Jenna Behrends, die CDU & Sexismus in der Gesellschaft
Drei Jahre nach der „Aufschrei-Debatte“ um Sexismus in der Gesellschaft wird in den Medien erneut darüber debattiert. Auslöser ist der öffentliche Brief der CDU-Politikerin Jenna Behrends in dem sie den innerparteilichen Sexismus anprangert.
Von Linda Fischer, Hamburg
Sie berichtet von Gerüchten über angebliche Affären, den Vorwurf zu ambitioniert zu sein oder „sich hochschlafen“ zu wollen, bis hin zu Frank Henkels Äußerung, sie sei eine „große süße Maus“. Nun könnte man zynisch behaupten, wer sich in der CDU über Sexismus empört, der kann sich genauso gut in der AfD über Rassismus aufregen. Sexismus gibt es aber nicht erst seit Entstehung der CDU und das Medienecho im Fall Behrends lässt erkennen, wie tief verwurzelt Sexismus in dieser Gesellschaft ist.
Sexismus-Skandal
Ein großer Teil der öffentlichen Debatte kreist um die Fragen ob Jenna Behrends lügt, ob sie den Skandal nutzen will, um ihre eigene Karriere zu befördern oder ob sie ihre „weiblichen Reize“ spielen lässt. Harald Martenstein schreibt im Berliner Tagesspiegel am 02.10.2016: „Sobald man der Sache das Label ‚Sexismus‘ aufkleben kann, springen viele drauf an wie Pawlow´sche Hunde, ein Gefühl von Verhältnismäßigkeit existiert nicht mehr. Da wird man schnell zum Star, genauer gesagt, zu einer neuen Art von Star, einem Opferstar. Dieser Versuchung konnte Frau Behrends wohl nicht widerstehen“.
Heuchlerisch agieren Medien und Politik, die größtenteils nur dann zu vermeintlichen Anti-Sexisten werden, wenn damit rassistische Vorurteile gefestigt werden (wie beim Burka-Verbot). Ansonsten herrschen Zweifel vor, wird dem Opfer Selbstinszenierung vorgeworfen und es wird diskutiert, ob es sich nun tatsächlich um Sexismus handele oder um harmlose Sprüche. Der eigentliche Skandal findet so gut wie keine Beachtung: Sexismus ist Alltag für Frauen – ob am Arbeitsplatz, in der Öffentlichkeit oder Zuhause. Es ist kein Zufall, dass Frauen Karrieregeilheit, „sich hochschlafen“ oder das Einsetzen weiblicher Reize vorgeworfen wird, Männern in der Regel aber nicht.
Was ist Sexismus?
Sexismus – die systematische Benachteiligung aufgrund von Geschlecht. – äußert sich auf vielfältige Weise: Im US-Präsidentschaftswahlkampf kandidiert Donald Trump, dem von mehreren Frauen vorgeworfen wird, sie in der Vergangenheit sexuell belästigt zu haben. Im Arbeitsleben stellen Frauen einen Anteil von 70 Prozent im Niedriglohn-Sektor.1 Frauen verdienen durchschnittlich 21 Prozent weniger als Männer. In Medien und Werbung werden Frauen zu Lustobjekten degradiert. Es wird vermittelt, „dass der Weg zur Selbstverwirklichung der Frau unvermeidlicherweise über die Perfektion ihres Körpers führt“ (Natasha Walter in „Living Dolls“).
Im eigenen Zuhause kümmern sich doppelt so viele Frauen wie Männer ums Kochen und die Kinder. 2 Der Unterschied zwischen unbezahlter Arbeit bei Männern und Frauen beträgt nach einer OECD-Studie mehr als hundert Minuten täglich. Alle drei Minuten wird eine Frau in Deutschland vergewaltigt und fast jede 7. Frau über 16 Jahre ist bereits Opfer von strafrechtlich relevanter, sexualisierter Gewalt geworden.
Sexismus – in wessen Interesse?
Geht es um den Kampf Männer gegen Frauen? Als SozialistInnen gehen wir davon aus, dass der männliche Teil der lohnabhängigen Bevölkerung kein objektives Interesse an der Benachteiligung von Frauen hat, auch wenn sexistische Vorurteile verankert sind. Männliche Arbeitnehmer erhalten jedoch keine höheren Löhne, weil Frauen im Durchschnitt weniger verdienen. Im Gegenteil: Die Lohndifferenz wird eher zur Angleichung der männlichen Löhne nach unten benutzt. Den Arbeitgebern und bürgerlichen Parteien nützt Sexismus hingegen: um Löhne zu drücken, um Haushalt und Pflegearbeiten etc. privat und kostenlos von Frauen verrichten zu lassen und um uns am gemeinsamen Kämpfen zu hindern. Das ist das Teile und Herrsche-Prinzip im Kapitalismus.
Damit ein gemeinsamer Kampf möglich ist, brauchen wir Strukturen, bei den Frauen motiviert sind und die Möglichkeit haben, sich aktiv einzubringen und mitzugestalten – ob in Bewegungen, in den Gewerkschaften oder der LINKEN. Das bedeutet zum Beispiel: Die Organisierung von Kinderbetreuung, die regelmäßige inhaltliche Schulung oder Kampagnenarbeit zur spezifischen Unterdrückung von Frauen, je nach Bedarf die Durchführung von Frauentreffen. Es ist wichtig, besondere Anstrengungen zu unternehmen, um Frauen für Führungspositionen zu gewinnen und auf den Treffen eine Stimmung zu schaffen, die es Frauen wie Männern ermöglicht an Diskussionen teilzuhaben. Sexistischen Bemerkungen oder Übergriffe dürfen nicht geduldet werden und es müssen Strukturen eingerichtet werden, die in solchen Fällen tätig werden. Um Sexismus erfolgreich bekämpfen zu können, reichen gute Strukturen aber nicht aus. SAV-Mitglieder setzen sich in der LINKEN, Gewerkschaften und sozialen Bewegungen für einen Kampf gegen jede Kürzung und für jede Verbesserung von Arbeitsbedingungen für Frauen und Männer, für Selbstbestimmungsrechte von Frauen und für eine Gesellschaft ein, in der niemand mehr ein Interesse an sexistischer Spaltung hat.
1 Vgl. Ver.di Online, URL: http://frauen.verdi.de/themen/tarifpolitik/mindestlohn
2 Zitiert nach: „Männer verrichten selten unbezahlte Arbeit“, Zeit online, 12.04.2011, URL: http://www.zeit.de/karriere/2011-04/studie-unbezahlte-arbeit