Interview mit Pflegeazubi Mirco Dreßler im Charité-Streik
Auszubildende der Gesundheitsakademie der Charité beteiligen sich am Streik für einen verbesserten Tarifvertrag Gesundheitsschutz am Berliner Uniklinikum. Marlene Frauendorf sprach mit Mirko Dreßler über die Lage der Azubis und ihre Motivation für den Streik.
Warum findet ihr Auszubildenden es wichtig beim Streik dabei zu sein und wie seid ihr dazu gekommen ?
Ich habe bereits 2015 den Streik miterlebt und damit auch, wieviel das gebracht hat. Damals gab es das Problem, dass die SchülerInnen davon nicht so viel mitbekommen haben. Das lief eher über einzelne Personen, die auch Kontakt zu ver.di hatten. Dadurch bin ich 2015 zum Streik gekommen und in dem Zuge auch ver.di beigetreten. Jetzt gab es die Tarifberatertreffen, bei denen ich auch war. Es wurde gesagt, dass jeder und jede eingeladen ist und ich dachte, dass das die Gelegenheit ist, sich als Auszubildender mit einzubringen.
Wir als Auszubildende haben auch gehofft, dass unsere Meinung zählt, weil wir ja vorhaben, noch längere Jahre in dem Beruf zu arbeiten. Die Azubis und ich, die zu den Tarifberatertreffen gegangen sind, finden, dass dem Beruf Selbstbewusstsein fehlt. Ich glaube, wir müssen unseren MitschülerInnen zeigen, dass wir uns für die Zukunft unseres Berufes verantwortlich fühlen, damit wir gemeinsam dafür einstehen können. Wir waren 2015 alle motiviert, dass der Tarifvertrag durch den Streik durchgekommen ist und deswegen haben wir uns auch dieses Jahr entschlossen, die Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen. Wir wollen zeigen, dass wir diesen Beruf gerne machen und haben hier die Möglichkeit, aktiv für die Zukunft unseres Berufes zu kämpfen. Gerade weil wir von allen Seiten zu hören kriegen, wie schlecht die Arbeitsbedingungen in unserem zukünftigen Beruf sind, wollen wir für bessere Bedingungen an der Seite von den Streikenden stehen. Die Kolleginnen und Kollegen machen das ja auch ein Stück weit für uns, weil auch wir bald Pflegende sind.
Du hattest ja schon angesprochen, dass ihr oft mit den schlechten Arbeitsbedingungen von Pflegerinnen und Pflegern konfrontiert werdet. Zeigt sich das auch in eurem Ausbildungsalltag? Wie sind die Umstände konkret?
Ich kann natürlich nicht für alle sprechen, sondern nur aus meiner Erfahrung. Meiner Meinung nach fehlen PraxisanleiterInnen, die sich ordentlich Zeit nehmen können, um uns auszubilden. Die Arbeitsbelastung auf den Stationen trifft natürlich größtenteils die Pflegekräfte. Ich habe nicht erlebt, dass wir als Auszubildende die Arbeitsbelastung mittragen müssen, aber ich bekomme mit, dass die PraxisanleiterInnen sich keine Zeit für uns nehmen können. Das ist ein großes Problem. Wir wollen schließlich gute Pflegekräfte werden. Das funktioniert aber nur, wenn wir gut ausgebildet werden und sich Zeit für uns genommen werden kann. Ich höre aber auch aus anderen Häusern, dass die Arbeitsbelastung für Auszubildende extrem ist. Heute habe ich gehört, dass ein Auszubildender teilweise zwölf PatientInnen betreuen muss. Das ist aus meinen Augen Wahnsinn. SchülerInnen, die zwölf PatientInnen betreuen müssen, können die Pflege, die wir lernen, gar nicht umsetzen. Man weiß dann von Anfang an, dass vieles wegrationalisiert werden muss. Die Dinge, die für uns die treibenden Gründe sind, in den Beruf zu gehen, wie nah an dem Menschen zu sein und ihm Zuwendung zu geben, fallen dann weg. Was übrig bleibt sind Tätigkeiten, die abgerechnet werden können. Ich finde, wir Auszubildende müssen einen geschützten Rahmen zum Lernen haben. Wir lernen aber von der ersten Sekunde an, dass das nicht möglich ist. Dafür sind natürlich nicht die Kolleginnen und Kollegen verantwortlich, sondern der Druck, der von oben kommt. Das merkt man auch an der Stimmung im Team. Man sieht sich auch als Schüler oft als Extra-Belastung für diejenigen, die sowieso ohne Ende ackern. Das ist ein Gefühl, das wir nicht haben sollten. Ein weiteres Problem ist, dass aufgrund der Arbeitsbedingungen nicht mehr viele Leute in den Beruf gehen möchten. Dadurch, dass wir als Auszubildende die Teams wechseln, können wir auch vergleichen. Wir sehen dann, dass in einigen Bereich ein extrem hoher Druck herrscht und viele Pflegekräfte oft administrative Aufgaben erledigen müssen. Dabei kommt das eigentliche Pflegen zu kurz. Das sehen wir vor allem von außen, weil wir in der Schule das Idealbild vermittelt kriegen. Wir merken, dass man sich eben nicht die Zeit für PatientInnen nehmen kann, die eigentlich benötigt wird und haben oft ein schlechtes Bauchgefühl, wenn wir nach Hause fahren. Um das zu verhindern, müsste Entlastung durch mehr Personal geschaffen werden.
Trotzdem seid ihr supermotiviert und wollt bessere Bedingungen durch den Streik mit einfordern. Was erwartest du von der Politik – gerade auch nach den Bundestagswahlen?
Erstmal will ich, dass Pflege überhaupt zum Thema wird. Wir haben es ja von Alexander Jorde gehört, der in der Wahlarena die Kanzlerin zur Rede gestellt hat. Seit zwölf Jahren wurde absolut nichts für die Pflege getan. Jeder Mensch, der mal im Krankenhaus war, wird damit konfrontiert, dass es die Probleme des Personalmangels und der Überlastung in der Pflege gibt und trotzdem hat es nicht die politische Relevanz, die ich mir erhoffe. Wenn ich dann höre, dass ein Problem der Fachkräftemangel ist, dann sollte doch eines der wichtigsten Bestrebungen sein, den Beruf attraktiver zu machen. Das funktioniert aber nur darüber, dass man die Pflegekräfte auf Station entlastet. Bevor ich die Ausbildung begonnen habe, habe ich am häufigsten gehört, dass ich mich in diesem Beruf kaputt machen würde. Ich denke, dass wir in einer Zeit leben, in der es wichtiger geworden ist, einen Ausgleich zwischen Privatem und Beruf zu haben. Wenn man dann hört, dass man in einen Beruf geht mit psychischen und körperlichen Belastungen, wirkt das auf viele sicherlich abschreckend.
Meine konkreten Forderungen sind also, dass die Praxisanleitung mit dem normalen Stationsalltag nichts zu tun hat und die Leute, die SchülerInnen anleiten, entlastet werden. Natürlich will ich, dass die Arbeitsbelastungen für alle Pflegenden reduziert wird. So werden auch Anreize geschaffen, den Beruf zu erlernen. Es geht dabei nicht mal darum, dass man mehr Geld verdient, sondern erst mal, dass man den Beruf machen kann ohne mit Bauchschmerzen nach Hause zu gehen. Ich sehe es somit kritisch, wenn Merkel sagt, dass man den Anreiz schafft, indem man die Löhne erhöht. Das stimmt auch, aber eine Menge Leute, die in dem Beruf ausgebildet sind und nicht mehr in ihm arbeiten, haben sich aufgrund der Arbeitsbedingungen dazu entschlossen und nicht aufgrund des Geldes. Ausbildung sollte einen höheren Stellenwert haben und es muss möglich sein, dass die praktische Umsetzung funktioniert. Das funktioniert natürlich nur, wenn die Leute, die sich für die Ausbildung rausnehmen, das auch ohne Druck tun können. Daher muss eine gesetzliche Personalbemessung her. Am besten mit einer Quote, durch die ein Praxisanleiter freigestellt werden kann. Das ist auch die Verantwortung der Politik!
Das Interview führte Marlene Frauendorf am 20.9.2017 beim Streik der Charité-Beschäftigten.