Interview mit Zoran Pavlovic, Mitglied der Streikleitung
Wir veröffentlichen hier ein Interview (vom 23.11.) mit Zoran Pavlovic, Präsident der Unabhängigen PostarbeiterInnengewerkschaft. Serbische PostarbeiterInnen befinden sich seit letzter Woche im Streik, wegen einer Reihe von Misständen. Die Firma, die im Staatsbesitz ist, weigert sich, grundlegende ArbeiterInnenrechte anzuerkennen und geht sogar gegen GewerkschaftsaktivistInnen vor. Serbien steht vor Regionalwahlen in Belgrad und wahrscheinlich auch vor gleichzeitig stattfindenden bundesweiten Wahlen. Ein Sieg im Streik könnte ein wichtiger Rückschlag für das Vucic-Regime und seine arbeiterfeindliche Agenda bedeuten.
Postangestellte in Serbien befinden sich seit dieser Woche im Streik. Worum geht es in der Auseinandersetzung?
Seit Jahren werden die ArbeiterInnen immer ärmer. Aber in den letzten drei Jahren werden unsere Arbeitsrechte, die durch die Gesetze und die Verfassung der Republik Serbien garantiert werden, genauso wie unsere Kollektivverträge noch stärker bedroht. Das ist einer der Hauptgründe wegen denen wir den Protest gestartet haben. Der andere Grund ist, dass wir (als GewerkschafterInnen und ArbeiterInnen) von der stellvertretenden Geschäftsführerin, Mira Petrovic, ignoriert werden.
Der zentrale Grund, wegen dem unsere Gewerkschaft, seit ihrer Gründung 2006, so schlecht behandelt wird, ist, dass wir immer kritisch gegenüber dem Management waren, egal welche politischen Parteien gerade an der Macht waren. Leider ist es ein ungeschriebenes Gesetz, dass die regierenden Parteien die öffentlichen Firmen und öffentliches Eigentum behandeln, als wäre es ihr Privateigentum. Oft nominieren sie inkompetente Parteimitglieder für Positionen reserviert für Experten und Menschen mit Erfahrung.
Diese Gründe, genauso wie unsere Rolle als GewerkschafterInnen, haben uns motiviert, Widerstand gegen dieses Verhalten zu leisten, mit allen legalen Mittel die uns zur Verfügung stehen.
Unsere Forderungen betreffen die zentralsten Probleme der ArbeiterInnen:
- Die illegale drei monatige Suspendierung von 47 ArbeiterInnen muss beendet werden. Sie wurden suspendiert, weil sie in ihrer Freizeit auf einem öffentlichen Platz protestiert haben. Sie haben sich vor dem Hauptquartier der Post versammelt, um zu protestieren und wurden von CCTV gefilmt, und danach vom Management suspendiert. Sie sind alle ehrliche, hart arbeitende Menschen, mit Familien, die sie versorgen müssen und die Mehrheit arbeitet schon seit Jahrzehnten für die serbische Post. Einige von ihnen haben große Familien die sie unterstützen müssen, mit kranken Kindern oder Verwandten.
- Die sofortige Entlassung von Mira Petrovic von der Position der geschäftsführenden Generalmanagerin der serbischen Post, weil ihre Amtszeit schon vor Monaten abgelaufen ist. Die stellvertretende Geschäftsführerin Mira Petrovic wurde von der PUPS eingesetzt (der Partei der PensionistInnen und Pensionierten). Ihre Amtszeit ist am 12. September dieses Jahr abgelaufen. Sie ist der Kern vieler Probleme. Sie ist inkompetent, ihre Managementaufgaben zu erfüllen und der einzige Grund, aus dem sie eingesetzt wurde, ist ihre Mitgliedschaft und Loyalität zur PUPS-Partei. Sie agiert, als wäre die serbische Post ihr Privatbesitz und nutzt die Werbung zum politischen Eigennutz. Parteimitglieder werden angestellt, die PUPS-Partei und ihre Verbündeten und Koalitionspartner werden finanziert. Wir bereiten auch Strafanzeige gegen Mira Petrovic vor.
- Eine Gehaltserhöhung, die der echten Anzahl an geleisteten Arbeitsstunden in den letzten drei Jahren entspricht.
Die serbische Post ist eine öffentliche Firma, die nicht vom Budget der serbischen Republik abhängt, sondern sich durch ihre eigenen Einnahmen am Markt finanziert. Wir sind eine der erfolgreichsten Firmen in Serbien, was die Profite angeht, aber die Löhne der ArbeiterInnen werden nicht entsprechend dem Geschäftserfolg erhöht. Im Gegenteil; die Einkommen der ArbeiterInnen werden gesenkt und ArbeiterInnen werden ärmer, Jahr um Jahr. Wir schätzen, dass es in den letzten drei Jahren einen Einkommensverlust von ca. 14 Prozent gegeben hat. Zusätzlich dazu hat die Regierung die Löhne um 10 Prozent gekürzt als Teil eines Austeritätsprogrammes, das mit dem IMF und der EZB abgeschlossen wurde. Vor den Kürzungen war das Einkommen der PostarbeiterInnen im staatlichen Durchschnitt, jetzt liegt es deutlich unter dem Durchschnittseinkommen. Vor ein paar Monaten hat die Regierung das Einkommen für alle Beschäftigten im öffentlichen Dienst um 10 Prozent erhöht, aber die Gehälter von PostarbeiterInnen wurden nicht erhöht. Das hat die ArbeiterInnen zusätzlich wütend gemacht.
- Das mittlere und obere Management soll Verantwortung für den Druck, die Suspendierungen und den Drohungen gegenüber den Beschäftigten und GewerkschaftsaktivistInnen übernehmen. Das Management hat ein Verbot von gewerkschaftlicher Organisierung in der serbischen Post eingeführt. Fünf von acht Mitgliedern unseres Streikkomitees wurden suspendiert und dürfen kein Gebäude oder Büro der serbischen Post mehr betreten. Das Management hat einen Streik gestoppt, der gesetzlich komplett legitimiert war.
- Die Entlassung des Präsidenten und der Mitglieder des Aufsichtsgremiums weil sie ihrer Pflicht nicht nachgekommen sind. Das Aufsichtsgremium ist ein Gremium mit 5 Mitglieder, einer davon sollte eigentlich ein Repräsentant der ArbeiterInnen sein. Es ist unakzeptabel, dass der ArbeiterInnenrepräsentant, Goran Djeric, gleichzeitig ein Mitglied des oberen Managaments der Firma ist.
- Alle LeiharbeiterInnen und ArbeiterInnen mit befristeten Arbeitsverträgen müssen in der Firma voll beschäftigt werden. Diese ArbeiterInnen arbeiten für ein viel niedrigeres Einkommen als der Durchschnitt für die Positionen die sie besetzen. Sie haben keine Kranken- und Rentenversicherung oder bezahlten Jahresurlaub.
- Alle ArbeiterInnen, die voll beschäftigt sind, aber einen befristeten Vertrag unterschrieben haben, müssen einen Vertrag zur Vollbeschäftigung erhalten, auf dem kein Kündigungsdatum angeben ist.
Eigentlich sollte sich der Status von ArbeiterInnen mit der Zeit verbessern, bzgl. ihrer Arbeitsplatzsicherheit. Trotzdem wurden von 900 ArbeiterInnen mit befristeten Arbeitsverträgen, sogar nach einem Eingreifen der Regierung, bis jetzt nur 586 fest angestellt. Das Gesetzt besagt, dass ArbeiterInnen nur 2 Jahre lang mit befristeten Verträgen arbeiten dürfen und danach voll beschäftigt oder entlassen werden müssen, wir schätzen, dass 174 ArbeiterInnen mit befristeten Verträgen schon mehr als zwei Jahre in der Firma arbeiten. - Wir verlangen, dass das Unternehmen mehr ArbeiterInnen in technischen Positionen anstellt. Viele Positionen sind unterbesetzt. Aus diesem Grund konnten und können viele ArbeiterInnen den bezahlten (auch nicht bezahlten) Jahresurlaub, der gesetzlich garantiert ist, nicht nutzen. Tage, die zum Jahresurlaub gehören, werden in „freie Tage“ umgewandelt, was illegal ist. Die ArbeiterInnen sammeln eine große Anzahl an „freien Tagen“ auf, aber nach drei Jahren verfallen alle „freien Tage“. ArbeiterInnen haben Angst, eine Klage gegen das Unternehmen einzureichen, sogar wenn sie wissen, dass sie die Klage eindeutig gewinnen können.
- Aufnahme von Verhandlungen zwischen den ArbeiterInnen und ihren VertreterInnen auf der einen Seite und dem Management auf der anderen Seite im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichheit. Wir werden daran gehindert, Verhandlungen mit dem Arbeitgeber zu führen. Unsere Gewerkschaft wird ungleich behandelt, und der Zugang zu wichtigen Informationen über Unternehmensführung und -erfolg wird uns verweigert. Wir waren gezwungen, Informationen über das Büro des Kommissars für Informationen mit öffentlicher Relevanz einzuholen. Bei vielen Gelegenheiten baten wir um ein Treffen mit der Geschäftsleitung und der stellvertretenden Geschäftsführerin Mira Petrovic. Sie arrangierte ein Treffen mit unserer Gewerkschaft am 19. Oktober, aber erst nachdem wir zwei Tage lang protestiert hatten.
- Alle Personen, die zwar schon formal pensioniert sind, aber trotzdem in Managementpositionen angestellt werden, müssen entlassen werden. In der serbischen Postgesellschaft werden Personen, die bereits in Rente sind, als Manager, Direktoren und Sonderräte eingestellt. Dies geschieht über spezielle Verträge. Wir wehren uns dagegen, weil es viele junge, derzeit arbeitslose ExpertInnen gibt, die viel besser eingesetzt werden könnten.
Wie viele ArbeiterInnen streiken derzeit und welche Entwicklungen haben vor dem Streik stattgefunden?
Die Entscheidung zu streiken sowie unsere Forderungen bleiben. Wir riefen die Mutigsten unter unseren Mitgliedern und unter den ArbeiterInnenn zum Streik auf. Einige von ihnen beschlossen, selbst trotz enormem Druck und Drohungen zu streiken. Außerdem haben wir uns entschlossen, alle, die Angst vor einem Streik haben, zu Demonstrationen und Protestprozessionen im Stadtzentrum von Belgrad aufzurufen. Mehr als 2.000 Menschen haben protestiert. Leider fehlen uns die finanziellen Mittel, um den Transport von vielen serbischen Standorten nach Belgrad zu organisieren.
Bevor wir uns entschlossen haben zu protestieren, haben wir monatelang an die Geschäftsleitung und den geschäftsführenden Geschäftsführer appelliert, aber ohne Ergebnis. Wir haben ihre Entlassung erst zu unseren Forderungen hinzugefügt, nachdem 47 ArbeiterInnen widerrechtlich suspendiert worden waren.
Wer organisiert den Protest und den Streik und welche Gewerkschaften sind beteiligt? Bekommt ihr Unterstützung von anderen Organisationen?
Der Hauptorganisator des Protestes ist die Unabhängige Gewerkschaft der Postangestellten (Samostalni Sindikat Poštanski Radnika), und wir arbeiten eng mit der „Gewerkschaft Solidarität bei der serbischen Post“ zusammen. Auch der Verband der unabhängigen Gewerkschaften Serbiens unterstützt unseren Protest. Unterstützung kam auch von der Polizeigewerkschaft Serbiens, der Militärunion Serbiens, der unabhängigen Gewerkschaft für Bildung in Vojvodina, der ArbeiterInnenbewegung und „BORBA“, der Studierendenorganisation „7 Forderungen“, marxistischen und linksorientierten Aktivisten und anderen Organisationen, die ArbeiterInnenkämpfe unterstützen.
Welche Rolle spielen die Regierung und die politischen Parteien?
Die Tatsache, dass eine politische Partei in der Regierung das Postsystem als privates Eigentum nutzt, spricht Bände.
Wie könnt ihr diesen Kampf gegen das Unternehmen und die Regierung gewinnen?
Wir dürfen nicht aufgeben. Wir rufen alle Menschen auf, sich unserem Kampf anzuschließen. Wir verwenden alle rechtlichen Mittel, die uns zur Verfügung stehen. Dieser Kampf stößt an Systemgrenzen, aber wir geben unser Bestes und geben nicht auf.
Was können GewerkschafterInnen und linke AktivistInnen auf der ganzen Welt tun, um Ihren Kampf zu unterstützen?
Es ist unerlässlich, dass ihr euren Einfluss, wo auch immer, nutzt: um zu veröffentlichen, zu zeigen und zu erklären, wie die ArbeiterInnenrechte in der serbischen Post unter Beschuss stehen. Genauso wie alle ArbeiterInnenrechte in Serbien.
Danke für das Gespräch
Das Gespräch führte Christoph Glanninger gemeinsam mit einem serbischen Gewerkschaftsaktivisten.
Aufruf zu Solidarität
Wir rufen alle ArbeiterInnen, GewerkschafterInnen und linke AktivistInnen dazu auf Solidarität mit dem Kampf der ArbeiterInnen bei der serbischen Post zu zeigen und Protestresolutionen an folgende Adressen zu senden:
Mira Petrovic, stellvertretende Geschäftsführerin kabinet@posta.rs
Premierministerin, Ana Brnabic: predsednikvlade@gov.rs
Ministerium für Tourismus, Telekommunikation und andere Dienstleistungen Rasim Ljajic: potpredsednik@mtt.gov.rs ; kabinet@mtt.gov.rs
Ministerium für regionale Entwicklung und Koordinierung öffentlicher Unternehmen Milan Krkobabic (PUPS) www.mbprr.gov.rs; kabinet@mbprr.gov.rs
Ministerium für Arbeit, Beschäftigung, Kriegsveteranen und Soziale Fragen:
www.minrzs.gov.rs; press@minrzs.gov.rs
Und Kopien an:
ivan.djikovic@kompas.org.rs
sindikat.poste@ptt.rs
christoph.glanninger@slp.at
Unterstützung kann auch an den Präsidenten der unabhängige Gewerkschaft der Postarbeiterinnen, Zoran Pavlovic gesendet werden. Telefonnummer: +381646651087
Vorlage für eine Protestresolution
To Prime minister, Ana Brnabic; Minister for tourism, telecomunication and services; Minister for regional development and coordination of Public Companies; Ministry for work, employment, war veterans and social issues;.
I have been informed by the CWI and the Serbian activist group, Borba, about the mistreatment of workers at the Public Enterprise Post of Serbia. The sacking and suspension of trade unionists for organizing within the company and protesting for better working conditions represents a fundamental attack on basic workers‘ rights. We strongly condemn the suspension of 47 workers for protesting in public places, as well as the suspension of five members of the strike committee.
We stand in solidarity with the independent union of postal workers. It is outrageous that workers are facing suspension for protesting and asking for essential improvements, like higher wages, fair working contracts and more employees to manage the workload. The demands of the independent postal workers union are completely justified and we demand their immediate implementation. We will inform the public and media and keep them updated about developments.