Schluss mit der Repression durch die Zentralregierung!
Die Unabhängigkeitsbewegung in der katalanischen Region erschüttert den Spanischen Staat in den Grundfesten und droht, das Staatsgebilde der Post-Franco-Ära zu zerschlagen. Die Madrider Zentralregierung unter dem konservativen Präsidenten Mariano Rajoy reagiert mit beispielloser Repression.
Von René Arnsburg, Berlin
Erstmals seit etwa einem Jahrhundert besteht die Möglichkeit, wirkliche Unabhängigkeit zu erkämpfen. Die Arbeiterklasse spielt die entscheidende Rolle in diesem Kampf, während des Madrider Regime mit aller Härte gegen die Bewegung vorgeht. Hintergrund der aktuellen Bewegung für nationale Unabhängigkeit ist die angestaute Wut über den sinkenden Lebensstandard in Folge der Wirtschaftskrise und die Hoffnung, diese Entwicklung in einem unabhängigen Katalonien umkehren zu können.
Eskalation im Zeitraffer
Die regierende Koalition im katalanischen Parlament gewann die Regionalwahlen 2015 mit dem Versprechen, ein bindendes Referendum über eine Abspaltung durchzuführen. Am 6. September sprach sich eine Mehrheit der Abgeordneten dafür aus, woraufhin es durch die Madrider Zentralregierung verboten wurde. Schnell griff die Rajoy-Regierung zu rabiaten Maßnahmen und ließ mindestens zwölf Regierungsmitglieder der Region verhaften. Ende September war der Autonomiestatus Kataloniens de facto aufgehoben und die Konten der Region eingefroren. Mehrere tausend Polizeieinheiten und Anti-Terror-Truppen wurden nach Katalonien verlegt und Material, das über das Referendum berichtet, sowie mehrere Millionen Flugblätter und Stimmzettel direkt in den Druckereien beschlagnahmt. Die Regionalpolizei wurde unter das Kommando der Zentralregierung gestellt, woraufhin deren Präsident verlautbaren ließ, keine Befehle aus Madrid zu befolgen. Begleitet wurden diese Unterdrückungsmaßnahmen von unermüdlichen Massenprotesten und Solidaritätskundgebungen weltweit. Der Kampf um die Unabhängigkeit Kataloniens wird von nationalen Minderheiten auf der ganzen Welt verfolgt und hat jetzt schon internationalen Einfluss auf Bewegungen gegen ethnische oder nationale Unterdrückung.
Für eine sozialistische katalanische Republik!
Viele KatalanInnen stellen sich hinter die Regionalregierung und fordern zurecht ein Ende der Repression und die Freilassung der Gefangenen. Doch die bürgerlichen PolitikerInnen sind kein Garant für wirklich Unabhängigkeit.
Die HafenarbeiterInnen Barcelonas haben zum Beispiel selbst die Initiative ergriffen: Deren Gewerkschaft weigerte sich, die 4000 PolizistInnen einlaufen zu lassen oder zu versorgen, die vor der Stadt auf Schiffen vor Anker liegen. Der Schülergewerkschaft Sindicato de Estudiantes rief zu einem katalanischen Bildungsstreik für den 28. September auf, um einen ersten Schritt in Richtung Generalstreik für die Unabhängigkeit zu machen, zu dem für den 3. Oktober von der linksnationalistischen CUP aufgerufen war. Izquierda Revolucionaria (Sektion des CWI im spanischen Staat) unterstützt die Forderung und organisierte in vielen Städten Solidaritätskundgebungen.
Aktivität der Massen entscheidend
Unabhängig vom Ausgang des Referendums und dem Umgang der spanischen Regierung damit (was zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht bekannt war) gilt: Vor Ort müssen die Massen weiter für eine Möglichkeit kämpfen, sich unabhängig von der Regionalregierung in Versammlungen und demokratischen Komitees zu engagieren, denn dies ist die einzige Garantie für wirkliche Unabhängigkeit. Die bürgerliche katalanische Regierung wird nicht die sozialen Forderungen, die hinter der Bewegung der Massen stehen, erfüllen und schon gar nicht auf die Ängste der nicht-katalanischen Bevölkerung eingehen. Die Forderung nach einer katalanischen Republik ist so aktuell wie noch nie, doch nur ein Programm für ein sozialistisches Katalonien kann die Mehrheit der Kleingewerbetreibende, der nicht-katalanischen ArbeiterInnen und der KatalanInnen einen.