Der verkorkste Geburtstag der Dresdner Patrioten

PegidaProteste gegen PEGIDA

Seit zwei Jahren gehen in Dresden die rassistischen „Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes“, besser bekannt als PEGIDA, auf die Straße. Zwar sind die Zeiten von fünfstelligen Teilnehmerzahlen lange vorbei, dennoch folgen den Leitpersonen Bachmann und Däbritz noch immer etwa 3.000 Menschen jeden Montag und laufen hetzend durch die Innenstadt der Elbmetropole. Wie im letzten Jahr wollte PEGIDA den Jahrestag ihres Entstehens mit einer Großveranstaltung begehen und wie letztes Jahr haben wir, die Dresdner Ortsgruppe der SAV, uns an den Vorbereitungen der Gegenproteste beteiligt.

Und auch in diesem Jahr kann man den Protest gegen PEGIDA als Erfolg bezeichnen. Zunächst einmal verhinderten die zahleichen Anmeldungen am Montag, den 17.10., dass PEGIDA überhaupt einen Platz in der Innenstadt fanden, um zu demonstrieren oder eine Kundgebung abzuhalten. Sie mussten daher kurzfristig auf den Sonntag ausweichen. Auch an diesem Tag wurde die 6.500 bis 8.000 Menschen starke Rassisten-Ansammlung von leider zahlenmäßig sehr schwachen Gegenprotesten beteiligt. „Kaltland-Reisen“ aus Leipzig, die Gruppe „NOPE“, die jeden Montag die Proteste gegen PEGIDA organisiert und der Studierendenrat der HTW hatten aufgerufen dem rassistischen Mob etwas entegenzusetzen.

Tags darauf demonstrierte dann das Bündnis „Herz statt Hetze“ und versammelte auf dem Abschlusskundgebungsplatz verschiedenen Schätzungen zufolge zwischen 4.000 und 6.000 Menschen.

Das es nicht noch mehr wurden hatte nicht nur, aber eben leider auch, mit dem unbegreiflichen Verhalten der Dresdner LINKEN zu tun. Diese hatte kurzerhand entschieden ihre Mitglieder nicht zu diesen Protesten aufzurufen, sondern dem Aufruf des FDP-Bürgermeisters zum „Bürgerfest“ zu folgen. Dies sei nötig, da dort die frisch gebackenen LINKE-Oberbürgermeister vielleicht einen aktiven Part bekommen würden. Sei es wie es sei, der sächsische Landesverband der LINKEN stellte wenigstens seinen Vorsitzenden, Rico Gebhard, um bei der „Herz-statt-Hetze“-Demo zu sprechen. Zum Bürgerfest des Oberbürgermeisters, der seinerzeit im zweiten Wahlgang mit den Stimmen von PEGIDA gewählt worden war und sich davon bis heute nicht distanziert hat, kamen weit weniger Menschen als zu den von uns mit vorbereiteten Demos, nach Angaben der „Sächsischen Zeitung“ feierten mit der Stadtspitze etwa 3.000 Menschen. Zusammen übertrafen damit beide Veranstaltungen auch das PEGIDA-Ergebnis vom Vortag.

Auf der Abschlusskundgebung hat auch Dorit Hollasky, Vorsitzende der ver.di-Betriebsgruppe im Krankenhaus Dresden-Neustadt und Mitglied der SAV, gesprochen. Ihre Rede kam gut an, gerade bei den Forderungen nach Reichtumsumverteilung und sozialen Verbesserungen bekam sie viel Applaus. Ebenso wie bei der Bemerkung, dass die Parteien, die das OB-Bürgerfest organiserten (SPD, Grüne) unehrlich sind, wenn sie gegen Rassismus auf die Straße rufen und gleichzeitig rassistische Gesetze verabschieden.

Als Ergebnis bleibt zu sagen, dass DIE LINKE Dresden dringend ihren Kurs hin zu kämpferischer, sozialistischer Politik ändern sollte, wenn sie sich nicht überflüssig machen will.

 

Dokumentiert: Rede von Dorit Hollasky auf der Abschlusskundgebung von „Herz statt Hetze“

Hallo,

mein Name ist Dorit Hollasky, ich arbeite im Klinikum Dresden Neustadt und bin dort in der ver.di Betriebsgruppe, außerdem bin ich Mitglied der Linken und der SAV.

Ich bin heute hier, weil mir die Entwicklung in Dresden und überall im Land Angst macht. Fast täglich gibt es Meldungen von Übergriffen auf Flüchtlingsunterkünfte. Letzte Woche hat in Sebnitz eine Gruppe von Jugendlichen drei syrische Kinder gejagt und verprügelt, die waren 5, 8 und 11 Jahre alt. Aber ihr kennt die Fakten alle und seid aus denselben Gründen hier.

Trotzdem frage ich mich, warum es so schwierig ist, diesem Treiben etwas entgegen zu setzen, warum die seit 2 Jahren immer noch relativ unbehelligt marschieren können.

Und ich möchte heute hier vor allem auf einen Punkt hinaus: ich denke, dass wir unseren Protesten eine inhaltliche Ausrichtung geben müssen. Die soziale Frage muss in den Mittelpunkt gestellt werden. Wir überzeugen keine „besorgten Bürger“, wenn wir nur an Menschlichkeit, Toleranz und Mitgefühl appellieren.

Was Pegida, AfD und Co. geschafft haben, ist, die ganz realen sozialen Missstände zu benutzen für ihre rassistischen Argumentationen. Sie haben es geschafft, sogar die Gewerkschaften darzustellen, als wären wir auch ein Teil von „denen da oben“, vom Regierungseinheitsbrei, von denen, die die kleinen Leute verraten.

Es ist wahr, dass seit Jahren ein Sozialabbau in riesigem Maße stattfindet. Da wäre der Wobaverkauf zu nennen, der ein Riesenbetrug an der Bevölkerung war. Hartz IV ist Armut per Gesetz und von den Renten kann man kaum noch menschenwürdig leben.

Im Krankenhaus erlebe ich tagtäglich, wie Schwestern, Pfleger und Ärzte über die Stationen hetzen und nicht mehr können. Die Krankenhäuser werden zu Gesundheitsfabriken, wo das Personal wie am Fließband arbeiten muss. Ständig werden Schwestern und Pfleger aus dem Frei geholt, machen Überstunden und haben keine Zeit für die Pflege, wie sie sie gelernt haben. Jede dritte Pflegekraft denkt täglich darüber nach, den Beruf zu wechseln bzw. die Arbeitsstelle aufzugeben. Fast die Hälfte würde ihren Angehörigen nicht empfehlen, sich in der eigenen Einrichtung pflegen zu lassen. Und trotzdem funktioniert es immer wieder, wenn die Chefin anruft, weil alle Angst haben um ihren Arbeitsplatz und natürlich auch hier die Konkurrenz auf der Straße steht. Was wäre zu tun?

Ich bin überzeugt, wenn wir mit den Gewerkschaften (also hier Geborene und Zugewanderte) konsequent für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen würden, z.B. 35-Stunden-Woche für alle, natürlich mit vollem Lohnausgleich, einen Mindestlohn von 12 Euro, Rente ab 60 oder ab 55, dann könnte sich die Wut vieler Menschen vielleicht in neuen Mut und Aktionen umwandeln. Weil sie dann sehen, dass es ein Ziel gibt, für das es sich lohnt zu kämpfen.

Aus denselben Gründen möchte ich als Mitglied der Linken die Linke auffordern, konsequentere Politik zu machen. Wenn es uns nur noch darum geht, in die Regierung zu kommen, dann werden wir aus den Augen verlieren, wofür wir eigentlich angetreten sind, nämlich für eine Gesellschaft jenseits des Kapitalismus.

Denn in diesem Gesellschaftssystem wird es immer Kriege geben, damit verbunden Flucht, Verfolgung und Elend. Es wird immer Konkurrenz und Ausbeutung geben, und deshalb ungleich verteilten Reichtum. Die Angst, zu kurz zu kommen, ist schon verständlich. Aber die Schlussfolgerung sollte nicht sein, diejenigen zu bekämpfen, mit denen man eventuell teilen müsste. Stattdessen sollten wir für Umverteilung kämpfen.

Wenn wir Rassismus, Kriege und Neid bekämpfen wollen, müssen wir uns darum kümmern, dass der gesellschaftliche Reichtum gleich verteilt wird.

Geld ist für alle Menschen auf der Welt genug da. Nur 1 % der Weltbevölkerung besitzt mehr als alle anderen zusammen.

Und ehrlich, aus diesen Gründen, aus Gründen der Glaubwürdigkeit, bin ich viel lieber heute hier als beim Bürgerfest. Bestimmt sind dort auch sehr viele Menschen, die glaubhaft für ein weltoffenes Dresden eintreten. Aber die Initiatoren, die dieses Bürgerfest parallel zu unseren Demos organisiert haben, und die bei unseren Vorbereitungstreffen trotz Einladung nie dabei waren, sind für mich eben nicht 100%ig glaubwürdig. Auch weil sie Mitglieder in den Parteien sind, die die Abschottung von Deutschland und Europa mitbeschlossen haben, die für Asylrechtsverschärfung und Auslandseinsätze der Bundeswehr gestimmt haben und die die Umverteilung von unten nach oben kräftig mitbetreiben.

Aber ich will nicht Zwietracht säen, sondern wünsche mir, dass wir in Zukunft gemeinsam für Arbeitsplätze, bezahlbaren Wohnraum, bessere Bildung und gegen Sozialabbau kämpfen. Und damit PEGIDA den Boden entziehen. Das schaffen wir nur gemeinsam, Hiergeboren und Geflüchtete.