Auszüge aus dem Buch „Brandstifter – AfD. Pegida. Islamhass.“
Zum Kampf gegen Rechts ist ein Programm nötig, das die wahren Ursachen und Lösungen für die sozialen Probleme benennt und auch einen Weg aufzeigt, solche Lösungen zu erkämpfen. Der Versuch jedoch, die AfD mit den tatsächlich Verantwortlichen für genau diese sozialen Probleme zu bekämpfen, ist zum Scheitern verurteilt.
Wenn man unserer Analyse folgt, dass Rassismus und Rechtspopulismus in Wirklichkeit nicht nur gegen eine Minderheit gerichtet ist, sondern gegen die große Mehrheit aller Lohnabhängigen und sozial Benachteiligten, dann sind die Gewerkschaften die Organisationen, die die größte Verantwortung tragen, den Rechten etwas entgegenzusetzen. Aber selbst, wenn man dieser Logik nicht folgt, sind sie wahrscheinlich die Organisationen mit den meisten MigrantInnen und Muslimen in ihren Reihen. Es gibt sehr viele aktive GewerkschafterInnen, die sich in ihren Betrieben und vor Ort gegen Rechts engagieren. Aber von den Gewerkschaftsführungen gibt es keine konzertierte Aktion, keine Aufklärungsoffensive in den Betrieben, keine Kampagne, keine breit angelegte Mobilisierung gegen Rassismus und Rechtspopulismus – außer der Allianz für Weltoffenheit, Solidarität, Demokratie und Rechtsstaat – gegen Intoleranz, Menschenfeindlichkeit und Gewalt, in der gemeinsam mit den Kirchen, Religionsgemeinschaften, Sport-, Kultur- und – ja, tatsächlich – Arbeitgeberverbänden moralisiert wird und die von diesen als Plattform genutzt werden kann, sich für Abschiebungen von MigrantInnen auszusprechen.
Kontraproduktiv
Solche Kampagnen sind aus unserer Sicht nicht nur wirkungslos, sondern kontraproduktiv, weil sie abschreckend auf all diejenigen ArbeiterInnen wirken müssen, die zurecht keinerlei Vertrauen in die VertreterInnen von Arbeitgeberverbänden und Kirchen haben. Ein Bündnis mit denjenigen, die Ausnahmen beim Mindestlohn für Geflüchtete fordern, muss sich notwendigerweise auf moralische Kritik an einem nicht näher definierten Rassismus beschränken, statt für wirkliche gleiche Rechte einzutreten. Während die Gewerkschaftsführungen in solchen Bündnissen ausstrahlen, dass sie Teil des elitären Establishments sind bzw. sein wollen und die bestehenden gesellschaftlichen Verhältnisse stabilisieren wollen, können sich Rechtspopulisten in Abgrenzung zu solchen Initiativen als »Stimme der kleinen Leute« präsentieren. Umso schlimmer sind solche Bündnisse aber, wenn sie sogar dazu genutzt werden können, die kapitalistische Spaltungspolitik des »DIE und WIR« zu verbreiten und letztlich nicht einmal für eine uneingeschränkte Solidarität mit allen von Rassismus (in diesem Fall: Abschiebungen) betroffenen MigrantInnen stehen.
Sinnvolle gewerkschaftliche Kampagnen, wie die durch das Symbol der gelben Hand bekannt gewordene Kampagne Mach‘ meinen Kumpel nicht an, die 1986 gegründet wurde1, sind mittlerweile zu in Vereinsmeierei institutionalisierten Bildungseinrichtungen geworden, die sinnvolle Bildungsarbeit machen mögen, aber keine dynamische Kampagnentätigkeit und Mobilisierungsfähigkeit in den Betrieben und Gewerkschaften entfalten und deren Politik durch die Nähe zu sozialdemokratischen PolitikerInnen geprägt ist.
AfD stoppen
Um die AfD zu stoppen, muss mehr getan werden, als gegen sie zu demonstrieren, wobei das zweifellos ein wichtiger Bestandteil beim Aufbau einer aktiven Gegenbewegung sein muss. Sie muss vor allem inhaltlich gestellt werden, sowohl muss ihr Rassismus offen gelegt und argumentativ beantwortet werden, aber sie muss auch als die unsoziale, arbeiterfeindliche, sexistische Unternehmerpartei entlarvt werden, die sie ist.
Dabei könnten die Gewerkschaften eine zentrale Rolle spielen. Stellen wir uns einmal vor, die DGB-Gewerkschaften würden eine gemeinsame bundesweite Kampagne in den Betrieben und Verwaltungen und in der Öffentlichkeit gegen AfD und Rassismus durchführen. Wie könnte eine solche Kampagne aussehen? Es könnten überall Informationsveranstaltungen und Schulungen für Betriebs- und Personalräte und gewerkschaftliche Vertrauensleute stattfinden, Betriebsversammlungen könnten zum Thema durchgeführt werden, betriebliche Aktionstage, bei denen millionenfach Flugblätter verteilt werden und Diskussionen mit KollegInnen geführt werden. Die Gewerkschaften könnten sich an die Spitze zur Bildung von antirassistischen Aktionsbündnissen stellen, welche den Kampf gegen Rassismus mit der sozialen Frage verbinden und zum gemeinsamen Kampf aller Betroffenen gegen soziale Verschlechterungen aufrufen. Bei den gewerkschaftlichen Mobilisierungen, Tarifrunden, Streiks etc. könnte die Notwendigkeit der Einheit der lohnabhängigen Klasse und damit die Notwendigkeit gegen Rassismus und Rechtspopulismus zu kämpfen thematisiert werden. Und warum war es eigentlich möglich nach dem RAF-Mord am Arbeitgeberpräsidenten Schleyer 1977 oder nach dem 11. September 2001 (wenn auch nur als Gedenkveranstaltung für fünf Minuten) Arbeitsniederlegungen durchzuführen, nicht aber nach der Aufdeckung der NSU-Mordserie?
Gemeinsam kämpfen
Eine solche Kampagne hätte zweifelsfrei das Potenzial, die gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zu verändern und AfD und Rassismus zurückzudrängen. Dies würde umso mehr gelten, wenn die Gewerkschaften nicht nur reagieren würden, sondern einen konsequenten Kampf für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse organisieren würden, statt in sozialpartnerschaftlicher Art und Weise Hüterin gesellschaftlicher Stabilität zu sein, in einem Kapitalismus der selbst die Stabilität auf Kosten der abhängig Beschäftigten untergräbt.
Im gemeinsamen Kampf für höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen, niedrigere Mieten etc. könnten nicht nur xenophobe Vorurteile überwunden werden, weil die Menschen zusammen kommen und real erfahren, dass sie gemeinsame Interessen als Lohnabhängige, MieterInnen, Erwerbslose etc. haben, für die sie sich gemeinsam einsetzen können. Der Kampf an sich, umso mehr wenn er Erfolge zeitigt, würde den RassistInnen und RechtspopulistInnen einen Teil ihrer sozialen Basis nehmen, die ja gerade darin besteht, dass die sozialen Probleme existieren, aber unbeantwortet bleiben. n