[aktualisierte Fassung des Artikels vom 23. Mai]
Rechtesextreme FPÖ gewinnt 2,2 Millionen Stimmen
Mit 31.026 Stimmen Vorsprung gewinnt zwar im zweiten Wahlgang der Allparteienkandidat Van der Bellen (Grüne) vor dem Rechtsextremen FPÖ-Kandidaten Hofer. Doch wenn bei einer Wahlbeteiligung von 71 Prozent knapp die Hälfte aller Stimmen allein auf den Kandidaten der Rechtsextremen gehen, dann ist das wahrlich kein Grund zur Entwarnung.
von Dorit Hollasky, Dresden
Im Gegenteil: 49,65 Prozent aller abgegebenen Stimmen – das sind 2,2 Millionen WählerInnen – für die rechtsextreme FPÖ sollten die Alarmglocken klingen lassen. Irgendwie ist es mit den Trumps, Hofers, Petrys und Bachmanns überall das Gleiche: man kann sich lange Zeit nicht vorstellen, dass sie mit ihren widersprüchlichen, platten und offen rassistischen Slogans wirklich Mehrheiten gewinnen können – und dann erreichen sie solche Erfolge. Wie schaffen sie das?
Vermeintliche Alternative?
Die Wahlkampfthemen und das Vorgehen von Hofer und der rechtspopulistischen FPÖ decken sich an erstaunlich vielen Punkten mit denen der AfD bei uns. Frauke Petry besuchte Norbert Hofer auch gleich zur Wahlparty. Beide Parteien sprechen gezielt die Schichten der Bevölkerung an, die unter der aktuellen Krise des Kapitalismus besonders leiden bzw. reale Angst vor Verschlechterungen haben.
Der Wiener Standard schreibt dazu: „Zu 70 Prozent für Hofer stimmten jene, deren Lebensstandard sich eher verschlechtert hat, das waren 18 Prozent der Befragten. Auch die subjektiven Zukunftsperspektiven der Hofer-Wähler sind eher düster. 69 Prozent jener, die sagen, dass sie ‚gezwungen sein werden, Abstriche zu machen‘ – das waren 42 Prozent der Befragten – wählten den FPÖ-Kandidaten.“ (derstandard.at, 24.5.16)
Die Rechtspopulisten haben es geschafft, sich als Alternative zu den bestehenden Sozialabbauparteien zu präsentieren. Sie stellen sich verbal auf die Seite der „kleinen Leute“. Sie werden von den Menschen gewählt, die unter ihrer Regierungspolitik leiden würden. Es scheint fast fraglich, ob die Menschen die Programme überhaupt gelesen haben, bevor sie zur Wahl gingen. Sozialabbau, Demokratieabbau und neoliberale Wirtschaftspolitik – das alles verpackt in Geschenkpapier mit Aufdrucken von strahlenden blonden und blauäugigen Familien, arbeitsliebend, bescheiden, christlich und patriotisch. Dass mit der Bekämpfung von Flüchtlingen keine einzige neue Wohnung gebaut wird, kein neuer Arbeitsplatz entsteht und die Löhne um keinen Cent steigen, wird verschwiegen. Die wirklichen Ursachen der sozialen Ungleichheiten werden nicht genannt – stattdessen werden die Flüchtlinge und Muslime dafür verantwortlich gemacht. Dass die Regierung ihre Flüchtlingspolitik zunehmend verschärfte, änderte nichts am Zulauf zur FPÖ (wie übrigens auch bei uns – trotz extrem verschärfter Flüchtlingspolitik von Merkel und Co. bekommt die AfD immer mehr Stimmen).
Richtige Alternative!
Bernd Rixinger von der LINKEN ist völlig zuzustimmen, wenn er nach der Wahl in Österreich sagt: „Man kann in Österreich erleben, was wir in Deutschland falsch machen können im Umgang mit einer rechtspopulistischen Partei.“
Was nötig wäre, um den Hofers, Trumps, Bachmanns und Höckes das Wasser abzugraben, ist eine wirkliche linke Alternative. Doch diese fehlt in Österreich. Der Konkurrent um das Präsidentenamt Van der Bellen stellte sich im Wahlkampf zwar als die Alternative zum Rechtsruck dar, wird aber selbst von der ZEIT als der „Kretschmann Österreichs“ betitelt.
Er positioniert sich nicht einmal eindeutig gegen TTIP und in Bezug auf die Flüchtlingsproblematik argumentiert er genauso wie die breite Grüne-bis-CDU-Masse in Deutschland: man solle den Geflüchteten mit Menschlichkeit und Toleranz begegnen. Nichts gegen Menschlichkeit und Toleranz – aber Menschen, die keine Wohnung finden, zu wenig Geld zum Überleben und keine Arbeit haben, können damit wenig anfangen. Es braucht eine soziale und konkrete Antwort, um ihnen zu zeigen, dass rechtspopulistisch zu wählen keine gute Alternative ist.
Wie es auch anders geht, zeigt sich zur Zeit im US-Wahlkampf von Bernie Sanders. Er spricht von einer „Revolution“ gegen die Wall Street und das Establishment und ist damit zu einem Bezugspunkt für Millionen Beschäftigte, Arme und Jugendliche geworden. Seine Auftritte füllen Stadien und der Applaus ist ihm sicher, wenn er die Gier der Mächtigen und Reichen geißelt und eine Umverteilung von Oben nach unten fordert. Sanders hätte die Chance mit dieser millionenfachen Unterstützung den Rechtspopulisten Trump etwas entgegenzusetzen – wenn er diese Kraft nutzt und eine linke, alternative Partei zu Trump und dem Establishment aufbaut.
Van der Bellen stoppt Rechte nicht
Die SLP (Schwesterorganisation der SAV in Österreich) rief im Wahlkampf zur Wahl von Van der Bellen auf, jedoch mit der realistischen Einschätzung: „weder steht der Faschismus mit einem Bundespräsidenten Hofer bevor noch wäre der Aufstieg des Rechtsextremismus durch einen Wahlsieg Van der Bellens gestoppt“. Die Wahl Van der Bellens hat den weiteren Aufstieg der FPÖ nur etwas verzögert, nicht aber gestoppt.
Stolz schreibt Hofer auf seiner Facebook-Site: „Bitte seid nicht verzagt. Der Einsatz für diesen Wahlkampf ist nicht verloren sondern eine Investition in die Zukunft.“ (23.5.16)
Die rechten Schläger, völkischen Burschenschaften und Bürgerwehren fühlen sich nach diesem Erfolg noch sicherer und gehen ungehemmter vor. Gegen MigrantInnen, Homosexuelle, Muslime, Linke, eben alle die nicht in das Bild passen. Hofer selbst steht zu seiner Mitgliedschaft bei der völkisch und großdeutsch eingestellten Burschenschaft Marko-Germania. Vielleicht war diese Wahl aber auch ein Warnschuss für die linke Bewegung: Es braucht dringend wirksame Proteste, und zwar sowohl gegen die FPÖ, PEGIDA, AfD und Co. als auch gegen die Regierungen und ihre Politik!
Weg mit Rentenkürzungen, Sozialabbau, prekären Arbeitsverhältnissen, Aufrüstung, Auslandseinsätzen – für Verstaatlichung der Banken und Konzerne, Umverteilung des Vermögens, Arbeitszeitverkürzung, umweltgerechte Produktion, demokratische Kontrolle aller politischen Entscheidungen – für eine sozialistische Zukunft!