Bericht von der Veranstaltung bei den Sozialismustagen
Seit vielen Jahren unterlaufen große Unternehmen die Tarifbindung durch (Aus-)Gründung von Tochtergesellschaften. Auf den Sozialismustagen diskutierten Daniel Fechner (Streikaktivist, Vivantes Service GmbH*), Charlotte Rutz-Sperling (Gewerkschaftsaktive und Therapeutin bei Vivantes), Ronald Hamm (ver.di Vertrauensmann, Botanischer Garten Berlin*), Wolfgang Wendt (ver.di Vertrauensmann, BVG*) und Daniel Turek (Streikleitung CFM*) mit dem Publikum über die Möglichkeiten, die Interessen der Beschäftigten der Tochter- und Muttergesellschaften zu vereinen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Angelika Teweleit vom Netzwerk für eine kämpferische und demokratische ver.di.
von Vik Sersch, Berlin
Die Auswirkung der (Aus-)Gründungen wurde in den Eingangsstatements sehr eindrucksvoll geschildert: So kann es ebenso zwei Gärtner geben, die im selben Beet arbeiten und einer bekommt lediglich die Hälfte des Gehalts, wie es BusfahrerInnen geben kann, die krank die Arbeit antreten, da sie befürchten, ihr auf zwei Jahre befristeter Vertrag wird nicht verlängert. Krass ist auch die Vehemenz, mit der die Arbeitgeber Lohndumping zum Programm machen. Nach jahrelangen Kämpfen im Botanischen Garten wurde eine Angleichung des Entgeltes der Tochtergesellschaft der Freien Universität Berlins an den TV-L für das Jahr 2019 vereinbart – eine Angleichung deren Finanzierung übrigens vom Senat zugesagt wurde. Um dies zu umgehen, wurde jetzt mit der Fremdvergabe von Serviceleistungen an private Unternehmen wie zum Beispiel Gegenbauer begonnen.
Kämpfe politisch zuspitzen
Die gewerkschaftliche Arbeit in den Tochtergesellschaften ist durch viele Umstände erschwert. Ein Faktor sind zum Beispiel befristete Arbeitsverträge – entsprechend trauen sich manche KollegInnen kaum, gewerkschaftlich aufzufallen. Weiterhin ist es – wie am Beispiel der CFM deutlich wird – schwer Entgeltverhandlungen zu führen, wenn der Schwarze Peter abwechselnd von der Tochter- zur Muttergesellschaft wandert. Die CFM argumentiert, sie hätten nicht mehr Geld zu Verfügung, die Charité argumentiert, sie hätten keinen Einfluss auf den Tarifvertrag der CFM. Auch deshalb ist es nötig, diese Kämpfe politisch zuzuspitzen und den Druck auf den Senat zu erhöhen. Besonders deutlich wird dies auch bei dem Streikverbot gegenüber den KollegInnen der Vivantes Service GmbH. In ihrem letzten Streikaufruf stellten sie die Forderung nach Rekommunalisierung auf. Der Streik wurde ihnen daraufhin untersagt, da dies ein politischer Streik sei. Die KollegInnen sind zu Recht der Ansicht, das Streikrecht für den TvöD für alle und die Rückführung der Töchter zu verteidigen.
Gemeinsam kämpfen
Eine weitere Schwierigkeit ist die schiere Anzahl der Tochtergesellschaften – in jeder einzelnen müssen gewerkschaftliche Strukturen aufgebaut werden. Der Geist der Veranstaltung war, wie bereits in einigen Bereichen geschehen, mehr gemeinsame Aktionen durchzuführen und Streiks wenn möglich zeitlich zu synchronisieren. Einig waren wir uns in dem Ziel, die Interessen der einzelnen Beschäftigten möglichst gut zu vereinen, gemeinsame Treffen der verschiedenen Betriebsgruppen durchzuführen und das politische Bewusstsein für den gemeinsamen Kampf aller KollegInnen zu heben. Konkret wurde diskutiert, ob die Bildung gemeinsamer Tarifkommissionen in der jetzigen Situation durchführbar, Kämpfe tatsächlich vorantreiben und die Interessen des kleineren Teils der Belegschaft dann ausreichend vertreten werden können.
Dass Kämpfe erfolgreich sein können, bewiesen die zahlreichen Beispiele, die in der Diskussion gebracht wurden: Sei es die Aussetzung der Befristungen im Fahrdienst bei der BVG, die Entgeltangleichung im Botanischen Garten oder die von Dorit Hollasky aus Dresden berichtete Verhinderung der Umwandlung zweier Krankenhäuser in eine GmbH durch einen Bürgerentscheid.
* dient nur der Kenntlichmachung der Person