Gegen staatliche Repression in Irland

„Jobstown not guilty!“

Kommenden April findet in Irland der wohl größte politische Prozess seit Jahrzehnten statt. Die 19 Angeklagten hatten im November 2014 an einem Protest im Arbeiterviertel Jobstown im Süd-Westen von Dublin teilgenommen, nun drohen ihnen lebenslange Haftstrafen.

von Daniela Weber, SAV Dortmund

Als Joan Burton, damalige Vorsitzende der Labour Party und stellvertretende Premierministerin, im November 2014 nach Jobstown kam, sprach sich ihre Anwesenheit schnell unter den AnwohnerInnen herum, was zu spontanem Protest führte.

Die Wut auf Labour ist insbesondere in Arbeitervierteln wie Jobstown enorm groß, da die Partei für massive Kürzungen verantwortlich ist, die viele dort an den Rand der Verzweiflung getrieben haben. Es kam zu einer friedlichen Sitzblockade, an der sich neben zahlreichen AnwohnerInnen auch Mitglieder der Socialist Party (Schwesterorganisation der SAV) und der Anti Austerity Alliance (AAA) beteiligten, wie etwa Paul Murphy, der die AAA im Parlament vertritt. Die Premierministerin wurde so für zwei Stunden in ihrem Auto blockiert und kam zu spät zu ihrem nächsten Termin.

Einschüchterung

Es folgte eine staatliche Einschüchterungs- und eine mediale Hetzkampagne, die das gesamte Viertel versuchte als gewalttätig und die Protestierenden als einen wütenden Mob darzustellen. Ein Abgeordneter der konservativen Fine Gael ging sogar soweit zu sagen, dass wenn man solche Proteste nicht im Keim ersticke, Irland sich bald in einer Situation wie im Nahen Osten mit dem (sogenannten) Islamischen Staat befinde.

Während zuvor vor Ort niemand in Gewahrsam kam, wurden einige Monate später teils noch minderjährige AktivistInnen in den frühen Morgenstunden und mit großem Polizeiaufgebot aus ihren Häusern geholt. Im April diesen Jahres beginnen die Prozesse gegen 19 TeilnehmerInnen des Protestes, die Vorwürfe variieren von Störung der öffentlichen Ordnung bis zu Freiheitsberaubung. Für eine Sitzblockade!

Establishment unter Druck

Die zunehmende Repression ist auch ein Ausdruck davon, in welcher Lage sich das kapitalistische Establishment befindet. Nicht nur Labour wurde von den WählerInnen abgestraft. Alle etablierten Parteien verlieren massiv an Zuspruch während Kräfte der radikalen Linken hinzugewinnen.

Besonders die AAA ist den Bürgerlichen dabei ein Dorn im Auge. So waren es die AAA und SP, die den Widerstand gegen die Einführung einer Wassergebühr maßgeblich nach vorne brachten, indem sie zum Boykott und zu Massenprotesten aufriefen und gleichzeitig als Stimme der Bewegung in das Parlament gewählt wurden. Es kam zu Demonstrationen mit Hunderttausenden von TeilnehmerInnen in Dublin und ganz Irland. Die Zahl derer, die ihre Wasserrechnungen nicht bezahlten stieg auf 73 Prozent und die die regierung musste die Gebühren daraufhin aussetzen.

Auch in anderen Bereichen haben die Menschen wieder neuen Mut geschöpft und fordern durch Streiks einen Teil vom Aufschwung ein, von dem die Regierung die ganze Zeit redet.

Protest wird kriminalisiert

In diesem Licht müssen auch die nun anstehenden Prozesse betrachtet werden. Sie sind Teil einer politischen Kampagne um den Widerstand der Arbeiterklasse zu unterdrücken und ihre Repräsentanten, wie Paul Murphy zu diffamieren.

Schon zuvor wurden fünf Protestierende zu einem Monat Gefängnis verurteilt, weil sie versucht hatten die Installation von Wasserzählern mit einer Blockade zu verhindern. Ein 17-jähriger, der zur Zeit des Protestes in Jobstown gerade einmal fünfzehn Jahre alt war, wurde wegen Freiheitsberaubung schuldig gesprochen und zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt, was einen gefährlichen Präzedenzfall geschaffen hat. Wenn die erwachsenen Angeklagten ebenfalls wegen Freiheitsberaubung schuldig gesprochen werden, drohen ihnen bis zu lebenslangen Haftstrafen. Paul Murphy würde außerdem seine Sitz im Parlament verlieren, wenn er für länger als sechs Monate verurteilt wird, was wohl auch erklärtes Ziel hinter der Kampagne ist. Ein weiteres ist die Einschüchterung von Menschen, die sich gegen die Angriffe der Regierung zu Wehr setzen, für bessere Arbeits- und Lebensbedingungen oder höhere Löhne kämpfen wollen.

Internationale Solidarität

Dieser Versuch der Einschüchterung von Menschen ihr Recht auf Protest wahrzunehmen stellt einen erheblichen Angriff auf demokratische Rechte dar. Er soll den Herrschenden in Zukunft helfen Ungleichheit leichter durchzusetzen. Kommt das in Irland durch, besteht die Gefahr, dass auch in anderen europäischen Ländern friedliche Sitzblockaden kriminalisiert werden. In Irland haben 19 der Angeklagten die Kampagne „Jobstown Not Guilty“ (Jobstown Nicht Schuldig) gestartet um sich dagegen zu wehren. Wir können sie dabei unterstützen! Liked die Facebook-Seite von Jobstown Not Guilty und schickt Protestbriefe gegen das Urteil und fordert, dass alle Vorwürfe fallen gelassen werden an: info@justice.ie

Zu den UnterstützerInnen der Kampagne gehören auch der französische linke Präsidentschaftskandidat Jean-Luv Mélenchon, DIE LINKE Neukölln und die Mitglieder des Vorstands der Europäischen Linkspartei Judith Benda und Claudia Haydt: