Vom 6. bis 17. November 2017 tagt die 23. Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen in Bonn. Nach bisherigen Planungen soll der Gipfel mit bis zu 20.000 TeilnehmerInnen der größte seiner Art und eine “echte” Arbeitskonferenz werden. Ziel ist die Erarbeitung von Grundlagenentscheidungen, auf deren Basis die Inhalte des Pariser Klimaabkommens umgesetzt werden sollen.
Von Birgit Müllenders-Heinrich
Aber kann die Konferenz die verbindlichen und raschen Regelungen bieten, die notwendig sind, um nicht umkehrbare Folgen für das Klima und somit für die Menschheit aufzuhalten? Die Ergebnisse bisheriger Gipfel lassen daran Zweifel aufkommen. Schon in den 1970er Jahren warnten Forscher vor den katastrophalen Folgen eines menschgemachten Klimawandels. Im Jahr 1979 tagte eine erste Klimakonferenz in Genf und spätestens Anfang der 1980er Jahre wurde das Thema auch der breiten Öffentlichkeit bewusst, als das Stichwort „saurer Regen“ – schwefelhaltige Niederschläge die unter anderem zum Waldsterben führen- die Schlagzeilen beherrschte.
Von Rio bis Kyoto
Aber erst 1992 fand die erste UN Klimakonferenzen statt. So wurde in Rio de Janero eine Klimarahmenkonvention mit dem Ziel verabschiedet, menschlich verursachte Eingriffe ins Klimasystem der Erde zu verhindern und eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen zu erreichen. Mit einer freiwilligen Selbstverpflichtung der zustimmenden Staaten sollte dies gelingen, allerdings lehnten die USA bereits hier eine bindende Verpflichtung ab. Zu diesem Zeitpunkt waren die Eingriffe jedoch schon in vollem Gange.
Erst auf der dritten UN Klimakonferenz in Kyoto 1997 einigten sich die teilnehmenden Staaten auf Referenzwerte als Basis für die Reduktion von Treibhausgasen. Allerdings trat dieses Abkommen erst 2005 in Kraft. Es folgten weitere Jahre der Diskussion und Verzögerung ohne verbindliche Regelungen. Nahezu jährlich finden Klimakonferenzen statt, auf denen darum gerungen wird, die Ziele einerseits effektiv im Anspruch, andererseits so variabel wie möglich zu stecken.
Paris
Ende 2015 wurde dann das Paris-Protokoll beschlossen, welches am 4. November 2016 als neuer internationaler Klimavertrag in Kraft trat. Es gibt vor, die globale Erwärmung durch Minderung der Emission von Treibhausgasen deutlich unter zwei Grad Celsius senken zu wollen. Um dies zu erreichen soll die Menschheit ab 2050 ihre Emissionen neutralisieren. Somit dürfte dann nur noch so viel Kohlendioxid ausgestoßen werden, wie etwa Waldanpflanzungen aus der Erdatmosphäre ziehen. Das dafür notwenige klare Bekenntnis zum Ausstieg aus der Nutzung fossiler Brennstoffe fehlt dem Abkommen jedoch. Und der vereinbarte Schadensersatz an Staaten, die mit den ganz realen Folgen des Klimawandels bereits zu kämpfen haben wurde zwar empfohlen, ein Rechtsanspruch kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden.
Alles in allem erscheint bei näherer Betrachtung der gefeierte Durchbruch von Paris vielfach nur eine weitere vage Absichtserklärung ohne verbindliche und klare Vorgaben zu sein. Und so wird es wohl auch in den nächsten Jahren weiter gehen, denn die Ergebnisse der nun stattfindenden Konferenz in Bonn sollen wiederum lediglich nur Beschlussfassungsgrundlagen für den nächsten Gipfel 2018 in Polen sein.
Die Industrie bestimmt
Die Empfehlung des Weltklimarates, rasch und konsequent zu handeln, versandet weiterhin in Sitzungen. Herrschte in den ersten Jahren noch die große Angst davor, Gewinne durch Maßnahmen des Klimaschutzes zu verringern ist es nun die Angst vor den Kosten der aus der Klimaveränderung entstehenden Umweltkatastrophen und die Frage, wer diese übernimmt.
Es scheint fast, dass das Sprichwort …“nach mir die Sintflut“ zum Leitgedanken der Großindustrie geworden ist, denn das durch Lobbyisten vertretene Interesse der umweltverschmutzenden Industrie an kurzfristiger Gewinnmaximierung scheint bisher noch jeden Umweltgipfel an konkreten und raschen Maßnahmen zum aktiven Umweltschutz gehindert zu haben.
Und so entstehen Ziele und Vereinbarungen, die abhängig von den jeweilig vertretenen Interessen, möglichst unverbindlich sind und genügend Schlupflöcher bieten, um den kurzfristigen Gewinnwünschen ganzer Industrien nicht im Weg zu stehen. Ein Beispiel für wirtschaftsfreundlichen Umweltschutz stellt der sogenannte Emissionshandel dar. Dieser erlaubt es Firmen, Kontingente von schädlichen Abgasen oder eben auch Guthaben derselben national wie auch international zu verkaufen oder zu kaufen.
Die Notwendigkeit der Umrüstung technischer Anlagen rückt so in weite Ferne, denn solange solche Möglichkeiten existieren, kann das Hauptaugenmerk weiterhin auf kurzfristige Gewinne gelegt werden und eben nicht auf langfristig sinnvolle Veränderung der Produktionsabläufe. Aber auch mit diesen Tricks gelingt es nicht, die vereinbarten Ziele einzuhalten. Alleine Deutschland hat bereits im April 2017 sein im Pariser Klimaabkommen beschlossenes Jahresbudget an Emissionen aufgebraucht.
Drastische Reduzierung nötig
Notwendig ist bei jetzigem wissenschaftlichem Stand aber ein drastischer und schneller Rückgang der klimafeindlichen Emissionen. Dies gelingt nur mit dem sofortigen Ausstieg aus der Kohlenutzung und der Umrüstung von Industrieanlagen auf umweltfreundliche Technologien. Mit den Erfahrungen der letzten 25 Jahre UN Klimagipfel ist jedoch auch für Bonn nicht zu erwarten, dass endlich die notwendigen und verpflichtenden Vorgaben gemacht werden; es werden wohl auch hier weitere Absichtserklärungen folgen, bindende Regelungen sind nicht zu erwarten.
Der Verbraucher ist schuld?
Und im Zuge der Diskussion um den Klimawandel hat sich, quasi nebenbei, ein neues Einnahmefeld aufgetan: Der Verbraucher. Jedem ist klar, dass die Klimaerwärmung überwiegend auf menschliches Handeln zurück zu führen ist: Die Verbrennung fossiler Brennstoffe, Tierhaltung in sehr großem Stil sowie die Rodung von Wäldern sind die Hauptgründe, warum die Treibhausgase in der Erdatmosphäre zunehmen.
Aber welche „menschlich verursachten Eingriffe“ sind konkret gemeint? Die Eingriffe der Großindustrien sind zwar für die schlimmsten Schäden an Klima und Umwelt verantwortlich, aber im Sinne vom Profitausbau gelingt hier ein großer Trick. Die Verschiebung des Umweltschutzes in den privaten Konsumbereich des Verbrauchers: „Klimaschutz beginnt im Haushalt.“ (NABU)
So wird der Eindruck erweckt, dass Auto fahren – vor allem Diesel – schlimmer ist, als Autos zu produzieren und den öffentlichen Personennah- und -fernverkehr abzubauen, dass der Blick aufs Portemonnaie beim Fleischkauf im Discounter moralisch verwerflich ist und man doch umweltbewusster beim Bio Bauern kaufen solle. Plastiktüten müssen jetzt bezahlt werden und die in den ländlichen Gegenden so beliebten Kaminöfen werden als größere Luftverpester dargestellt als Industrieschornsteine.
Und so kaufe ich als VerbraucherIn dann Bio-Äpfel aus dem Alten Land und verzehre in Wirklichkeit Obst aus Chile, welches einfach nur neu deklariert wurde. Mit dem Stempel Bio jedoch deutlich teurer. Ich bezahle nun für Plastiktüten, die noch im letzten Jahr gratis waren. Und meinen Kaminofen im Wohnzimmer rüste ich mit einem teuren Filter nach, natürlich der Umwelt zu liebe.
Die Individualisierung des Umweltschutzes ermöglicht es der Wirtschaft neben Emissionshandel und Betrug – siehe zum Beispiel Autoindustrie – ein neues Einnahmefeld zu generieren und das Konsumverhalten zu lenken. Ganz sicher sind auch individuelle Veränderungen der Lebensweise sinnvoll, sie aus einem sozialen Kontext zu reißen hilft jedoch nur der Nahrungs- und Konsumgüter produzierenden Industrie, und das gleich in mehrfacher Hinsicht.
Solange sich Umweltverschmutzung wirtschaftlich noch lohnt, sieht es mit einem schonenden Umgang der vorhandenen Ressourcen schlecht aus. Wie auch mit effektiven Ergebnissen von Klimagipfeln.
Birgit Müllenders-Heinrich arbeitet im Sozialbereich und ist Mitglied der SAV in Stade.