht nur antirassistische Mobilisierungen ausreichen. Soziale Kämpfe werden nötig sein, um die öffentliche Debatte auf die drängenden Fragen zu richten und die AfD und die etablierten Parteien zu entlarven. Die LINKE kann dabei eine wichtige Rolle spielen, wenn sie solche Bewegungen vor Ort aktiv unterstützt und wahrgenommen wird.
Ein gutes, aktuelles Beispiel dafür ist der Kampf der Hannibal-MieterInnen in Dortmund-Dorstfeld. Diese wurden wegen Brandschutzmängeln im Wohnkomplex Hannibal II von der Stadt geräumt – ohne Vorwarnung. Dagegen haben sie sich organisiert. Sie fordern finanzielle Entschädigung und die Überführung des Hannibal II in öffentliches Eigentum. Für eine Demonstration wurden Flugblätter auf Deutsch, Türkisch, Hochchinesisch, Französisch und Polnisch gedruckt, um alle MieterInnen zu informieren und zu erreichen. Dortmund-Dorstfeld gilt bundesweit als „Nazihochburg“. Die Faschisten der Partei Die Rechte blieben untätig, auch weil die Mieterschaft migrantisch geprägt ist. In ihrer selbsternannten „Homezone“ konnte ihre soziale Demagogie entlarvt werden, weil sie im Ernstfall eben nicht für „die kleinen Leute“ kämpfen. Andererseits haben GenossInnen der SAV von Anfang an den MieterInnen geholfen, ihren Widerstand zu organisieren. Solche Initiativen schaffen es, rassistische Spaltung zu überwinden und die gemeinsamen Interessen in den Mittelpunkt zu rücken.
Kein Kapitalismus ohne Rassismus
Im Kapitalismus werden Diskriminierung und Rassismus jeden Tag aufs Neue reproduziert. Es nutzt den Herrschenden, wenn der Widerstand gegen ihre Politik durch Vorurteile und Spaltungen geschwächt wird. Solange wir in einem System leben, welches ein Interesse an solchen menschenverachtenden Ideologien hat, wird das Problem nicht zu lösen sein. Das heißt nicht, dass der Kampf gegen Rassismus weniger wichtig ist, als der Kampf gegen den Kapitalismus. Beides gehört zusammen. Aber einen Kapitalismus ohne Rassismus wird es nicht geben.
Die Erkenntnis, dass dieses System der Mehrheit der Gesellschaft nichts mehr zu bieten hat, haben angesichts des weltweiten Elends wieder mehr Menschen. Der Kampf für ein anderes System – für eine wirklich demokratische und sozialistische Gesellschaft – wird die Grundlage für ein Ende von Diskriminierung und Ausbeutung schaffen.
Rassismus – Keine Erfindung der AfD
Die Erfolge der Rechten dürfen nicht dazu führen, dass Linke und AntirassistInnen sich an jene wenden, die den Aufstieg der AfD begünstigt bzw. zu verantworten haben. Jene bürgerlichen Politiker, die in den Talkshows über die Gefahr des Rechtspopulismus reden und am Tag darauf Flüchtlinge abschieben, sind Teil des Problems. Und: Sie sind insbesondere kein Garant für antirassistische Politik. Ob CDU/CSU, FDP, Grüne oder SPD – diese Parteien haben immer wieder das Asylrecht ausgehöhlt und Abschiebezahlen erhöht und sie stehen für eine diskriminierende Sondergesetzgebung für MigrantInnen. Rassismus wurde von der AfD also nicht erfunden. Die bürgerlichen Parteien kommen größtenteils nicht so plump rüber. Aber wenn sie von Herausforderungen der Flüchtlingszahlen sprechen, unzureichende „Integration“ an kulturellen Unterschieden festmachen oder Sexismus als Problem von Ausländern darstellen, verbreiten sie rassistische Vorurteile.