Sozialistische Stadtratskandidatin in Minneapolis

Interview mit Ginger Jentzen
Frage: Was kannst Du uns über die Bewegung für einen 15-Dollar-Mindestlohn in Minneapolis berichten?

Ginger Jentzen: Die 15-Now-Bewegung in Minneapolis wurde nach dem Sieg in Seattle gegründet. Sie war in gewisser Hinsicht schwieriger. Die Stadt ist von der Demokratischen Partei dominiert, und die errichtete eine Hürde nach der anderen. In Worten waren sie für den Mindestlohn, er steht sogar in ihrem Programm. Drei Jahre lang bauten wir eine breitere Bewegung in Stadtteilen, Betrieben, an der Basis auf. Wegen dem Widerstand im Gemeinderat wollten wir ein Referendum dazu machen. 140 Freiwillige sammelten 20.000 Unterschriften in 9 Wochen, dreimal so viele Unterschriften wie nötig. Das zeigte, wie begierig die Menschen waren, gegen Hungerlöhne zu kämpfen. Wir hatten wenig Vertrauen in die Landes- und Bundesebene wegen der republikanischen Kontrolle. Die Stadt ignorierte das Referendum, vor Gericht wurde es abgelehnt. Das war wichtig, weil es polarisiert hat. Das Großkapital, die Handelskammer, der Gemeinderat verweigerten die Abstimmung. Das zeigte, wie sehr sie den Konzerninteressen folgen.

So lange die Frage in den Händen des Gemeinderats war, machten wir monatliche Kampagnentreffen und wöchentliche Treffen der Führung, Es gab Unterschriftensammlungen, Poster, die Teilnahme an Streiks und Protesten. Durch die Klarheit der unabhängigen Bewegung konnten wir letztlich den Gemeinderat dazu kriegen, es zu beschließen und sie stimmten am 30. Juni 2017 zu.

Es gab auch eine große Komponente des Kampfes gegen Rassismus und Benachteiligung von Frauen, weil 80 Prozent der Betroffenen im Nahrungsmittelsektor arbeiten, wo vor allem Frauen und Nichtweiße arbeiten. Man braucht 15 Dollar um zu überleben, um sich eine Einzimmerwohnung leisten zu können.
Frage: Wie hängt diese Kampagne mit Deiner Kandidatur zusammen?

Ginger Jentzen: Sie war ein guter Hintergrund für den Wahlkampf. Menschen aus der Arbeiterklasse sind nicht nur von Niedriglöhnen betroffen, auch Fragen wie Wohnungen, Miethaie, die Gesundheitsversorgung kamen durch die 15-Now-Kampagne auf. Wir verbanden uns mit der Bernie-Sanders-Stimmung. Er vertrat ein kühnes Programm zur Gesundheitsversorgung und für einen 15-Dollar-Mindestlohn. Die Demokraten haben ihn bei den Vorwahlen besiegt und dann selber die Präsidentschaftswahlen gegen Trump verloren. Aber die Stimmung für Veränderung ist damit nicht verschwunden. Wir betonten die Methoden, die wir für den Mindestlohn verwendet haben, den Aufbau einer breiten Bewegung, die unsere Interessen gegen die Konzerninteressen in den Vordergrund gestellt hat. Mit diesen Methoden können wir auch die Besteuerung von Konzernen oder eine Mietbegrenzung erreichen, Widerstand gegen Trrumps Angriffe auf MigrantInnen aufbauen etc.

Polizeigewalt wurde auch zum Thema, es gab zwei Morde. Vor kurzem machte es internationale Schlagzeilen, als eine weiße Immigrantin von der Polizei ermordet wurde. Solche Ereignisse werfen nicht nur die Frage der Polizeigewalt auf, sondern auch allgemein die brutalen Methoden der Polizei. Wir kämpfen für demokratische Kontrolle der Polizei durch gewählte Komitee, die das Recht haben, Polizisten zu feuern. Die Black-Lives-Matter-Bewegung hat hart gekämpft, dass Polizisten nach Morden an Nichtweißen vor Gericht kommen … und dann wurden sie dort doch freigesprochen. Solche Komitees könnten dafür sorgen, dass sie wenigstens aus dem Amt entfernt werden. Polizeigewalt ist ein ständiges Problem in Minneapolis.
Frage: Welche Unterstützung gibt es für Deine Kandidatur?

Ginger Jentzen: Die Kampagne wird unterstützt von der Krankenschwesterngewerkschaft und der Kommunikationsgewerkschaft, den kämpferischsten Gewerkschaften in den USA. Beide haben in letzter Zeit in Streiks gestanden, die Schwestern einen Monat lang, sie haben auch Sanders landesweit unterstützt und sein Programm, während der Rest der Gewerkschaften für Clinton war. Die Democratic Socialists of America und andere linke Organisationen unterstützen die Kandidatur auch.
Frage: In was für einem Wahlkreis kandidierst Du?

Ginger Jentzen: Es gibt 13 Gemeinderäte. Minneapolis steht an einem Wendepunkt. Mein Wahlkreis hat eine große Bedeutung bei der Frage, ob einfache Menschen oder Profite Vorrang haben. Es gibt ein paar Wolkenkratzer dort, aber vor allem leben dort Menschen aus der Arbeiterklasse und Mittelschicht, sowohl EigenheimbesitzerInnen als auch MieterInnen. Beide sind auf die großen Investoren wütend, die schlechte Gebäude bauen, die Lebenshaltungskosten erhöhen und damit riesige Profite machen. Deshalb rufen wir dazu auf, eine Stimmung in der Stadt aufzubauen für Steuern zur Finanzierung bezahlbarer Häuser. Selbst mit 15 Dollar Lohn muss man für eine Einzimmerwohnung über 56 Stunden in der Woche arbeiten.

Im Wahlkreis leben auch viele Studierende. In der vergangenen Periode, in der Sanderskampagne, der Anti-Trump-Bewegung waren junge Menschen sehr aktiv. Nach Umfragen finden sie den Sozialismus besser als den Kapitalismus. Wir wollen mit den Studierenden im Wahlkreis Verbindungen aufbauen.

Die Frauenbewegung ist auch sehr wichtig auf den Campussen. Das gibt uns die Möglichkeit zu zeigen, wie man als FeministIn mit einer Klassen- und marxistischen Perspektive kämpft. Viele Frauen haben gegen Clinton und für Sanders gekämpft, weil sie eine Establishment-Figur war. Andere ignorieren die Bewegung.

Wir nehmen kein Konzerngeld an, kein Geld von den Unternehmen, die den 15-Dollar-Mindestlohn abgelehnt haben. Ich werde als Stadträtin nur einen Arbeiterlohn annehmen und den Rest für Spenden für soziale Bewegungen verwenden. Die Kandidatur ist eine Fortsetzung der politischen Revolution von Sanders, der Kandidatur von Kshama Sawant in Seattle.
Frage: Welche Aktionen wird es im Wahlkampf geben?

Ginger Jentzen: Wir haben bei der 15-Now-Kampagne vor McDonalds demonstriert. Wir haben mit den Krankenschwestern diskutiert, was wir auf örtlicher Ebene zum Gesundheitswesen machen können. Wir haben das Thema Klimawandel aufgegriffen, weil Ölzüge durch Minneapolis fahren, die gefährlich sind, die explodieren können. Wir planen weiter Spenden zur Finanzierung des Wahlkampfs zu bekommen, Hausparties zu veranstalten machen. Wir haben schon rund 55.000 Dollar Wahlkampfspenden, durchschnittlich 20-30 Dollar pro Spende. Wir werden weiterhin an Demonstrationen teilnehmen, je nachdem, was passiert. Es gibt einen berüchtigten Miethai. Eine örtliche Mieterrechtsgruppe gewann einen Sieg über ihn vor Gericht. Wir haben mit ihnen über den Aufbau von anerkannten Mietergewerkschaften, über den Kampf für Mietkontrolle diskutiert. Ich habe auf Kundgebungen dazu gesprochen, wie wir Mietenkontrolle einführen können. Der Gemeinderat hat das bisher für illegal erklärt, aber vor ein paar Jahren hat der den Mindestlohn auch noch für illegal erklärt.

Mit unseren Mitgliedern und Freiwilligen machen wir Hausbesuche wie verrückt. Wir haben mindestens 100 Aktive in der Kampagne. Die Großkonzerne wollen meinen Wahlerfolg nicht zulassen. Sie haben gesehen, dass Kshama als Stadträtin sehr erfolgreich war mit Block the Bunker [einer Kampagne gegen eine neue riesige und teure Polizeistation, ein Teil des eingesparten Geldes wurde für kommunale Wohnungen ausgegeben – der Interviewer], mit Steuern für Konzerne. In Zeiten von Trump wollen die Demokraten den Leute einreden, dass sie der Ausweg seien. Da ist ein sozialistisches Programm eine Bedrohung für sie und die Konzerne. Das dürfen wir nicht vergessen. Aber es gibt eine brodelnde Wut in der Gesellschaft insgesamt, die genug davon hat, immer nachzugeben für die Profite der Konzerne und sich zu beschränken auf das, was für den Status quo akzeptabel ist.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Wolfram Klein