Für den gemeinsamen Kampf für Frauenrechte und gegen den Kapitalismus
„Sotsialisticheskaya Alternativa“, die SAV-Schwesterorganisation und CWI-Sektion in Russland, hat am 17. Januar an einer „individuellen Mahnwache“ vor der Staatsduma, dem russischen Parlament, teilgenommen. Anlass war die erste Lesung eines Gesetzentwurfs, der zur Folge hätte, dass häusliche Gewalt nicht mehr als Straftat verfolgt wird. Dagegen haben wir protestiert. Kurz nach Annahme dieses Gesetzes brach in den sozialen Medien ein Sturm der Entrüstung aus. Die „individuelle Mahnwache“, bei der es sich nach aktueller Rechtslage um die einzige noch verbliebene Protestform handelt, die keiner Genehmigung durch die Behörden bedarf, soll größeren Protesten den Weg bereiten.
Bericht von der Internetseite www.Socialist.news, die von „Sotsialisticheskaya Alternativa“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in Russland) betrieben wird
Unsere Aktivist*innen trugen Plakate mit der Aufschrift: „Das Gesetz hilft nicht gegen häusliche Gewalt – in allen Regionen muss es Krisenzentren geben“.
Am 28. Januar soll eine größere Protestaktion stattfinden, bei der alle feministischen Gruppen und Frauenrechtsorganisationen gemeinsam auf die Straße gehen wollten. Zunächst war der Protest für Februar angesetzt. Doch jetzt, da das Gesetzesvorhaben viel schneller als üblich auf den Weg gebracht wurde, wurden die Proteste vorverlegt. Normalerweise dauert es über einen Monat, bis es in der Duma zur zweiten Lesung einer Gesetzesvorlage kommt. Diesmal wurden jedoch nur drei Tage dafür festgelegt. Zum Zeitpunkt, da dieser Artikel geschrieben wird, lehnen die Behörden jedoch eine Genehmigung der Proteste ab. Sie behaupten, besorgt zu sein, dass zum Aktionstag „zu viele Menschen“ kommen könnten.
Jede Stunde – so lauten sogar die offiziellen Statistiken – stirbt in Russland eine Frau an den Folgen häuslicher Gewalt oder durch den Partner. Jeden Tag sterben im Schnitt sechs Kinder aufgrund derselben Ursache. Es ist nicht abwegig sich vorzustellen, dass jedem Todesfall auch Prügelattacken vorausgegangen sind. Dazu werden allerdings keine statistischen Daten erhoben. In dieser Situation, in der Frauen sowohl psychologisch als auch wirtschaftlich von ihren Peinigern abhängig sind, bringt es rein gar nichts, wenn die Opfer sich „einfach“ an die Polizei wenden. Üblicherweise ziert sich die Polizei, auch nur Aussagen zu solchen Fällen aufzunehmen. Hingegen wird in solchen Fällen oft gesagt, dass die Opfer „ihre Probleme zu Hause selbst in den Griff bekommen“ sollten. Die Straflosigkeit bei häuslicher Gewalt wird im Endeffekt dazu führen, dass die Opfer gar keine Möglichkeit mehr haben, ihre Peiniger zur Rechenschaft zu ziehen.
Bedauerlicherweise ist es so, dass auch gute Gesetze in einer solchen Situation in der Regel ohne Wirkung bleiben. Nötig wäre es hingegen, die Menschen vor regelmäßigen Gewaltattacken zu schützen. Dazu wäre ein Netzwerk von Kriseninterventionszentren in jeder Gemeinde hilfreich. Jede Person, die Opfer von häuslicher Gewalt geworden ist, sollte Gewissheit darüber haben, dass es Menschen in der Nähe gibt, die dazu in der Lage sind, unmittelbare Hilfe zu leisten. Kriseninterventionszentren sollten nicht nur professionelle psychologische Hilfe und Schutz anbieten sondern auch Wohnraum zur Verfügung stellen können, bei Rechtsfragen unterstützen, bei der Jobsuche behilflich sein und Umschulungsprogramme anbieten können. Viel zu häufig müssen Frauen diesen Alptraum der Gewalt aushalten, weil sie von ihrem Partner wirtschaftlich abhängig sind und keinen Ort finden, an dem sie leben, und keine Arbeit finden, von der sie unabhängig leben können.
Ein Programm, mit dem solche Kriseninterventionszentren etabliert werden können, sollte unverzüglich aus dem Staatshaushalt finanziert werden. Doch auch Krisenzentren – so nötig sie auch sind – sind „nur“ eine Notmaßnahme, mit der die Symptome und nicht die Ursachen bekämpft werden. Es ist nötig, das Problem direkt und in vollem Umfang anzugehen und gegen Sexismus und das Patriarchat in der kapitalistischen Gesellschaft zu kämpfen. Die Ungleichheit zwischen den Löhnen von Männern und Frauen, die dieselbe Arbeit verrichten, beläuft sich in Russland auf 30 Prozent. Selbst in der neuen IT-Branche nimmt die Lohn-Lücke immer schneller zu. „Männliche“ Berufe wie Bergbau oder LKW-Fahrer werden traditionell besser bezahlt als „weibliche“ Berufe (wie z.B. Krankenschwester oder Lehrerin). Wir sollten uns zusammentun, damit alle, die Monat für Monat gerade so über die Runden kommen, in einem Kampf für gleichen Lohn für gleiche Arbeit vereint werden.
Rechte Politiker*innen wenden ein, dass Frauen sich um Hausarbeit, Kindererziehung und Familie kümmern sollten. Das ist die Rechtfertigung dafür, den sozialen Bereich nicht finanzieren zu müssen. Wir brauchen kostenlose und angemessene Kindergärten, soziale Einrichtungen und qualitativ hochwertige sowie kostenlose Bildung und Gesundheitsversorgung.
Die rechten Politiker*innen vertiefen die Kluft zwischen Mann und Frau. Sie beziehen sich auf die alte und zutiefst reaktionäre Idee, wonach Frauen von Natur aus „passiv“ und Männer „aggressiv“ sind. In der Bildung ist der Sexismus heute zur bewussten Politik der reaktionären Bürokratie geworden.
Rechtsruck
Dass Präsident Putin das, was er „konservativen Traditionalismus“ nennt, für sich übernommen hat, hat dazu geführt, dass bei den ultra-rechten und klerikalen Kräften alle Hemmungen gefallen sind. Sie beherrschen in zunehmendem Maße die Politik der Regierung. Die neue Bildungsministerin, die vergangenen Sommer ernannt worden ist, wettert gegen die bolschewistische Revolution vom Oktober 1917. Demgegenüber ist sie Fan von Stalin und der russisch-orthodoxen Kirche. Sie sagt, dass die Kinder bei der Schulreinigung mithelfen sollten. Der Sieg von Donald Trump bei den Präsidentschaftswahlen in den USA erlaubt es Putin, noch weiter nach rechts zu rücken. Letzten Dezember hat der Parlamentsabgeordnete Mizulina, der maßgeblich für die Verabschiedung eines neuen homophoben Gesetzes verantwortlich ist, Putin aufgefordert, öffentlich zu erklären, dass auch er für die Entkriminalisierung von Gewalt ist. Putin antwortete, dass er gegen jede Einmischung in die Privatsphäre sei. Es kann nur Putin sein, der hinter der Entscheidung steht, diese reaktionäre und frauenfeindliche Gesetzesänderung in so schnellem Tempo durchzuziehen.
Der Kampf gegen die Entkriminalisierung von häuslicher Gewalt sollte der Beginn einer breiteren Bewegung von Frauen sein, die es ablehnen, in dieser Weise von Männern beherrscht zu werden. Gemeinsam und gewappnet mit einem Programm für einen radikalen Wandel der Gesellschaft im Interesse der Bevölkerungsmehrheit, der Frauen und Männer aus der Arbeiterklasse, können wir erfolgreich sein.
Nieder mit dem Patriarchat, nieder mit dem Kapitalismus!
Für Gleichberechtigung und eine gerechte Gesellschaft – Für eine demokratische sozialistische Gesellschaft!