Wie soll DIE LINKE reagieren?
„Du willst unser Land gerechter machen und das mutlose ‚Weiter-So‘ beenden? Du bist bereit, unsere Demokratie zu verteidigen und für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu kämpfen?“ heißt es auf der SPD-Kampagnen-Website. Im dazugehörigen Wahlspot sagt Schulz: „Der mutige Kampf für Freiheit, für Gerechtigkeit und für Demokratie wird in Deutschland seit 150 Jahren symbolisiert durch diese drei Buchstaben SPD“. Wie soll DIE LINKE darauf reagieren?
Von René Henze, Rostock
Martin Schulz sucht vermehrt den Schulterschluss mit den Vorsitzenden der Gewerkschaften, trifft sich mit Betriebsräten von VW, Audi und MAN. Er redet davon, dass „Millionen von Menschen fühlen, dass es in diesem Staat nicht gerecht zugeht“ und „Unternehmensgewinne und Bonuszahlungen ebenso zugenommen haben wie die Zahl prekärer Arbeitsverhältnisse.“ Zu Schröders Agenda 2010 meint er, dass sei „die richtige Antwort auf eine Phase der Stagnation“ gewesen. „Aber wir haben auch Fehler gemacht,“ räumt Schulz im SPIEGEL ein: „Wir hätten gleichzeitig den Mindestlohn einführen und Superreiche stärker belasten müssen.“ (alle Zitate auf Spiegel-Online, 4.2.17)
Warum nicht schon jetzt?
Die SPD regiert seit sechzehn Jahren im Bund, in dreizehn von sechzehn Bundesländern, sowie in diversen Kommunen mit. Wenn Martin Schulz und die SPD es ernst meinen, könnten sie sofort die rot-rot-grüne Mehrheit im Bundestag nutzen, zum Beispiel zur Begrenzung der Leiharbeit, der Abschaffung von sachgrundlosen Befristungen oder um „Korrekturen“ (Schulz) an der Agenda 2010 umzusetzen.
Und selbst wenn die SPD-Initiativen noch so halbherzig wären, sofern es für ArbeitnehmerInnen, LeiharbeiterInnen, Wohnungssuchende oder Hartz-IV-EmpfängerInnen eine Verbesserung bedeutet, würde DIE LINKE solchen Vorstößen nicht nur zustimmen, sondern gleichzeitig weitergehende Vorschläge entwickeln.
Arbeitslosengeld Q
Martin Schulz kündigt zwar einige Korrekturen wie beim Bezug von Arbeitslosengeld an, aber insgesamt ist und bleibt die SPD eine im kapitalistischen System verhaftete Partei und Schulz einer ihrer Vertreter. Ein deutliches Beispiel wofür die SPD steht, ist ihre Zustimmung zur geplanten Teilprivatisierung der Autobahnen.
Betrachten wir uns Schulz‘ Vorschlag für ein Arbeitslosengelds Q (Q wie Qualifizierung) genauer: Ab sofort sollen jene, die sich an Qualifizierungsmaßnahmen beteiligen, für diese das neue Arbeitslosengeld Q beziehen. „Es wird in gleicher Höhe wie das Arbeitslosengeld I ausbezahlt – aber nicht auf dessen Bezug angerechnet. Arbeitslose, die nach der Qualifizierung keinen neuen Job finden, sollen dann wieder ALG I erhalten. Damit könnte ein Arbeitnehmer Ende 50 im Extremfall bei einer maximal 24-monatigen Qualifizierung noch mal 24 Monate ALG I erhalten.“ (Spiegel Online 06.03.2017).
Doch mit diesem Vorschlag ändert sich nichts Grundlegendes am Hartz-System. Hinzu kommt: Das Hartz IV System will Schulz (außer einer Erhöhung des Schonvermögens) nicht antasten. Nicht überraschend sagte er gegenüber der Rheinischen Post: „Bei den Sanktionen geht es ja nicht um Schikanen.“ Ihm zufolge gehe es darum, „dass sich selbstverständlich auch Bezieher von Hartz IV an bestimmte Spielregeln halten und etwa verabredete Gesprächstermine einhalten“. (n-tv 17. März) Soweit so dreist: Wenn es nach Schulz geht, bleibt Armut per Hartz IV-Gesetz bestehen.
Weg mit der Agenda 2010
DIE LINKE sollte auf die halbgaren Vorschläge mit ihrer Forderung nach der Rücknahme der Agenda 2010 und Hartz IV reagieren und daneben ihre Forderung nach einer sanktionsfreien Mindestsicherung von 1050 Euro in den Mittelpunkt des Wahlkampfes rücken. Unmittelbar sollte sie außerdem fordern, dass das ALG I im Falle eines arbeitgeberseitig bedingten Verlustes des Arbeitsplatzes unbefristet weiter gezahlt wird und die Hürden für den Erwerb des ALG I abgesenkt werden. Zudem sollte der Kündigungsschutz verbessert werden, indem die Vor-Agenda-2010-Regelung wieder in Kraft gesetzt wird.
Sahra Wagenknecht hat absolut Recht wenn sie nach der Wahl von Schulz schrieb: „Leider heißt 100 Prozent für Martin Schulz noch lange nicht 100 Prozent sozial. Denn zwar gab es bei der SPD auch heute wieder viele schöne Worte über soziale Gerechtigkeit. Aber klar wurde auch: An Lohndrückerei, Rentenkürzungen und Hartz IV soll sich nach den Plänen von Martin Schulz nicht allzu viel ändern. Auch die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer für Multimillionäre oder höhere Erbschaftssteuern scheinen für die SPD unverändert tabu zu sein. Das bleibt noch hinter dem SPD-Wahlprogramm von 2013 zurück. Und es stellt sich die Frage, wie ohne angemessene Besteuerung der Superreichen all die schönen (und richtigen!) Forderungen nach besserer Bildung und gebührenfreier Kita finanziert werden sollen.“
Das Problem ist jedoch, dass neben viel richtiger Kritik aus der LINKEN auch vermehrt Signale in Richtung Rot-Rot-Grün zu vernehmen sind. Was derzeit hängen bleibt sind nicht die Kritik und Zweifel an Schulz, sondern dass DIE LINKE gern mit Schulz zusammen zu bestimmten Bedingungen regieren würde.
Schulz ist fake news
Die Antikapitalistische Linke hat in ihrer Erklärung zum Bundestagswahlkampf völlig zu Recht geschrieben: „Wesentliche Aufgabe der LINKEN ist es, Menschen mit Hoffnung auf soziale Gerechtigkeit ein Angebot zur Selbstorganisation und dem Aufbau von Widerstand zu machen. Es ist nicht Aufgabe der LINKEN, die Illusionen in Schulz zu verstärken. Schulz ist fake news. Als Verteidiger der kapitalistischen Ordnung steht er für die Durchsetzung von CETA, hat die Erpressung der südeuropäischen Länder durch die Troika mit vorangetrieben und im Europaparlament als Parlamentspräsident vor allem im Interesse der dortigen Großen Koalition agiert. (…) DIE LINKE hat erstens die Aufgabe, Bewusstsein über die reale grausame Politik der SPD zu schaffen und DIE LINKE als einzige Alternative anzubieten. Zweitens sollte sie der Bevölkerung helfen, die SPD an ihren Taten zu messen und darauf hinzuweisen, dass manche Ankündigungen von Schulz bereits jetzt im Bundestag mehrheitlich beschlossen werden könnten. Dazu sollte DIE LINKE eigene Anträge einbringen.“
Es sollte jetzt auch darum gehen, das eigene soziale Profil zu schärfen und mit dem friedenspolitischem Profil der LINKEN im Wahlkampf zu punkten. Kitas statt Kanonen – Rente statt Rüstung!
René Henze ist Landessprecher der Antikapitalistischen Linken (AKL) Mecklenburg-Vorpommern und Mitglied des SAV Bundesvorstands.