Drastische Beitragssenkungen für Reiche und Großkonzerne würden massive Umverteilung von unten nach oben bedeuten
Am 26. April hat die Trump-Administration ihre Pläne für eine Steuerreform veröffentlicht. Zwar bleiben viele Details noch im Trüben (die New York Times spricht „weniger von einem Plan als vielmehr von einer Wunschliste“). Konkret wird aber eine gigantische 57-Prozent-Senkung des Körperschaftssteuersatzes vorgeschlagen, der in der Spitze um 20 Punkte von 35 Prozent auf dann 15 Prozent fallen soll. Auch der Spitzen-Einkommenssteuersatz für wohlhabende Einzelpersonen soll sinken, und die Erbschaftssteuer gleich ganz abgeschafft werden.
von Brandon Madsen, „Socialist Alternative“ (Schwesterorganisation der SAV in den USA)
In der vorliegenden Form führen die Überlegungen zu einer Verringerung der Staatseinnahmen um 5,5 Billionen Dollar in den nächsten zehn Jahren. Damit das Wirtschaftswachstum diese Mindereinnahmen auffangen kann, so die Prophezeiung der Administration, muss die durchschnittliche Wachstumsrate in diesen zehn Jahren bei mindestens 4,5 Prozent liegen. Das ist beinahe das Doppelte von dem, wovon die kapitalistischen Ökonomen heute ausgehen. Ob sie dabei mit in Betracht ziehen, dass nicht nur die Weltwirtschaft auf wackeligen Beinen steht, und ob sie tatsächlich von einer ganzen Dekade ausgehen, in der es keine Rezession geben wird, können wir nur vermuten. Die Annahmen, die dem Steuersenkungsplan von Trump zugrunde liegen, sind jedenfalls vollkommen unrealistisch.
Heuchelei der „Republikaner“
Erinnern wir uns daran, wie so viele Politiker der „Republikanischen Partei“ den größten Teil des letzten Jahrzehnts damit verbracht haben, sich über die Schuldenlast aufzuregen, die sich auftürmenden Staatsschulden in apokalyptischen Tönen anzuprangern und es als Lieblingsbeschäftigung betrachteten, auf die Sozialprogramme einzuknüppeln. Vor diesem Hintergrund wird die ganze Heuchelei deutlich, wenn sie nun Trumps Steuerpläne unterstützen. „Schulden-Falken“ wie Orrin Hatch, Senator der „Republikaner“ für den Bundesstaat Utah und Sprecher des Finanzausschusses, haben die Finanzierung der Staatsschulden entsprechend erörtert und sind zu dem Schluss gekommen, dass dieses Programm akzeptabel ist, wenn es als Möglichkeit genutzt wird, um „die Wirtschaft zu schnellerem Wachstum“ zu bringen.
Natürlich haben dieselben Politiker genau dieselbe Logik in Bausch und Bogen verworfen, wenn es um Ausgaben beispielsweise für die öffentliche Bildung oder nachhaltige Energien gegangen ist. Umso absurder, wenn man bedenkt, dass solche Investitionen im Gegensatz zur Unternehmenssteuer nachweislich für eine wachsende Wirtschaft sorgen, da auf diesen Feldern das Mehrfache für jeden investierten Dollar zurückfließen würde.
In einem als zynisch zu bewertenden Versuch, die eigene Missachtung der Belange der Arbeiterklasse zu vertuschen, hat die Trump-Administration auch bestimmte populistische Maßnahmen in ihren Kanon mit aufgenommen. Dies gilt vor allem für die Sonderausgabenpauschale, die für sich genommen den arbeitenden Menschen helfen würde, da sie jeden Monat über die Runden kommen müssen und ohnehin schon zu hohe Steuern zu zahlen haben. Im Zusammenhang mit dieser Gesetzesvorlage, die umfangreiche Steuervergünstigungen für Reiche vorsieht, wird der Pauschalbetrag aber benutzt, um von der Tatsache abzulenken, dass die Unternehmenssteuern um mehr als die Hälfte gesenkt werden sollen. Darüber hinaus dient dieser Aspekt als Totschlagargument, um gleichzeitig die Finanzierung lebenswichtiger Sozialprogramme für die arbeitenden Menschen aufs Korn zu nehmen. An den wenigen Stellen, an denen überhaupt von der Kürzung der Unternehmenssteuern die Rede ist, wird diese genommen, um die falsche Behauptung zu untermauern, wonach die Kürzungen dabei helfen werden, die Wirtschaft anzukurbeln und für mehr Erwerbsarbeit zu sorgen.
Konzerne horten Barbeträge
Die Behauptung, dass mehr Arbeitsplätze geschaffen werden und die Wirtschaft wächst, wenn den Wohlhabenden durch Steuersenkungen Geld geschenkt wird („trickle-down economics“; dt.: „Pferdeäpfel-Theorie“), hält noch nicht einmal einer oberflächlicher Betrachtung stand. Eine weltweit durchgeführte makroökonomische Studie aus dem Jahr 2014, die von keinem geringeren als dem ur-kapitalistischen „Internationalen Währungsfonds“ angestellt worden ist, kam zu dem Ergebnis, dass eine größere Kluft zwischen Arm und Reich sowie eine finanziell mangelhaft ausgestattete öffentliche Daseinsvorsorge tatsächlich und dauerhaft mit niedrigeren Wachstumsraten einhergehen.
Abgesehen davon ist sehr gut dokumentiert, dass US-Konzerne schon jetzt eine unglaubliche Menge an Barmitteln zur Verfügung haben. Schätzungen gehen von zwei Billionen US-Dollar aus, die unangetastet und unproduktiv auf den Bankkonten und als Bareinlagen der Konzerne einfach so herumliegen. Das ist in der Geschichte der bei weitem größte Batzen, den die Konzerne an Kapitalien jemals gehortet haben. Allein „Google“ besitzt rund 80 Milliarden Dollar an flüssigen Mitteln. Das sind rund 16 Prozent des Gesamtwertes, der „Alphabet“, dem neuen Mutterkonzern von „Google“, zugesprochen wird. Um diese Summe etwas verständlicher zu machen, würde sie reichen, um auf einmal Konzerne wie „Goldman Sachs“, „American Express“, die Großhandelskette „CostCo“ und „ebay“ zu kaufen. Ein weltweit agierender Auto-Riese wie „General Motors“ (GM) hat fast die Hälfte seiner Kapitalstöcke an Barmitteln zur Verfügung.
Und dabei gibt es absolut keinen Grund davon auszugehen, dass GM oder „Google“ mehr investieren und damit die Wirtschaft stärken, wenn sie noch größere Reserven an Barmitteln ihr Eigen nennen können. Unternehmen existieren nicht, um die Wirtschaft in Schwung zu bringen oder Arbeitsplätze zu schaffen. Ihr Interesse besteht darin, Profit zu machen und ihren Investoren zu entsprechen. In Wirklichkeit würden Konzernvorstände den eigenen Aktienkurs und damit ihre eigene Karriere aufs Spiel setzen, wenn sie Arbeitsplätze schaffen oder Kapital investieren würden, ohne dabei einen sicheren Plan zu verfolgen, mit dem die Bilanz ihres Unternehmens verbessert wird. Aus diesem Grund lautet die Lehrmeinung in der Welt des Investments, dass Konzerne vom Markt bestraft werden, wenn sie Barmittel horten. Vor kurzem hat eine Meta-Studie ans Licht gebracht, dass in vielen Industriebranchen die Anreize Barmittel zu horten, heute in der Tat größer sind als der Anreiz, diese flüssigen Mittel zu investieren. Von daher wird das Gros der Steuergeschenke von Trump an die Konzerne mit großer Wahrscheinlichkeit direkt auf Bankkonten der Konzerne oder in Form von Gehaltserhöhungen bzw. Bonuszahlungen auf die Konten der Konzernvorstände überwiesen werden.
Wer profitiert, wer zahlt?
Die arbeitenden Menschen werden also nichts von sinkenden Unternehmenssteuern haben. Von ihnen wird lediglich erwartet, die Zeche zu zahlen. Und dies wird über die gleichzeitig durchgeführten wilden Attacken auf die Ausgaben für Bildung, Transport und Verkehr, Gesundheit, Arbeitsmarktprogramme und Umweltschutz laufen. All dies kommt zu einer Zeit, da die wirtschaftliche Ungleichheit in den USA sich ohnehin schon auf einem Allzeit-Hoch befindet und die Reallöhne seit 30 Jahren stagnieren. In derselben Zeitspanne ist die Arbeitsproduktivität um 67 Prozent gestiegen. Das sind die nackten Zahlen über eine Realität, die wir schon längst Tag für Tag kennen: Die meisten US-AmerikanerInnen arbeiten mehr und bekommen dafür immer weniger an Lohn.
Dieser langfristige Trend ist leider nicht auf eine Person wie Trump oder seine jüngsten Steuer-Pläne zurückzuführen. Dieses beständige Voranschreiten hin zu noch mehr wirtschaftlicher Ungleichheit ist unabhängig von zahllosen Regierungen (egal, ob unter der Führung von „Republikanern“ oder „Demokraten“) unvermindert weitergegangen. Unter Obama wurde dieser Weg mit noch mehr Tempo verfolgt, der den Großbanken während und nach der großen Rezession mit Rettungspaketen behilflich war und tatenlos zusah, als Millionen von Menschen ihre Häuser verloren und den Anschluss an die Mittelschicht verloren haben.
Als der Nachkriegsaufschwung zu Ende ging und der internationale Wettbewerb in den 1970er Jahren stärker wurde (Länder wie China und Indien lösten die USA als „Werkbank der Welt“ ab), befand sich der Kapitalismus in einem Prozess der langfristigen Abschwächung. Gekennzeichnet war dies durch schwerwiegende Wirtschaftskrisen, kleiner werdende Profitmargen und schwächere Erholungsphasen. Weil es immer schwieriger wurde, aus Investitionen in die Produktion Profit zu schlagen, hat sich die herrschende Klasse wiederholt dem Mittel der Spekulationsblasen bemächtigt (so im Falle der durch Hypotheken gestützten Sicherheiten, was 2008 zum Fiasko wurde und zur Finanzkrise um „Lehman Brothers“ führte). Außerdem wandte man das Mittel der Kostensenkung an (Lohnsenkungen, Senkung der Unternehmenssteuern, Kürzung von Sozialausgaben und -programmen). Das sollte die Alternative sein, um die eigenen Bilanzen aufzumöbeln.
So lange Großkonzerne und ihre gekauften und von ihnen bezahlten Politiker sich selbst überlassen werden und so lange die Gewerkschaftsvorstände weiterhin die ganzen Ressourcen ihrer Organisationen in Wahlkämpfe für genau diese Politiker stecken, so lange werden die arbeitenden Menschen auch weiterhin gedrängt, das nicht Hinnehmbare hinzunehmen. Das ist einer der vielen Gründe, weshalb der Wiederaufbau einer kämpferischen Arbeiterbewegung, die politisch unabhängig von den Parteien der Konzerne ist, nicht nur eine nette Idee sondern absolute Notwendigkeit geworden ist. Wenn wir ernsthaft davon ausgehen wollen, die Macht der Konzerne und die wirtschaftliche Ungleichheit in den USA mit Ernsthaftigkeit anzugehen, dann ist dieser Aufbau essentiell.