Mit Steuermilliarden auf Abenteuer-Kurs gebracht
Die Wochenendausgabe (1./2. Oktober) der britischen Wirtschaftstageszeitung Financial Times widmete der Deutschen Bank knapp vier Seiten (Seiten 1, 10, 13 und 18). Man darf getrost davon ausgehen, dass die führenden Leute des Frankfurter Geldhauses gerne auf diese Ehre verzichtet hätten. Zumal es in den Artikeln darum ging, ob sich die Großbank aus eigener Kraft über Wasser halten könne. Beziehungsweise wann der deutsche Staat einspringen würde. Immerhin, so wird immer wieder kolportiert, habe die Deutsche Bank in der Finanzkrise ja großmütig darauf verzichtet, staatliche Hilfe anzunehmen. Stimmt nicht!
Ein Gastbeitrag von Winfried Wolf
In einem großen Teil der Kommentare in den deutschen Blättern wird als Ursache für die Krise der Deutschen Bank die 12-Milliarden-Euro-Forderung der US-Behörden gesehen, die die Bank für krumme Hypothekendeals aus der Zeit vor der Finanzkrise zahlen soll. Führende deutsche Politiker und das Blatt Welt am Sonntag (2.10.) erklärten die Bank-Krise mit einem „Wirtschaftskrieg“, den die USA gegen Europa und die Deutsche Bank führen würden. Das ist alles deutlich zu kurz gesprungen. Tatsächlich gibt es vielfältige Ursachen, die in einem LP21-blog nicht gebührend ausgeführt werden können.
Vor aber geht es nicht um eine kurzfristige Angelegenheit, sondern um einen Niedergang des stolzen Instituts, der nun fast ein Jahrzehnt währt: Ende der letzten Woche lag der Kurs der Deutsche Bank-Aktie für einen halben Tag unter 10 Euro. Er lag damit bei einem Zehntel des Werts, den das Papier 2006, vor der Finanzkrise, hatte. Er lag damit bei einem Drittel des Werts von 2013. Und er liegt auch heute noch bei weniger als der Hälfte des Werts, den das Papier vor einem Jahr hatte.
Ein derart langandauernder Verfall des Aktienkurses bei einer führenden Bank ist weltweit einmalig. Und das lässt tatsächlich schaudern. Wortwörtlich heißt es in der Welt am Sonntag: „Am Freitag [machten] Gerüchte über den Abzug einiger institutioneller Investoren aus den USA die Runde. Prompt keimte die Angst vor dem Lehman-Moment – jenem Punkt, an dem die Abwärtsspirale aus Gerüchten und Angst nicht mehr zu stoppen ist.“
Dieser Tage wird debattiert, ob die Deutsche Bank durch staatliche Hilfe gerettet werden muss, es habe bereits Gespräche zwischen Topvertretern der Bundesregierung und der Spitze der Deutschen Bank gegeben. Auch sei die Bundesregierung in den USA vorstellig geworden, um die US-Forderungen nach einer deftigen Strafzahlung der Deutschen Bank herunterzuhandeln. Und immer wieder wird betont, die Deutsche Bank habe ja 2008/2009, anders als die Commerzbank, keine staatliche Hilfe in Anspruch genommen. Damit wird im Grunde dafür geworben, dass man doch DIESER Bank die gleiche Hilfe angedeihen lassen müsse, die zuvor andere Instituten erhielten.
Tatsächlich erhielt die Deutsche Bank in den letzten acht Jahren mindestens 20 Milliarden Euro staatliche Hilfen – und dies aus drei Quellen – wie folgt zeitlich in umgekehrter Reihenfolge:
- Die Deutsche Bank hatte sich in Griechenland stark engagiert. Besser gesagt: Sie wollte an der griechischen Misere verdienen und vergab noch bis 2015 dort hohe Kredite. Das Institut hatte in dem Land noch Mitte 2015 2,7 Milliarden Euro an offenen Krediten. Der Betrag ist inzwischen drastisch reduziert worden – dank der Schulden-Umgruppierungen, die es in Griechenland inzwischen gab, so mit dem neuen, im Herbst 2015 unterzeichneten „Memorandum“. Damit wurden Steuergelder zur Rettung von Deutsche Bank-Krediten eingesetzt.
- Die Deutsche Bank erhielt US-Staatsgelder in Höhe von mehr als 10 Milliarden Euro als Ergebnis der Hilfe, die die US-Regierung an den US-Versicherer AIG im Jahr 2008 bezahlte. 90 Milliarden US-Dollar an Steuergeldern wurden damals an den damals weltweit größten Versicherer gezahlt, um die ins Wanken geratenen nordamerikanischen und europäischen Finanzinstitute zu stabilisieren. Von AIG flossen dann an deutsche Geldinstitute 16,7 Milliarden US-Dollar, allein an die Deutsche Bank 11,8 Mrd. US-Dollar oder rund 10 Milliarden Euro.
- Die Deutsche Bank hatte sich bei den Deutschen Skandalbanken IKB und HypoRealEstate in hohem Umfang engagiert (bei IKB z.B. mit 6,5 Milliarden Euro). Der deutsche Staat musste 2008 beide Banken mit Beträgen in Höhe von mehr als 100 Milliarden Euro retten bzw. deren Abwicklung finanzieren. Auf diese Weise wurden dann auch die Deutsche Bank-Kredite gerettet. Der Deutschen Bank gelang es sogar, als Chefabwickler bei HRE mit Axel Wieandt einen engen Vertrauten des damaligen Deutsche Bank-Chefs, Josef Ackermann, einzusetzen.
All das steht in deutlichem Widerspruch zur Behauptung, die Deutsche Bank habe sich aus eigener Kraft durch die Finanz- und Wirtschaftskrise gebracht. Es ist gerade die Deutsche Bank, die durch ihr extrem enges Verhältnis zur „Politik“ immer wieder mit massiver staatlicher Unterstützung vor einem Absturz bewahrt wurde. Oder auch: Die auf diese Weise zu einer nochmals abenteuerlicheren Politik ermuntert wurde.
Erinnert sei an den April 2008, als der Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann seinen sechzigsten Geburtstag feierte. Das Bundeskanzleramt war die Birthday-location. Teilnehmende waren drei Dutzend Top-Leute aus der europäischen Finanzwelt. Und es war Josef Ackermann, der anlässlich dieser Feier höchst süffisant deutlich machte, wer das Sagen hat – gerade auch im Kanzleramt. O-Ton-Ackermann später im ZDF: „Sie (Angela Merkel) hat mir damals gesagt, sie würde gerne etwas für mich tun. Ich solle doch einmal etwa 30 Freundinnen und Freunde einladen aus Deutschland und aus der Welt, mit denen ich gerne einen Abend zusammen sein würde im Kanzleramt. […] Und ich muss schon sagen: Es war ein wunderschöner Abend.“
Winfried Wolf ist marxistischer Ökonom und Herausgeber der Zeitschrift lunapark21. Dieser Artikel erschien zuerst auf lunapark21.net