Resolution des CWI-Weltkongresses vom Januar 2016
Es gab einen tiefgreifenden Wandel der Weltlage und den Weltbeziehungen seit dem letzten Kongress. Dies spiegelte sich wider in der anhaltenden Wirtschaftskrise, der Verschärfung von Spannungen zwischen den großen Weltmächten, Zusammenstößen und Kriege, der Beschleunigung der Klimakrise und der schlimmsten Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg, sowie starker Politisierung im Weltmaßstab. Der Ausbruch der Studierendenbewegung in Südafrika und die Erdrutsch-Wahlniederlage des Militärs in Myanmar sind Widerspiegelungen davon.
Der Zeitraum ist gekennzeichnet durch eine bedeutende Entwicklung des Klassenkampfes, insbesondere in Europa. Das zeigte sich in den heroischen und zähen Kämpfen der griechischen ArbeiterInnen – mit fast 40 Generalstreiks seit Anfang 2010 – gefolgt von den ArbeiterInnen von Spanien, Portugal. Ein Echo darauf gab es in wichtigen Ländern Nordeuropas, mit Streiks in Deutschland, Finnland und anderswo. Osteuropa sah den Sturz der rumänischen Regierung und viele andere wichtige Ereignisse.
Es war keine ruhige Periode; im Gegenteil, sie war durch scharfe Wechsel und plötzliche Wendungen in der Lage gekennzeichnet. Allein 2015 sahen wir Anfang des Jahres in Griechenland den historischen Wahlsieg von Syriza. Darauf folgte die großartige Ablehnung der Sparpolitik im Juli-Referendum mit 61 Prozent „Nein“-Stimmen und dann die Kapitulation der griechischen Regierung. Darauf folgte die Troika mit ihren Plänen für scheinbar endlose Armut für die griechischen Massen. Die rechtsgerichtete deutsche Magazin „Stern“ prahlte, die griechischen ArbeiterInnen würden „zerquetscht“.
Der krasse Verrat von Tsipras ist vergleichbar mit dem Ausverkauf der damaligen sozialdemokratischen Führer von 1914, der zum Abschlachten von Millionen im Ersten Weltkrieg führte. Im laufenden Klassenkrieg der Arbeitgeber gegen all die hart erkämpften Errungenschaften der griechischen ArbeiterInnen entschied sich Tsipras, auf der Seite der griechischen und internationalen Kapitalisten zu stehen. Millionen ArbeiterInnen werden in der brutalen Schule des Klassenkampfes geschult. Das unterstreicht die absolute Unfähigkeit aller Sorten des Reformismus, die Arbeiterklasse zu bewaffnen, um den Ansturm des Kapitalismus zu widerstehen und die Basis einer neuen sozialistischen Gesellschaft zu schaffen.
Ähnliche Bewegungen, wenn auch noch nicht im Ausmaß von Griechenland, haben in Spanien und Portugal stattgefunden. In letzterem gab es kürzlich die Wahl einer „linken“ Regierung, die von außen durch den Linksblock und die Kommunistische Partei unterstützt wird.
Die Arbeiterklassen auf europäischer Ebene beginnen, sich zu rühren. Die politische Lage in Deutschland verändert sich. Die Wirtschaft steht vor vielfältigen Problemen: die Auswirkungen der Verlangsamung in China sind bereits spürbar, das Flüchtlingsthema führte dazu dass die extreme Rechte ihre Muskeln spielen lässt. Das wiederum hat das Wachstum der antifaschistischen Bewegung provoziert, in die unsere Organisation erfolgreich eingegriffen hat.
Skandinavien ist ebenfalls betroffen, das sich in Europa bei der Einführung übler neoliberalen Maßnahmen an der Spitze befindet, bei der Privatisierung von Schulen, Angriffen auf den Lebensstandard und dem Untergraben von Errungenschaften der Vergangenheit. Es hat in mancher Hinsicht begonnen, sich der gleichen Art von sich verschlechternden sozialen Bedingungen wie Großbritannien zu nähern, ein Produkt des Zusammenbruchs der schwedischen und skandinavischen Modells.
Es hat quer durch die nordischen Ländern ein Wachstum der extremen Rechten gegeben. Die Anwendung der neoliberalen Politik und das Fehlen einer Alternative durch die Masse der Arbeiterorganisationen, ehemaligen Arbeiterparteien und neuen linken Allianzen schuf ein Vakuum, in das die extreme Rechte eindringen konnte. Diese Parteien sind nicht ein direktes Produkt der Anzahl der Flüchtlinge. Die rassistisch-populistische Finnen-Partei (vorher Wahre Finnen) wuchs in einer Zeit, in der Finnland sehr wenige Flüchtlinge aufnahm, ist aber jetzt in der Regierung und verliert Unterstützung. Im Jahr 2015 haben jedoch Rassisten den höchsten Zustrom von Flüchtlingen nach Schweden seit dem Zweiten Weltkrieg genutzt. Möglich wurde dies durch die Position der etablierten Parteien, die schließlich mehr oder weniger die Politik der rassistischen Parteien kopierten. Im Anschluss daran gab es eine Welle von extrem rechter Gewalt, einschließlich Brandanschläge auf mehr als 50 Flüchtlingszentren, und auch auf drei Gebäude in Göteborg, die von Mitgliedern von Rättvisepartiet Socialisterna (RS), der schwedischen Sektion des CWI bewohnt werden. Die Partei ist eine bekannte und bedeutende Organisation auf der Linken in der Stadt, die an vielen örtlichen Kampagnen für Wohnungsbau, gegen Kürzungen teilnimmt und prominente Teilnehmerin an antirassistischer Arbeit und Unterstützerin für den kurdischen Kampf ist.
In Großbritannien bedeutet die unerwartete Wahl von Jeremy Corby in die Führung der Labour-Partei den Beginn einer Zeit politischer Konvulsionen. Er hatte das beste Wahlergebnis aller britischen Parteichefs in der Geschichte, viel höher als Blair. Jedoch war dies ein spektakulärer Fall des Gesetzes der unbeabsichtigten Konsequenzen. Eine eifrig von den Rechten der Partei unterstützte Maßnahme zur weiteren Untergrabung der kollektiven Stimme der Gewerkschaften und der Linken, die Wahl des Vorsitzenden per E-Mail für den gleichen Preis wie ein Bier, wirkte sich spektakulär zu seinen Gunsten aus.
Seine Wahl war nur möglich wegen der bereits riesigen Anti-Kürzungs-Stimmung und mit ihr der Ablehnung der rechten Sozialdemokratie, die seit mindestens 20 Jahren in Großbritannien offenkundig war. Diese blieb ungenutzt aufgrund der Weigerung der Gewerkschaftsführer, mit ihr zu brechen und eine neue Massenpartei zu bilden. Die Kräfte um Corbyn stellen eine neue Partei im Aufbau dar.
Es ist jedoch nicht sicher, dass er in der Lage sein wird, diesen Sieg zu festigen – was nur durch den kühnen Appell an die Kräfte in der, aber vor allem außerhalb der Labour Party möglich wäre. Sie sind überwiegend jung und Feuer und Flamme, die Rechten zu besiegen. Corbyn ist zwar aufrichtig in seinem Wunsch, die Labour Party nach links zu drücken, handelt aber wie die Reformisten in anderen Ländern: Er zeigt Wunschdenken und die Weigerung, kühn seine Basis zu organisieren und zu mobilisieren, um die Rechten zu zerschlagen. Seine Unentschlossenheit reizt die Bourgeoisie und enttäuscht zur gleichen Zeit die politisch fortgeschrittenen ArbeiterInnen.
Es besteht ein Zustand des offenen Bürgerkriegs. Die Rechten tun nicht einmal so, als würden sie ihre Absichten, Corbyn zu ersetzen, verstecken und die Basis widersetzt sich dem heftig. Statt diesen unvermeidlichen Konflikt vorzubereiten, möchten die Kräfte um Corbyn die Rechten versöhnen und haben eine völlige Fokussierung auf die Wahlen. Doch jetzt ist die zentrale Frage in Großbritannien, wie die Kürzungen besiegt werden können und vor allem die der 20 Milliarden Pfund, die die Cameron-Osborne-Regierung beschlossen hat. Das ist übrigens die gleiche Summe wie sie zur Rettung der zusammengebrochenen Bank, Lloyds/HboS, verwendet wurde.
Dies ist ein neues Kapitel für die Organisation in England und Wales, weil es die politische Blockade durchbrochen und Fragen aufgewirbelt hat, die davor nicht breit diskutiert, sondern in den Hintergrund gedrängt wurden. Das bietet eine günstige Gelegenheit für den Marxismus, sein Programm zu erläutern und neue Kräfte zu gewinnen.
Einige der Sekten haben versucht, die Lage zu nutzen, um unsere angeblichen „Fehler“, die das CWI angeblich beim der Labour-Partei-Frage in der Zeit der Spaltung 1991 gemacht habe, anzugreifen. Wir haben Material hergestellt, dass die Entwicklung unserer Ideen skizziert. Wir haben 2002 den Punkt gemacht, dass, wenn die Gewerkschaftsführer nicht den Schritt tun, eine neue Massenpartei zu schaffen, es nicht ausgeschlossen werden könne, dass eine neue Partei innerhalb oder im Umfeld der Labour Party entstehen könne und wir bereit wären, darauf zu orientieren. Das haben wir erfolgreich getan.
Weltwirtschaft
Die Weltwirtschaft hat es nachweislich nicht geschafft, sich in vollem Umfang von den verheerenden Auswirkungen der Krise 2007-08 zu erholen. Die Stagnation hat zwar nicht ganz das Ausmaß der 1930er Jahre, dauert aber länger und hat weniger Aussicht auf sofortige, dramatische Verbesserung. Tatsächlich taucht die „nächste Rezession“ am Horizont auf. Der Börsenkrach in China im Juli war das Wetterleuchten des kommenden wirtschaftlichen Sturms.
Europa hat die angesammelten Probleme nicht gelöst. Es kriecht wirtschaftlich nur vorwärts, mit mageren 0,3 Prozent Wachstum in der Eurozone im dritten Quartal 2015. Die „Erholung“ in den USA ist zwar sehr beeindruckend auf der Oberfläche – vor allem mit den jüngsten Verbesserungen bei der Beschäftigung –, hat aber die aus der Krise geerbten Probleme nicht gelöst, sondern vertieft.
Eine große Klassenpolarisierung hat sich in den USA entwickelt. Sie wurde symbolisiert durch den Sieg von Kshama Sawant und Socialist Alternative in Seattle, die politisch mit dem CWI sympathisieren. Dies wiederum hat eine wichtige Rolle gespielt bei der Schaffung der Grundlagen für die bundesweite Bernie-Sanders-Präsidentschaftswahlkampagne, zusammen mit der Wut an der Basis der Demokratischen Partei auf die kapitalistische Führung.
Seine Anti-Konzern-, Anti-Big-Business-Botschaft fand eine breite Resonanz unter den ArbeiterInnen. Sie erreichte bedeutende Teile der Gewerkschaften, aber auch zunehmend verarmte entfremdete Teile der jungen Menschen und der Mittelschicht.
Unsere Aufgabe in den USA ist es, die in dieser Kampagne sichtbaren Klassenmerkmale weiter zu schärfen und zu entwickeln bis zu dem Punkt, wo wesentliche Teile seiner UnterstützerInnen – wenn Sanders die Nominierung der Demokratischen Partei verliert – die Schlussfolgerung ziehen werden, mit ihr zu brechen und den Boden zu bereiten für eine neue radikale linke Massenpartei.
Wenn eine solche Initiative unternommen wird, so wird sie ein großes Echo finden und sich darüber hinaus mit amerikanischer Geschwindigkeit entwickeln, um eine wichtige Kraft in der immer noch weltweit stärksten kapitalistischen Macht zu werden. Obwohl die USA weniger als 5% der Weltbevölkerung haben, haben sie immer noch einen Anteil von 22 Prozent der globalen Wirtschaft. Die angestaute Unzufriedenheit, die durch stagnierende Einkommen angeheizt wird, kann den rund um Socialist Alternative versammelten Kräfte des Marxismus Chancen bieten, spektakulär an Zahl und Einfluss zu wachsen. Dies wiederum kann erhebliche Kräfte anderswo anziehen, vor allem in Mittel- und Südamerika, nicht zu vergessen, Kanada, das mit der Wahl der Liberalen Partei, die zumindest in Worten „gegen Kürzungspolitik“ ist, in eine neue und potentiell radikale Phase eingetreten ist.
In der Zeit nach der Krise spielte China eine entscheidende Rolle als eine Art „Mini-Atlas“, der die angeschlagene Weltwirtschaft auf seinen Schultern trug. Ihre wirtschaftlichen Auswirkungen waren überall zu spüren, aber das galt vor allem für die Länder der neokolonialen Welt, die einen sogenannten Rohstoff-„Superzyklus“ erlebten. Ihre Produkte nährten den gefräßigen Turbo-Appetit der chinesischen Industrie.
Dies wiederum spiegelte sich in dem erstaunlichen Gesamtwachstum in Chinas Wirtschaft um 78 Prozent seit 2007 wider, während die USA nur 8 Prozent in der Vergleichsperiode wachsen konnte. Der Vergleich mit der Leistung des britischen Kapitalismus ist noch trostloser. 2005 war die britische Wirtschaft nur etwas größer als China. Nun ist China dreimal größer als der marode britische Kapitalismus!
Die Beibehaltung eines bedeutenden Staatssektors erlaubte der chinesischen Elite – einem „staatskapitalistischen Regimes mit einzigartigen Eigenschaften“, in Verbindung mit seiner wirtschaftlichen Größe und Gewicht – direkt in nie gekanntem Ausmaß zu intervenieren.
Natürlich hat dies auf Kosten eines riesigen, untragbaren Schuldenberges stattgefunden, der geholfen hat, China aus einem „Retter“ des Weltkapitalismus in eine große Bedrohung zu verwandeln. Die neokoloniale Welt, die als „aufstrebende Märkte“ und die große Hoffnung für den Weltkapitalismus tituliert werden, wurde zum „untertauchenden“ Markt. Sie haben massive Umwälzungen als direkte Wirkung von Chinas wirtschaftlichen Mühen erlebt, die in Verbindung mit dem drastischen Rückgang der Ölpreise schwerwiegende Folgen für ganze Kontinente und viele Länder beträchtlicher Größe hatte: Brasilien, Nigeria, Südafrika und Angola.
Ghana entdeckte Öl erst 2007 und begann die Förderung 2010. Es hatte als Ergebnis saftige Staatseinnahmen erwartet und gab folglich große Konzessionen, erhöhte Gehälter für Beamte, Subventionen, etc. Jetzt, wo die Ölpreise im vergangenen Jahr im Durchschnitt um 40 Prozent gefallen sind (und sie könnten noch viel auf bis zu 20 Dollar pro Barrel fallen), gibt es viele Rohstoffproduzenten in Afrika und anderswo, die jetzt den „Gürtel enger schnallen“ müssen, vor allem für die Massen, nicht die Elite.
In Nigeria hat eine Kombination von sinkenden Ölpreisen und Korruption dazu geführt, dass eine große Zahl von Beschäftigten im Öffentlichen Dienst und RentnerInnen nicht bezahlt werden. Die neue Buhari-Regierung zögert mit der Umsetzung von Kürzungsmaßnahmen aus Angst, die Arbeiterklasse und die Armen zu provozieren; der letzte Versuch, die Kraftstoffpreise im Januar 2012 anzuheben scheiterte angesichts der größten Massenproteste und des größten Generalstreiks, die Nigeria je gesehen hat.
Asien
Zusammen mit dem Rückgang der Ölpreise sind die politischen Auswirkungen in Asien eine der Folgen des weltweiten (und insbesondere chinesischen) Konjunkturabschwungs. Das Schicksal von vielen der Länder in der Region ist mit China verbunden, das heißt jetzt mit der Aussicht auf wirtschaftliche Stagnation und politische Erschütterungen. Dies wiederum hat große politische Auswirkungen und Chancen für unsere Sektionen in Australien – das 23 Jahre Boom erlebt hat, die jetzt zumindest Stillstand gekommen sind – und Malaysia, das bereits in Regierungs-Korruptionsskandale verstrickt und jetzt mit einer neuen Runde des Klassenkampfes konfrontiert ist.
Indien
Die Modi-Regierung in Indien, die sich angeblich auf absehbare Zeit an der Macht fest eingenistet hatte – auch wenn wir mit Recht darauf hinwiesen, dass sie bei den Parlamentswahlen nur 25 Prozent der Wählerstimmen erhielt –, wurde vor kurzem von schweren Wahlrückschlägen erschüttert, wie zum Beispiel in Bihar.
Trotz dem viel kommentierten Wirtschaftswachstum bleibt Indien die Heimat der meisten der ärmsten Menschen der Welt. Über 80 Prozent der Bevölkerung wird als mit geringem Einkommen oder arm eingestuft. Es wird der wachsenden Zahl von ArbeiterInnen und Armen immer deutlicher, dass die Modi-Regierung die Interessen der großen Konzerne und Superreichen vertritt.
Der jüngste Regierungsversuch, das Arbeits- und Bodenrecht zu „reformieren“ stieß auf heftige Opposition. Die Unzufriedenheit mit der Modi-Regierung wächst, vor allem bei den städtischen ArbeiterInnen. Dies enthüllte die massive Beteiligung von 150 Millionen ArbeiterInnen am Generalstreik in diesem Jahr, der die Erwartungen der OrganisatorInnen übertraf. Dieser Streik und zahlreiche andere Kämpfe, die im ganzen Land stattfinden, haben die bestehende Stimmung für Gegenwehr gezeigt. Die Entwicklung eines verallgemeinerten Kampf gegen die Kapitalisten und Großgrundbesitzer wird nur durch den Mangel an Führung und Organisationen zurückgehalten, die den Wunsch nach Kampf zum Ausdruck bringen und entsprechend handeln könnte.
Weder eine klare Perspektive noch ein Programm zur Mobilisierung einer Massenbewegung wird von den sogenannten marxistischen Parteien, wie die Kommunistische Partei Indiens (MarxistInnen) und den mit der Partei verbundenen GewerkschaftsführerInnen vertreten. Abrupte Revolten in den ländlichen Gebieten sollten mit der entstehenden Unzufriedenheit unter den ArbeiterInnen in den Städten verbunden werden. Solche Proteste eröffnen Chancen für das schnelle Wachstum der Ideen des CWI unter kämpferischen ArbeiterInnen.
Sri Lanka
Die Konkurrenz um Einfluss zwischen dem Westen und China in der südasiatischen Region verschärft sich. Dies spiegelt sich teilweise in Sri Lanka wider, wo die USA eine beispiellose Anzahl von Staatsbesuchen gemacht haben, um die politische Wende, die 2015 stattgefunden hat, für sich auszunutzen. Bei den Januar-Präsidentschaftswahlen 2015 wurde die Macht des pro-chinesischen Präsidenten Mahinda Rajapakse und seiner Familie gebrochen, als sich enorme Unzufriedenheit aufgrund der Vetternwirtschaft, Korruption und Verschlechterung der Bedingungen für die ArbeiterInnen und armen BäuerInnen entwickelte. Die tamilischen und muslimischen Minderheiten, die mit fortgesetzter Unterdrückung konfrontiert waren, halfen, den berüchtigten Kriegstreiber-Präsidenten zu stürzen. Der Sieg der pro-westlichen traditionellen bürgerlichen United National Party (Vereinigten Nationalpartei, UNP) bei den Parlamentswahlen markiert eine zweite Niederlage für Mahinda, eine weitere Schwächung seiner AnhängerInnen und die Eröffnung eines Zugangs für den Westen.
Mit dem Sturz des diktatorischen Präsidenten und dem populistischen Programm, das der neue Präsident zunächst vertrat, um Stimmen zu gewinnen, wurden große Hoffnungen und Erwartungen bei der Mehrheit der Bevölkerung geschaffen. Die derzeitige so genannte „nationale Regierung“ – gebildet von der UNP, die einen Teil der SLFP im Umfeld des Präsidenten einbezieht – versucht, diese Stimmung zu nutzen zum Voranzutreiben ihrer neoliberalen Politik, wie zum Beispiel der Änderung der Arbeitsgesetze, Rentenreformen und vieles mehr, die in den jüngsten Haushaltsvorschlägen umrissen wurden. Die UNP-geführte Veränderung der Wirtschaftspolitik reduzierte 2015 das Wirtschaftswachstum auf unter 5 Prozent, weil viele chinesisch geführte Entwicklungsprojekte gestoppt wurden. Die Verlangsamung der indischen und chinesischen Volkswirtschaften wird ebenfalls Auswirkungen haben.
Diese Änderung schuf auch eine frische kämpferische Stimmung, die sich in der Anzahl von Gewerkschaften widerspiegelt, die sich vornehmen, Streiks und Proteste zu organisieren. Jüngste Studierendenproteste haben die kämpferische Stimmung gezeigt, die an der Basis vorhanden ist. Die nationale Frage ist auch wieder auf der Tagesordnung, weil sich die auf TamilInnen stützende rechte Partei TNA und die sich auf die MuslimInnen stützenden Parteien zu Recht zunehmend als Kollaborateure und echte Verbündete der arbeiterfeindlichen UNP-Regierung gesehen werden.
Die TNA wird nicht in der Lage sein, ihre Versprechen an die tamilischen Massen zu erfüllen, sei es die Untersuchung der Kriegsverbrechen, verbesserte Lebensbedingungen oder eine akzeptable politische Lösung, die ihre nationalen Bestrebungen befriedigen kann. Es gab einen eintägigen Hartal [Generalstreik unter Einbeziehung der KleinbürgerInnen, die ihre Geschäfte schließen] im Norden und Osten des Landes zur Unterstützung eines Hungerstreiks politischer Gefangener, der auf den Selbstmord eines jungen Tamilen folgte, der die Freilassung aller politischen Gefangenen forderte. Dies sind bedeutende Ereignisse, die seit dem Ende des Krieges 2009 stattgefunden haben.
Unter diesen Umständen kann die von der United Socialist Party, der Sektion des CWI in Sri Lanka, aufgestellte Hauptforderung eines vereinten Kampfes der Gewerkschaften, zusammen mit anderen demokratischen Forderungen, einschließlich des Angehens der nationalen Bestrebungen der TamilInnen, ein enormes Echo haben und neue Möglichkeiten für das Wachstum unserer Sektion schaffen.
Pakistan
Pakistan ist von entscheidender geopolitischer Bedeutung. Die Massen in Pakistan stehen vor einer schrecklichen Lage, mit dem Wachstum von religiöser Intoleranz, rechtem politischen Islam und wirtschaftlichem Elend: Kapitalismus, Feudalismus und Sklaverei existieren alle nebeneinander. Die Machtübernahme von Nawaz Sharif und der PML-N stellte trotz der bleibenden verheerenden wirtschaftlichen und sozialen Lage eine Veränderung dar.
Auf der einen Seite hat sie versucht, eine Reihe von Infrastrukturinvestition zu tätigen, an denen chinesische Investitionen beteiligt waren. Die jüngste davon ist der Bau eines Wirtschaftskorridors, der Kashgar in China mit dem pakistanischen Hafen Gwadar verbindet. Diese Entwicklungen haben zwar in keiner Weise die bittere Armut auf dem Rücken der Massen gemildert, stellen aber eine wesentliche Änderung dar.
Zur gleichen Zeit hat das Militär eine Offensive gegen die bewaffneten militanten religiösen Gruppen begonnen. Dies spiegelt eine gewisse Veränderung in der Armee mit der Machtübernahme eines neuen Stabschefs wider. Die Armee hat es geschafft, die bewaffneten Gruppen zurückzudrängen, damit die Lage nicht außer Kontrolle gerät. Sie haben in bonapartistischem Stil gehandelt – Maßnahmen gegen jene Gruppen ergriffen, die sie förmlich unterstützen – offiziell oder inoffiziell. Während die bewaffneten Gruppen zurückgeschlagen wurden, ist zugleich auch das religiöse Gefühl gewachsen.
Dies hat jedoch enorm das öffentliche Ansehen der Armee gesteigert, die effektiv hinter einem Feigenblatt der parlamentarischen Demokratie das Land regiert. Politisch gab es einen Zusammenbruch des PPP im Punjab und sogar der PTI von Imran Khan. Die einzige Partei der herrschenden Klasse, die voll funktioniert, ist die PLM-N.
Diese Lage kann nicht lange dauern, Allerdings ist es eine Gelegenheit für unsere Kräfte, Arbeit zu machen, die in der letzten Zeit nicht möglich gewesen ist.
Hongkong
Ferner werden sich in einigen Ländern in der Region mit der geänderten und verschlechterten wirtschaftlichen Lage neue Chancen für das CWI ergeben. Die „Regenschirmbewegung“ in Hongkong 2014 war der größte Protest gegen die chinesische Diktatur seit dem Aufstand auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Gleichzeitig zeigte diese Bewegung die Beschränkung des Programms und der Strategie der bürgerliche DemokratInnen und das verwirrte und widersprüchliche Bewusstsein, das sie hervorbrachten. Bei den ersten Wahlen danach verloren die Regierungsparteien, oft an junge KandidatInnen, die an diesen Ereignissen teilgenommen hatten. Die CWI-Kandidatin bekam ein großartiges Drittel der Stimmen in ihrem Wahlkreis. Das zeigt das enorme Potenzial dafür, dass energetische und klar sozialistische Kampagnen Resonanz bekommen.
Myanmar
Die kolossale Wahlniederlage des Militärs bei den letzten Parlamentswahlen in Myanmar ist Symbol für die gesamte Region, mit steigender Unzufriedenheit in der Bevölkerung gegen die Überreste des alten Regimes der Generäle, die völlig unfähig zur Lösung der Probleme der Massen sind. Nach ihnen hat das Militär immer noch die Kontrolle über die Staatsmaschinerie inne und hat ein effektives Veto gegenüber der neuen Regierung. Dies ist die erste Phase der Bewegung. Der Ausbruch neuer Kämpfe ist unausweichlich. Jede neue Regierung, die das Militär zu versöhnen versucht, wird scheitern. Die ArbeiterInnen und Jugendlichen des Landes haben stolze Kampftraditionen, denen sie folgen können, wie dem Massenaufstand des Jahres 1988, der mehr als fünf Wochen dauerte, bevor er in Blut ertränkt wurde.
Australien und Neuseeland
Die vollen Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise mögen in Australien noch nicht zu spüren sein, aber wichtige Veränderungen beginnen stattzufinden. Australiens Wirtschaft wurde gestützt von einem Boom im Bergbau, den hohen Rohstoffpreisen und dem Export von Rohstoffen nach China. Das langsamere Wachstum in China und seine Auswirkungen haben die konservative Regierung dazu getrieben, Kürzungen umzusetzen. Die Unbeliebtheit dieser Maßnahmen hat sich in der Krise der großen Parteien widergespiegelt. Tony Abbott, 2013 zum Premierminister gewählt, wurde 2015 kurzerhand von seinem liberalen Parteikollegen Malcolm Turnbull rausgeschmissen. Die Flitterwochen dieser neuen Regierung gehen bereits dem Ende zu. Seine größte Stärke ist die Unfähigkeit der Labour-Party-Opposition. Trotz der Unbeliebtheit der Regierung Turnbull könnte das Fehlen einer Alternative von Labour dazu führen, dass die liberal-nationale Koalition als die am wenigsten schlechte Option gesehen wird und die nächste Wahl gewinnt.
Neuseeland wurde in ähnlicher Weise durch Chinas sich verlangsamende Wirtschaft und fallende Rohstoffpreise getroffen. Die Milchindustrie, die 30 Prozent der neuseeländischen Wirtschaft ausmacht, ist besonders stark betroffen. Wie in Australien taumelt die oppositionelle Labour Partei und ein massives Vakuum hat sich für eine unabhängige politische Partei und Alternative der Arbeiterklasse geöffnet.
China und die Weltwirtschaft
Mit der Wirtschaftsabschwächung in China sagt jetzt die OECD, dass die Weltwirtschaft 2015 um 2,9 Prozent wachsen und unter die 3-Prozent-Marke rutschen wird, die oft verwendet wird, um eine globale „Wachstumsrezession“ zu klassifizieren. Das ist das optimistischste Szenario für den Weltkapitalismus. Die Senkung der Schätzungen für das Wachstum liegt vor allem an einem starken Rückgang der chinesischen Importe, die bisher aus der ganzen Welt angesaugt wurden.
Nicht gering sind die politischen Auswirkungen der Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft im Inneren, das nun wahrscheinlich auf einem „Wachstumspfad“ von weniger als 5 Prozent ist. Die chinesischen verarbeitenden und sonstigen Industrien tragen immer noch 30 Prozent des chinesischen BIP bei. Aber große Fabriken haben Arbeitskräfte in den letzten zwei Jahren abgebaut und „Arbeitskosten“ – Löhne – sinken, was zusammen mit der Einführung neuer Technologien und Robotik insbesondere in chinesischen Fabriken zu einem deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit führen könnte. Nicht zuletzt steigt die Ungleichheit.
China hat unglaublicherweise die USA in der „Reichenliste“ der Milliardäre überholt. Wie in der Vergangenheit kann dies wiederum die Stimmung der Unzufriedenheit der chinesischen Massen fördern. Es gibt andere Faktoren, die zu einer deutlichen Abschwächung der chinesischen Wirtschaft beitragen können. Es ist der demographische Faktor mit der Aussicht auf einen großen Rückgang der chinesischen Bevölkerung – verstärkt durch die Ein-Kind-Politik in der Vergangenheit, die nun durch das Regime fallen gelassen worden ist. Es gibt massive Überinvestitionen mit lähmenden Überkapazitäten – Geistereinkaufszentren – ohne Absatzmöglichkeiten jetzt für chinesische Waren angesichts des Umfangs der dauerhaften Wirtschaftskrise in allen Ecken der Welt. Das chinesische Regime streift auf der Suche nach neuen Investitionsfeldern in der Welt herum. Es schaut gierig nach Zentralasien und redet viel von einer neuen wirtschaftlichen „Seidenstraße“, konzentriert auf Länder wie Kasachstan.
Letzteres steht selbst mit dem Verlust von Öleinnahmen vor einer viel größeren Krise als in der Vergangenheit. Als Reaktion darauf hat Nasarbajew ein massives Privatisierungsprogramm ins Leben gerufen und ließ die Währung massiv abwerten, was Not für Millionen brachte. All das wird eine neue Welle der Massenunzufriedenheit und Chancen für uns bedeuten, wenn wir eine stabile entschlossene Organisation im Land aufbauen, was wiederum einen Einfluss auf andere Länder in der Region hätte, die von der Krise betroffen sein werden.
China könnte jedoch mit Putins Russland zusammenstoßen, das seine eigenen Ambitionen für „Zusammenarbeit“ mit den Regimen in Zentralasien hat und als russische Einflusssphäre betrachtet werden muss. Dies könnte Russland gegen China aufbringen trotz der Diskussion der Zusammenarbeit zwischen den beiden Regimes. Es gibt außerdem schreckliche Umweltprobleme in China, die das gegenwärtige Regime zusammen mit der tief verwurzelten Korruption zu reduzieren versucht, jedoch ohne großen Erfolg. Es gibt das Potenzial für soziale Explosionen bei einer beliebigen Anzahl von Themen, die, wenn sie in den Städten stattfinden, ein Auslöser für revolutionären Unruhen und Aufstände sein könnten.
Die stockenden Aussichten der Weltwirtschaft bleiben eine zentrale und dauerhafte Sorge für die „Experten“ des Systems. Schon vor der chinesischen Wachstumsverlangsamung gab es große Zweifel wegen der künftigen Wirtschaftsaussichten und insbesondere wegen des „Ungleichgewichts“. Manche KommentatorInnen verglichen die Weltwirtschaft mit einem Automotor der einen großen mechanischen Fehler hat. Es gab „gute Aussichten“ für Wachstum in einigen Bereichen, aber in anderen war der Ausblick düster. Es gibt auch den massiven aus der Krise 2007-08 geerbten Schuldenüberhang, der nun bei 200 Billionen Dollar steht, dem dreifachen Welt-BIP! Wie bleierne Stiefel hält dies das Wachstum zurück. Dies wiederum führt zur „Risikoscheu“, dass ein Teil des aus der Arbeit der Arbeiterklasse extrahierten Mehrwerts nicht wieder in die Schaffung von Produktionsmöglichkeiten, in Arbeitsplätze, Wachstum usw. investiert werden kann.
Eine der Folgen davon ist, dass die Super-Profite des Großkapitals – weitgehend von allen ernsthaften Ökonomen erkannt – nicht zu einer Erhöhung des Produktionspotentials führen, sondern, im Gegenteil, zu einer großen Kapitalauftürmung, oft als „Ersparnisschwemme“ beschrieben, um kolossale 57 Billionen Dollar seit 2007. Folglich braut sich eine große Bankenkrise zusammen – Wirtschaftsindikatoren, besonders bei Schulden, haben schon auf rot geschaltet! Wie wir bereits zuvor herausgestellt haben, hält der Rückgang der „Nachfrage“ – der durch Ungleichheit und andere Faktoren angeheizt wird – auch die Investitionen zurück.
Bürgerliche Regierungen haben versucht, dies durch die niedrigen Zinsen in Verbindung mit Gelddrucken zu überwinden. Das hat zur Anhäufung von Schulden von Regierungen, Unternehmen und Haushalten gedient. Ein Großteil dieses zusätzlichen Geldes in den vergangenen sieben Jahren wurde auch in die Finanzmärkte der neokolonialen Länder zurückgeführt. Aber dies hat nicht zu einem signifikanten Anstieg der Produktion geführt. All dies hat als ein kolossales Hemmnis für den Weltkapitalismus gewirkt, was zu niedrigem Wachstum im Allgemeinen, Angst vor einer langen Zeit von „säkularer Stagnation“ und ernsthaften politischen Auswirkungen für das System führte.
Noch alarmierender vom Standpunkt der Strategen des Kapitalismus ist, dass sie anscheinend über keine Antworten verfügen, falls, oder besser gesagt: wenn sie mit einer neuen Krise konfrontiert sind. Stephen King, Ökonom der HSBC Bank, fasste die Lage so zusammen: „Die Weltwirtschaft ist wie ein Ozeandampfer ohne Rettungsboote.“1 Die Kapitalisten haben alle ihre „Munition“ verschossen: Null- oder nahe-Null-Zinsen, quantitative Lockerung in großem Maßstab vor allem für die USA, Großbritannien und die EU. Angesichts ihrer Schuldenberge, sind sie gelinde gesagt zurückhaltend, sich auf eine weitere bedeutende Runde des Gelddruckens einzulassen. Allerdings würden Ereignisse – insbesondere in den Dimensionen von 2007-08 oder noch schlimmer – die Regierungen zwingen, mit halb keynesianischen Maßnahmen einzugreifen, um zu versuchen, die massiven politischen Folgen zu vermeiden, die sich im Zuge einer neuen Krise entwickeln würden.
Ihnen hat der große Rückgang im Welthandel auch nicht geholfen, 2015 der größte seit 2008. Das Volumen des Welthandels fiel zweitweise um 0,5 Prozent. In der ersten Hälfte des Jahres 2015 gab es die schlimmste Lage des Welthandels seit 2009. Dies steht in deutlichem Gegensatz zu dem, was während des Nachkriegsbooms passierte, in dem der Welthandel mit der doppelten Rate der Wirtschaft wuchs.
Eines der Merkmale des Weltwirtschaftsbooms von 1950 bis 1975 war, dass der Kapitalismus durch „Liberalisierung des Handels“ – mit der drastischen Senkung von Einfuhrzöllen – teilweise die nationalen Grenzen des Nationalstaates überwand, was sein Wachstum enorm unterstützte. Dies führte zu einer Spirale des Wachstums, die der wirtschaftliche Zusammenbruch der 1970er Jahre beendete. Dann entwickelten sich Handelsbarrieren, einschließlich Währungsmanipulation und Abwertungen, die den gegenteiligen Effekt hatten, indem sie das Wirtschaftswachstum herabdrückten.
Wir sehen heute den umgekehrten Prozess zur Lage nach dem Zweiten Weltkrieg. Schon vor den gegenwärtigen Auseinandersetzungen um Handelsabkommen gab es das Abwürgen der Handelsliberalisierungsbemühungen in Doha. Die TPP ist auch ein kaum verhüllter Block gegen China, der versucht, dessen wirtschaftliche Dominanz in Asien im Interesse der amerikanischen und japanischen Kapitalismus rückgängig zu machen. Als solche ist sie eine wirtschaftliche Ergänzung zur „Wendung nach Asien“ des US-Militär. Das Obama-Regime wurde durch die Transpazifische Partnership (TPP) – mit dem Ziel, den Handel im Pazifik zu liberalisieren, natürlich zum Vorteil vor allem des US-Imperialismus – für den Moment durch Opposition unter anderem aus der Arbeiterklasse und den US-Gewerkschaften durchkreuzt.
Diese hat sogar Hillary Clinton, die früher Unterstützung für TPP bekundete, gezwungen, einen Rückzieher zu machen und sich dagegen zu positionieren, um die US-Gewerkschaften ins Boot zu holen. China beschrieb TPP als teilweise entwickelt, um China zu untergraben und als „Wirtschafts-NATO“ die Lage des US-Imperialismus im Pazifik zu verbessern.
Vereinigte Staaten
Die Opposition der US-Gewerkschaften und der Arbeiterklasse gegen diese Maßnahmen – die sie als Verstärkung ihrer Probleme sehen – erregt Widerstand gegen den US-Kapitalismus. Den Plan lehnten auch rechte Populisten in der Republikanischen Partei ab. Die herrschende Klasse und die Obama-Regierung werden für die Umsetzung von TPP kämpfen und könnte erfolgreich eine Kampagne machen für eine Abstimmung im Kongress im Frühjahr 2016.
Martin Wolf, Chefwirtschaftskommentator der Financial Times, zeigte das Ausmaß der sozialen Krise in den USA, als er darauf hinwies, dass 12 Prozent der US-Männer – einer von acht – weder in Arbeit noch auf Arbeitssuche sind. Was „Erwerbsquote“ genannt wird – irgendeinen Job zu haben – ist weit unter der von Großbritannien, Deutschland oder Frankreich, wo sie bei rund 8 Prozent Nicht-Teilnahme steht. Die Zahlen für die Frauen sind noch schlimmer, nämlich in der Nähe der Quote der italienischen Frauen bei 26 Prozent . Dies wiederum hat einen Dominoeffekt in Bezug auf die US-Produktivität und ist ein echtes Maß für das Fehlen einer wesentlichen „Erholung“ für die Arbeiterklasse nach der Krise von 2007-08.
Eine Periode der anhaltenden Unsicherheit für die arbeitende Bevölkerung der USA hat sich eröffnet. Lebenslange Beschäftigung ist ein Traum in der neuen halsabschneiderischen Konkurrenz um Arbeitsplätze. 53 Millionen AmerikanerInnen – 34 Prozent der Beschäftigten – sind jetzt „freie Mitarbeiter“. „Portfolio-Karrieren“ sind jetzt zur Norm geworden mit konstantem Wechsel von einer Form der Beschäftigung zu einer anderen. Dieses neue System wird als „Wissens-Integrations-Werkzeugsatz“ (KnIT) bezeichnet, was bedeutet, dass einzelne ArbeiterInnen gegeneinander antreten und die Gewerkschaften geschwächt sind. Das hatte wiederum schwerwiegende Auswirkungen auf die Löhne und Arbeitsbedingungen der Arbeiterklasse. Vor Jahrzehnten verdienten ArbeiterInnen beim damals größten Arbeitgeber General Motors einen Stundenlohn, der auf die heutigen Verhältnisse umgerechnet bei 35 Dollar lag.
Jetzt ist Walmart der größte Arbeitgeber, und dessen ArbeiterInnen verdienen 9 Dollar pro Stunde. GM-ArbeiterInnen waren nicht besser ausgebildet oder fähiger als Walmart-ArbeiterInnen. Der entscheidende Unterschied war eine starke Gewerkschaft bei GM und keine Gewerkschaft bei Walmart. Weniger als 7 Prozent der US-ArbeiterInnen in der Privatwirtschaft sind jetzt in einer Gewerkschaft. Der Boden wird bereitet für eine gewaltige Explosion der Gewerkschaftsexpansion in den USA, aber das müsste von einer Erneuerung an der Basis und Führung begleitet werden und dabei auf den Erfahrungen von Seattle aufbauen, das beim Kampf um einen Mindestlohn von 15 Dollar pro Stunde Pionierarbeit geleistet hat und zu einer bundesweiten Bewegung führte. Unsere sympathisierende Partei wird eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau der Macht und Wirksamkeit der US-Arbeiterorganisationen spielen.
Zur gleichen Zeit wird die Mittelschicht ausgehöhlt. Einst waren die hochqualifizierten Berufe „Inseln der Sicherheit“. Nicht mehr! Die systemische Krise des US-Kapitalismus, die durch den neuen Strom von technologischen Verbesserungen, die eingeführt werden, verschärft wird – und die wir analysiert haben – wird zum Kahlschlag von zuvor sicheren Arbeitsplätzen führen für ArbeiterInnen, aber auch für die Mittelschicht. Dies geht einher mit noch größerer Ungleichheit als es sie vor 2007-08 gab!
Das ist, was Robert Reich, Bill Clintons Arbeitsminister, einen Prozess der „Umverteilung nach oben“, von der Arbeiterklasse und den Armen zu den Reichen, nannte. Das Verhältnis der Löhne der Angestellten zu den Vorständen in Unternehmen ist auf etwa 1 : 300 in den USA und etwa 1 : 200 in England gewachsen. Dies zu einem Zeitpunkt, wo zwei Drittel der Arbeiterklasse „von der Hand in den Mund“ leben.
Die Mitgliedszahl der US-Gewerkschaften ist auf 6 Millionen gesunken. Das ist in etwa die gleiche Anzahl wie Großbritannien bei fast der sechsfachen Bevölkerung. Die meisten Gewerkschaftsführer in den USA waren nicht willens, den notwendigen Kampf zu führen, diesen Trend umzukehren, während sich Anti-Gewerkschaftsgesetze häufen und Versuche, die Gewerkschaften zu sprengen, weiter gehen. Als Reaktion bildet sich eine linke Strömung in der Arbeiterbewegung um örtliche Gliederungen der LehrerInnen-Gewerkschaft, der Krankenschwestern-Gewerkschaft und der ArbeiterInnen der Verkehrsbetriebe, ebenso wie „Labor für Bernie“-Gruppen. Dies kann in Verbindung mit Oppositionsgruppen in größeren Gewerkschaften und dem Kampf für 15 Dollar Mindestlohn ein wichtiger Schritt bei der Verteidigung der Arbeiterklasse von Druck nach unten auf die Löhne und Arbeitsbedingungen sein.
Dies bedeutet eine steigende Flut der Unzufriedenheit, die mehr und mehr Schichten erfasst, die zuvor möglicherweise das Gefühl hatten, dass sie am Kapitalismus wirtschaftlich interessiert sind, aber ihn jetzt in Frage stellen. In einer aktuellen Umfrage stimmten 55 Prozent der Amerikaner der Aussage zu: „die Reichen werden immer reicher“. Es gibt eine weit verbreitete Auffassung, dass die Reichen vom Staat gerettet werden und dass die Bankenrettungspakete in der Zeit nach der letzten Krise „Sozialismus für die Reichen“ waren. Es gibt auch das Potenzial für Wachstum insbesondere in den USA von sozialistischen und marxistischen Ideen, das sich im Wahlsieg für Kshama, der Unterstützung für Bernie Sanders und, nicht zuletzt, dem raschen Wachstum unserer politischen SympathisantInnen in den USA zeigt. Donald Trumps Kampagne zeigt die intensive politische Polarisierung in den USA und die Spaltungen und sogar das Potenzial für eine Spaltung der Republikanischen Partei. Seine reaktionäre Rhetorik ist mit einer Anti-Establishment-Appell kombiniert, der bei vorstädtischen und ländlichen weißen Wählern auf Resonanz stößt. Es gibt eine große anti-rassistische Reaktion auf Trump sowie eine weiter gehende – wenn auch geografisch ungleichmäßige – „Schwarze Leben zählen“ (BLM)-Aufstände gegen Tötungen durch die Polizei. Die BLM-Bewegung in Chicago erschüttert weiter das Establishment und diese Revolte ist verbunden mit potentiellen Kämpfen durch die Gewerkschaften, besonders um Renten und Bildung.
Es gab auch schwache Gegenanstrengungen in Großbritannien, den USA und anderswo, um ideologisch zu beantworten, was die steigende Flut von Anti-Unternehmens- und antikapitalistischen Gefühle unter wachsenden Teilen der Bevölkerung zu sein scheint, vor allem der jungen Bevölkerung. Dies wurde von Teilen des „liberalen“ Flügels der Tory-Partei in Großbritannien aufgenommen, die eine Kampagne zugunsten eines „Volkskapitalismus“ wieder belebten. Angesichts des Umfangs und der Tiefe der weltweiten kapitalistischen Krise und dessen, was am Horizont droht, ist es unwahrscheinlich, dass sie große Unterstützung erzeugen. Im Gegenteil, Elemente der Politisierung und linken Radikalisierung der 1960er Jahre – angekündigt durch den Eintritt der Jugend in die Politik – wohnen der gegenwärtigen Lage inne.
Eine neue Phase der Weltbeziehungen ist seit dem letzten Weltkongress entstanden. Denn, wie wir damals kommentierten: Die „Pax Americana“ – die militärische Vorherrschaft des US-Imperialismus, die überwältigend in der vorigen Periode war und sich im Irak-Krieg, der Intervention in Afghanistan usw. widerspiegelte – war schon auf dem Rückzug.
Die unipolare Welt von George Bush – mit seiner militärischen „Vorherrschaft auf allen Feldern“ – wich schon einer multipolaren Welt, vor allem wegen dem Aufstieg Chinas, nicht nur wirtschaftlich, sondern es demonstriert auch zunehmend seine verbesserten militärischen Fähigkeiten. Die Verschärfung strategischer Rivalitäten zwischen den USA und China zählt zu den wichtigsten und potenziell gefährlichsten imperialistischen Konflikten, die die globalen Beziehungen gestalten. Japans Remilitarisierung, das Gesetz wurde im September verabschiedet, das seinen Armeen erlaubt Krieg im Ausland führen, ist ein weiterer Meilenstein in diesem Prozess.
Der US-Imperialismus hat Schwierigkeiten, sich an diese neue Lage anzupassen, aber seine Strategen haben – auf lange Sicht – eine Art von Kampagne durchgeführt, um die USA mit der wirklichen Lage zu versöhnen, die ein Kommentator als „relativen Niedergang“ beschreibt.
Die USA waren mit Abstand der stärkste militärische Akteur, die einzige Macht mit globaler Reichweite. In der Tat, nach dem Zusammenbruch des Stalinismus und damit der wirtschaftlichen Schwächung Russlands war diese Herrschaft „einseitig“ zugunsten der USA.
Putin interveniert nicht aus tief sitzender Sympathie oder Loyalität gegenüber dem syrischen Volk, sondern weil der Sturz des Assad die russischen imperialistischen Interessen und Russlands Militärbasen im Land beschädigt hätte. Putin nutzte die Gelegenheit, seine „Anti-Terror-Koalition“ mit dem Iran und anderen in Opposition zu imperialistischen Interessen der USA zu präsentieren. Massen-Luftangriffe, unterstützt von iranischen und Hisbollah-Bodentruppen haben für einen Zeitraum sowohl Obama, dessen eigene Luftkampagne nicht funktionierte, als auch den glücklosen Cameron auf dem falschen Fuß erwischt. Die Geschichte zeigt, und der gegenwärtige Konflikt bestätigt es, dass Kriege nicht erfolgreich nur durch intensive Luftbombardement geführt werden. Aber jetzt ist Russland, das hofft, dass eine erfolgreiche Intervention in Syrien internationale Aufmerksamkeit von der Ukraine und inländischen Aufmerksamkeit von der Wirtschaftskrise ablenken würde, bereits besorgt, dass ein langfristiges und teures Engagement selbst mit Bodentruppen schließlich seine Unterstützung untergraben würde.
Die EU kann militärisch nicht mit China oder den USA konkurrieren. Die Bourgeoisie des Kontinents sucht lieber weitgehend Schutz unter dem militärischen Schirm der US. Doch wirtschaftlich ist das kombinierte Gewicht der EU gleich oder sogar nach einigen Berichten größer als das der USA. Aber Großbritannien, das nicht mehr wirklich eine Weltmacht ist, weshalb sie so scharf sind, eine wirtschaftliche Kolonie von China zu werden, gibt eine begrenzte Summe für „Verteidigung“ aus. Spaltungen zwischen den EU-Mächten hindern sie auch, auf dem militärischen Feld mit den USA oder China zu konkurrieren.
Kanada und Québec
Die Wahl der Liberalen hat die Stimmung in Kanada geändert – eine dunkle Wolke hat sich gelichtet. Harpers konservative Regierung schaffte es nicht, Kanada zu ändern – weder die Sichtweise der meisten Kanadier zu ändern noch den Gewerkschaften einen herben Rückschlag zuzufügen – wie Quebec demonstriert. Nun ist Kanada in einem seltsamen Traumland der glücklichen Regierung, mit Illusionen in die Liberalen. Die leichten, aber willkommene Reformen der Liberalen haben ihre Unterstützung verstärkt. Selbstverständlich können die Flitterwochen nicht von Dauer sein. An einem gewissen Punkt werden die Liberalen in ihre Tradition als Partei des Großkapitals zurückfallen – sie haben erhebliche Kürzungen durchgeführt, als sie das letzte Mal an der Regierung waren.
Obwohl auf Wahlebene die Souveränitätsbewegung für eine Zeit in Québec zurückging, gilt dies für die Militanz der Arbeiterklasse Québec nicht. Die radikalen Studentenbewegung des 2012-Ahorn-Frühlings und der jüngste Generalstreik – der größte überhaupt – von Beschäftigten im öffentlichen Dienst in Québec und Kanada sind Anzeichen der entschlossenen und radikalen Stimmung in der Québecer Gesellschaft. QuebecerInnen hatten gewissen Erfolg im Widerstand gegen die Versuche der Québecer Elite, die gleichen Kürzungen wie im Rest von Kanada einzuführen. Das Selbstvertrauen von Québec wird die kanadische herrschende Klasse Sorgen bereiten und ebenso die besten AktivistInnen in Kanada begeistern. Angesichts des relativen Selbstvertrauens der kanadischen ArbeiterInnen und AktivistInnen, das durch Harpers Niederlage verstärkt wurde, gibt es hier Möglichkeiten für Kampagnen, die Regierung zu vor sich her zu schieben und Siege zu erringen.
Naher Osten und Nordafrika
Syrien
Im Anschluss an die Katastrophen im Irak und Afghanistan und die nachfolgenden sozialen Katastrophen ist der US-Riese effektiv politisch gelähmt und gehindert, seine volle militärische Macht jetzt in Syrien zu entfesseln. Die Stimmung der Opposition der amerikanischen Bevölkerung – vor allem der Arbeiterklasse – gegen jegliche Vorschläge für eine groß angelegte militärische Operation im Nahen Osten oder anderswo ist klar. Gemeinsam mit seinen Verbündeten kann er militär- und polizeiartige Operationen durchzuführen – einschließlich Luftangriffen –, kann dies aber nicht um erheblichen Kräfte vor Ort im Form von Bodentruppen ausdehnen.
Der vier Jahre lange Bürgerkrieg führte dazu, dass insgesamt 11 Millionen Menschen von 26 Millionen aus ihren Häusern vertrieben wurden und mindestens 250.000 ihr Leben verloren. Der ursprüngliche Aufstand wurde durch Hunger angeheizt, der wiederum ein Produkt des Klimawandels war. Dürre ergriff das größtenteils sunnitisch dominierte ländliche Gebiet und ein Zustrom von verarmten BäuerInnen in die Städte schuf die Grundlage für den Aufstand gegen das Assad-Regime, das sich hauptsächlich auf die minderheitliche Alawiten-Sekte, einen Ableger der Schia stützte. Der Imperialismus – und nicht wenige auf der Linken ebenfalls – nahmen an, dass diese Bewegung, die die Mehrheit der SunnitInnen umfasste, schnell das Regime überwältigen würde.
Doch die CWI, zusammen mit ein paar weitsichtigen bürgerlichen KommentatorInnen, glaubte nicht, dass Assad schnell gestürzt werden würde. Assad stützte sich nicht nur auf die alawitisch-schiitische Bevölkerung von Syrien, sondern auch auf andere Minderheiten, wie die ChristInnen und DrusInnen, der sich später tödlich bedroht fühlten von den brutalen, mörderischen Folterern von ISIS.
Darüber hinaus nahm der Konflikt eine zunehmend sektiererische Form an, mit einem Stellvertreterkrieg zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabischen Regime als einem Hauptelement. Letzteres, mit seinen Milliarden von Petrodollars, war bereit, einen Aufstand gegen das verhasste Assad-Regime fast unbegrenzt zu finanzieren. Dies, hofften sie, würde ein für alle Mal das schiitisch ausgerichtete Regime vom Angesicht des Nahen Ostens entfernen. In diesen Prozess sollten regionalen Ambitionen des Iran eingedämmt werden, die durch den Irak-Krieg verstärkt worden waren, aus dem ein schiitisches Regime hervorging, das mit dem Iran verbunden ist.
Allerdings hatten sie und die „weitsichtigen“ Obama und Cameron nicht mit der Reaktion der hundert Millionen SchiitInnen in der Region gerechnet: in Syrien selbst, im Irak, in einigen von den Golfstaaten und in den Iran mit fast 70 Millionen SchiitInnen allein. Iran und seine libanesischen Glaubensgenossen der Hisbollah sorgten für die notwendigen ausländischen Kämpfer, um das Assad-Regime zu stärken, neben pakistanischen und anderen Schiiten aus den Golfstaaten. Dies erwies sich in kritischen Momenten als notwendig, wenn Assad mit gewaltigen Oppositionskräften konfrontiert war – verstärkt durch sektiererische Dschihadisten –, die drauf und dran waren, sein Regime zu stürzen.
Als die Kriegsopfer an Toten und Verwundeten stiegen, wurde es auch zunehmend schwierig, junge Menschen für die Regierungstruppen zu rekrutieren. Dies wurde verstärkt durch die geringe Bezahlung für die in der syrischen Armee Eingezogenen, im Gegensatz zu dem üppigen Leben der Elite, die sich nicht die Hände mit viel Kampf schmutzig macht. Isis und die anderen reaktionären Anti-Assad-Truppen litten nicht unter solchen wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Diejenigen, die sich ihren Reihen aus anderen Ländern in der Region anschlossen, erhielten stattliche Vergütung durch viel höhere Löhne als die verarmten Bedingungen „zu Hause“ und auch Zugang zu den neuesten technologischen Gütern.
Es waren diese Faktoren, die den hartnäckigen Charakter des Konflikts bestimmten. Assad ebenso wie Isis und andere Anti-Assad-Kräfte waren zu stark, um geschlagen zu werden, waren aber auch zu schwach, um sich gegenseitig zu besiegen!
Doch schien es in jüngster Zeit, dass das Regime vor einer drohenden „Katastrophe“ stünde mit der zunehmenden Stärkung der Opposition durch die USA, Saudi-Arabien und die Golfstaaten im Besonderen, wie Assad zugab. Dies änderte alles, vor allem für Putins russisches Regime, das vom Stalinismus die militärischen und finanziellen Beziehungen mit dem syrischen Regime geerbt hatte. Die Folgen seines möglichen Sturzes zwangen die Iraner, zu intervenieren und drängten Russland, sein Regime militärisch zu untermauern. Russlands Engagement für erhöhte Luftunterstützung für das Regime gegen Isis, unterstützt durch den möglichen Einsatz von 2.000 Soldaten, verändert die Lage völlig. Obama – mit seinen eigenen nicht funktionierenden Luftangriffen – wurde auf dem völlig falschen Fuß erwischt, ebenso wie die glücklose Cameron.
Putin griff nicht aus irgendeiner tiefsitzenden Sympathie oder Loyalität gegenüber dem syrischen Volk ein, sondern für seine eigenen imperialistischen Interessen. Angesichts erhöhter Feindseligkeit seitens der „entwickelten“ Welt – USA und Europa – wegen des Krieges in der Ukraine nutzte er die Gelegenheit, um die Macht und das Ansehen Russlands in der Region zu verbessern. Die Geschichte zeigt, und der vorliegende Konflikt bestätigt dies, dass Kriege nicht erfolgreich nur aus der Luft mit intensivem Bombardement geführt werden.
Die USA und Frankreich, die auf Luftangriffe allein beschränkt und ohne zuverlässige Bodentruppen sind – abgesehen von den kurdischen Kräften im Norden – sind unfähig, Isis zu besiegen. Russland kann sich für koordinierte Angriffe auf Isis auf Bodentruppen stützen – die des syrischen Regimes selbst. Dies erzwang einen Wechsel in der Taktik der USA und Großbritanniens, die angegeben haben, dass sie gegebenenfalls Angriffe mit Russland, und somit mit Assad selbst, „koordinieren“ werden. Sie haben noch einmal an das Beispiel von Roosevelts Bündnis mit Stalin zum Sieg gegen Hitler erinnert.
Zur gleichen Zeit, haben sie wiederholt, dass jede politische Lösung nicht Assad umfassen könne! Ziel ist eine Art von politischem Deal nach dem Vorbild des Dayton-Abkommens nach dem Balkankrieg, das die verschiedenen kriegführenden Mächte zusammen brachte, einschließlich Präsident Milosevic als Vertreter der SerbInnen. Allerdings endete er in Den Haag, für „Kriegsverbrechen“ für schuldig befunden.
Assad wird wahrscheinlich keinem freiwilligen Selbstmord zustimmen. Denn das würde so ein Abkommen für ihn und sein Regime bedeuten. Es ist nicht klar, ob andere, wie Russland und vor allem der Iran darauf eingehen. Allerdings sind die Interessen von Assad, ganz zu schweigen vom Schicksal des syrischen Volkes, nur „Peanuts“ für die auswärtigen Mächte, deren Sorge ist, wie sie ihre eigene Macht, Prestige und Einkommen verbessern können.
Es ist wahr, dass dieser Krieg, bei dem Vergleiche mit Europas ruinösem mittelalterlichen Dreißigjährigen Krieg gezogen werden, die Sehnsucht nach Frieden in der Region und anderswo erzeugt hat. Seine Auswirkungen haben, wie das CWI vorhersagte, in alle Nachbarländer und darüber hinaus ausgestrahlt. Er hat ethnische, nationale und religiöse Konflikte vergrößert, ganz zu schweigen von mörderischem Terrorismus, der Flucht von Millionen nach Europa, das sie sich als „sicheren Hafen“ vorstellen. In dem Prozess wurden ganze Gesellschaften geteilt und destabilisiert.
Sogar der Papst hat es als eine neue Version eines „Dritten Weltkrieg“ beschrieben, besonders für den Nahen Osten. Es gibt keine Möglichkeit, dass ein echter Weltkrieg aus dem gegenwärtigen Flächenbrand entsteht aus den Gründen – vor allem „gegenseitig gesicherte Zerstörung“ (Mutual Assured Destruction, MAD) –, die früher vom CWI analysiert wurden.
Die YPG/YPJ, die mit der Partei der Demokratischen Union (PYD) verbundenen militärischen Einheiten, die mit der PKK in Verbindung stehen, sind eine der wirksamsten Kräfte bei der Abschreckung von ISIS. Das ist verbunden mit ihrem Programm, das einige radikale Elemente beinhaltet – besonders in Bezug auf Frauen und kurdische nationale Rechte –, das wichtigste Teile der KurdInnen sowie eine Schicht der Jugend international angesprochen hat. Doch die PYD war nicht in der Lage, sich aktive Unterstützung der Bevölkerung außerhalb der mehrheitlich kurdischen Gebiete zu sichern.
Sicherung der Unterstützung der Bevölkerung und das Erreichen der Arbeiterklasse und armen Gemeinden über Rojava hinaus ist eine wichtige Aufgabe, um die Isolation des Gebiets zu durchbrechen. Aber diese Aufgabe wird untergraben von der Politik der PYD-FührerInnen des Manövrierens zwischen den rivalisierenden in der Region aktiven Mächten und ihrer Suche nach Abkommen mit ihnen – Kräften, die ganze Gemeinden mit Bombardierung und Verfolgung heimsuchen – vor allem die arabischen SunnitInnen, deren Gefühl des Verfolgt-Werdens im Irak und in Syrien maßgeblich bei der Sicherung einer sozialen Basis für ISIS war. SozialistInnen anerkennen einige der Errungenschaften, die in Rojava erreicht wurden, bestehen aber auf der Notwendigkeit eines demokratisch organisierten Massenkampfs, bewaffnet mit einem prinzipienfesten Programm auf der Grundlage der Einheit der arbeitenden Menschen und der Armen, der kompromisslosen Verteidigung der Rechte aller Minderheiten und des Internationalismus.
Terrorismus und Isis
Die wahllose, mörderische terroristische Pariser Bombenanschlag scheint eine neue Etappe in der Taktik von Isis darzustellen, nach dem Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai und den Bomben in Bagdad, Ankara und Beirut. Unnötig zu sagen, dass wir, wie unsere französischen GenossInnen klarmachten, vorbehaltlos diese faschistisch-artigen Angriffe verurteilen, die auf Unschuldige abzielen. Nur acht Terroristen konnten in Paris so viel Tod zuzufügen. Es hätte noch viel schlimmer werden können, wenn sie in das Französisch-Deutsche Fußballspiel gelangt wären, das François Hollande, der französische Präsident, besuchte.
Es gibt natürlich Massenempörung über diese Gräueltat, aber die bürgerlichen Medien haben versucht, jene Stimmen zu übertönen, die zu erklären versuchen, wie und warum diese Terrorwelle sich entwickelt hat. So schrecklich wie die Pariser Morde waren – vor allem für die betroffenen Familien – und die Massenangst, die sie erzeugten, die Gesamtzahl der Toten entspricht der Zahl der jeden Tag in Syrien Getöteten und Verstümmelten.
Dies unterschätzt in keiner Weise die Angstwirkung in Frankreich, in erster Linie auf die Arbeiterklasse. Aber wie selbst bürgerliche KommentatorInnen zu erklären versucht haben, bedeutet dies „Rückstoß“. Der Begriff wurde ursprünglich von der CIA in Bezug auf den Konflikt in Afghanistan und seine Auswirkungen auf die ganze Welt geprägt. Der Irak-Krieg, Afghanistan, Libyen und nicht zuletzt der mörderische Konflikt in Syrien selbst haben die Schlussfolgerungen der CIA verstärkt!
Zumindest der ursprüngliche Kader von Isis (das von vielen im Nahen Osten als „Daesh“ bezeichnet wird), wurde in erster Linie aus den Offiziersrängen der überwiegend sunnitischen irakischen Armee rekrutiert, die durch die Säuberung, die dem Sturz von Saddam folgte, gefeuert und ausgeschlossen wurden.
Bis vor kurzem schien seine Strategie auf die unmittelbare Region Syrien, Irak usw. konzentriert zu sein. Er versuchte, ein „Kalifat“ zu schaffen. Er lehnte Al Qaidas Ansatz von spektakulären globalen Terroranschlägen, wie dem auf das World Trade Center ab. Am Anfang schien er ganz anders als bisherige Versuche des arabischen Widerstands zu sein. Er verkündete die Notwendigkeit, Territorium zu erobern, um einen Staat – ein islamisches „Kalifats“ – zu gründen, mit allen Konsequenzen, die dies impliziert, einschließlich der Errichtung von ausgefeilten finanziellen Regelungen. Er half bei seiner Aufrechterhaltung durch den Handel mit erbeuteten antiken Artefakten sowie Öl aus der Einnahme von Mossul mit seinen beträchtlichen Öl produzierenden Einrichtungen und Ressourcen. Er hat sogar mit dem Assad-Regime selbst Handel getrieben.
Daher ist Camerons Toben, der Isis solle „nicht mit dem Namen islamischer Staat geadelt werden“ völlig falsch. Wie Patrick Cockburn kommentiert hat: „Leider ist es ein echter Staat und einer, die stärker ist als die Hälfte der Mitglieder der Vereinten Nationen, mit einer erfahrenen Armee, Wehrpflicht, Besteuerung und Kontrolle über alle Aspekte des Lebens in dem großen Gebiet, das es beherrscht.“2
Es wird daher nicht leicht ausgerottet werden. Aber es wurde bereits in den vergangenen Monaten zurückgedrängt und musste Gebiet unter dem Druck von kurdischen Kräften aufgeben. Seine Führer scheinen gefolgert zu haben, dass das beste Mittel der Abschreckung vor wirksamer Intervention von auswärtigen Mächten jetzt sei, den „Krieg“ in Feindesland zu tragen, durch anhaltende terroristische Aktionen nach dem Vorbild von Paris.
Es kann nicht ausgeschlossen werden, in der Tat ist es wahrscheinlich, dass ähnliche Angriffe in anderen europäischen Städten und weiter entfernt gestartet werden. Isis hat bereitwillige Rekruten aus den Reihen der nordafrikanischen und nahöstlichen Diaspora aus diskriminierten und entfremdeten Muslimen in Europa gefunden. Darüber hinaus wird nun an die weitere „muslimische Welt“ appelliert. Es gibt einen spürbaren Anstieg an Interesse und eine Verhärtung der Unterstützung für Isis in Afrika, in Asien – es wächst zum Beispiel in Bangladesch, in Malaysia und anderswo. Auf der anderen Seite ist nahtloser Fortschritt für Isis nicht unvermeidlich. Die Bürgerlichen können aus ihren eigenen Gründen wirksame Maßnahmen gegen sie in der neokolonialen Welt ergreifen.
In Pakistan zum Beispiel erscheint die Armee, die eine ausgleichende bonapartistische Rolle spielt, den Massen als die einzige kohärente Kraft in der Gesellschaft. Sie hat auch erheblichen Beteiligungen in der Wirtschaft und hat Unterdrückung der Taliban und der beginnenden Isis-Bedrohung mit Wirtschaftsreformen verbunden, die eine Schicht der Massen zugute kommen und durch chinesische Großzügigkeit bezahlt werden.
Es bleibt abzuwarten, ob eine Art zerbrechliche Militärkoalition zusammengestoppelt werden könnte, um ISIS aus der bestehenden gegenwärtigen wackeligen Hochburg zurückzudrängen. Die durch das syrische Regime unterstützte Intervention von Russland hat einen neuen entscheidenden Faktor in den Krieg eingebracht. Isis behält immer noch Elemente einer Guerilla-artigen Kraft.
Aber um erfolgreich zu sein, können solche Kräfte nicht durch Unterdrückung und Terror allein regieren, oder indem sie sich mit jeder Macht anlegen. Letztendlich kann nur eine sympathisierende und unterstützende Bevölkerung – „das Meer, in dem die Guerilla-Fische schwimmen“ – ihren Zugriff über einen längeren Zeitraum aufrecht zu erhalten. Isis‘ Methoden – sein religiöser Todeskult, die Ausbreitung einer Hölle „jeder gegen jeden“ im Stile von Hobbes – wird im Laufe der Zeit die Bevölkerung unter ihrer Kontrolle entfremden, ebenso wie die katastrophalen wirtschaftlichen Folgen des Terrorismus.
Zeugnis sind die katastrophalen Folgen für die Massen des Isis-inspirierten Angriffs auf die Touristenstadt Sousse in Tunesien 2015. Es ist jetzt eine Geisterstadt, die von Besuchern und Touristen gemieden wird, was zwangsläufig zu Massenarbeitslosigkeit führen wird. Der Terroranschlag in Luxor in Ägypten 1997 hatte eine ähnliche verheerende Wirkung auf die Wirtschaft.
Krieg im Jemen und in Saudi-Arabien
Der weitere blutige Konflikt im Nahen Osten neben dem Alptraum in Syrien und Irak ist der Bürgerkrieg im Jemen. Sieben Monate von Luftangriffen, kombiniert mit der Intervention von Bodentruppen, durch die Saudi-geführte Koalition haben der Bevölkerung, die sowieso schon die ärmste in der Region ist, noch schrecklichere Leiden aufgebürdet. Über 5.000 JemenitInnen wurden getötet, darunter mindestens 2.400 ZivilistInnen.
Die Koalition kämpft gegen die vom Iran unterstützten Houthis, die im letzten Jahr [2014] die Hauptstadt Sana’a und andere Gebiete einnahmen. Jemen, mit einer Bevölkerung von 23 Millionen Menschen, war lange vor der Entfernung von Präsident Saleh nach einem gegen ihn gerichteten Aufstand 2011 das ärmste Land in der arabischen Welt. Die Saudis, das reichste Land in der Region, haben, unterstützt durch die Golf-Scheichs und den amerikanischen Imperialismus, eine teuflische Blockade von Häfen und anderen Verkehrswegen eingerichtet, was das Land näher in Richtung Hungersnot rückte. 13 Millionen Menschen werden bereits als „in der Ernährung gefährdet“ definiert.
Die Houthis sitzen im jemenitischen Hochland und sind mit Saleh gegen die Saudi-Koalition verbündet, was ein Patt zwischen den beiden Seiten bedeutet. Das saudische Regime handelt immer offener als konterrevolutionärer Gendarm in einem Konflikt, der auch alle Kennzeichen eines Stellvertreterkrieges gegen den Iran hat. Für die armen JemenitInnen ist die Perspektive weitere Bombenangriffe und Hunger, ohne eine Lösung in Sicht.
Allerdings zahlt das morsche saudische Regime einen Preis für seine kostspieligen Eingriffe in regionale Konflikte und dafür, dass es versucht, seine führende Position im Ölhandel zu erhalten. Seine Entscheidung, mit dem Ölpumpen weiter zu machen, um seinen weltweiten Marktanteil zu halten, droht in der nächsten Periode nach hinten loszugehen für das Regime. Es gibt Anzeichen, dass es bei einer kommenden Tagung der OPEC in Wien wahrscheinlich seine Position ändern wird.
Im vergangenen Jahr erschütterten sie den Ölmarkt, indem sie die gängige Position aufgaben, durch Verringerung des Angebots die Preise zu stabilisieren. Seitdem sind die Ölpreise zusammengebrochen, von 115 Dollar auf unter 50 Dollar pro Barrel. Dadurch wurden Milliarden von Dollar an Investitionen in die Ölförderung anderswo auf Eis gelegt. Aber die andere Seite der sinkenden Öleinnahmen ist Saudi-Arabien auf die Füße gefallen, das nun ein Haushaltsdefizit von mindestens 20 Prozent des BIP hat. Dies ließ die Regierung ihre riesige Reserven angreifen, was eine Wirkung auf Infrastrukturinvestitionen hatte und die Staatsausgaben drückte. Dies wiederum löste einen Abschwung in der Privatwirtschaft, Kürzungen bei den Subventionen und die allgemeine Verringerung des Lebensstandards aus.
Zusammen mit der Katastrophe von Hunderten Getöteten bei der jährlichen Pilgerfahrt Hadsch hat dies zu beispielloser Kritik am korrupten saudischen Regime geführt. Briefe auf Arabisch kursierten, die zum Sturz des Königs aufriefen und die mit zwei Millionen LeserInnen von breiten Schichten der Saudis begrüßt wurden. Dies stellt den Wind dar, der bekannterweise „in den Wipfeln der Bäume zuerst bläst“. Verstärkte Repression durch das Regime ist wahrscheinlich ein Symptom der wachsenden Opposition. Die Entfernung der korrupteren Schichten im „Reich“ könnte die Schleusen zu beispiellosen Demonstrationen öffnen, die eine beträchtliche Wirkung nicht nur in Saudi-Arabien, sondern in der gesamten Region haben können.
Iran
Eine neue Lage hat sich im Iran eröffnet, da Obama zu Verhandlungen übergegangen ist und die Aufhebung der Sanktionen vorschlagen hat, auch wenn dies erst noch im US-Kongress ratifiziert werden muss, wo es auf Opposition von Hardliner-Republikaners stoßen wird. Zur gleichen Zeit hat der Iran selbst Initiative ergriffen, um schiitische Kräfte in verschiedenen Konflikten im Nahen Osten zu unterstützen, manchmal auch in Opposition zu den vom US-Imperialismus unterstützten Kräften.
Im Iran selbst gibt es wachsende sozialen Spannungen und einige Spaltungen innerhalb des Regimes. Wir müssen bereit sein für größere gesellschaftliche Umwälzungen innerhalb der iranischen Gesellschaft in der nächsten Zeit.
Tunesien, Ägypten und Libyen
Die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten bleiben der Schlüssel zur Lage im Nahen Osten. Die nordafrikanischen und arabischen Revolutionen – insbesondere in Tunesien und Ägypten – zeigten die enorme Kraft und potenzielle politische Macht, die die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten haben, um die Lage zu ändern.
Allerdings haben die Folgen des zersplitterten und gestörten Zustands der Welt die Lage enorm verkompliziert. Wenn die Arbeiterorganisationen eine klare Perspektive, ein mit einer sozialistischen Vision verbundenes Programm und eine Führung auf der Höhe der Lage gehabt hätten, hätten die Dinge ganz anders kommen können. Große Chancen wurden aufgrund der Abwesenheit eines massenhaften „subjektiven Faktors“ vertan. Dies kann teilweise durch die Tatsache erklärt werden, dass die arbeitenden Massen in der vorhergehenden Periode von diktatorischen und autoritären Regime kleingehalten wurden.
In Ägypten spielten die unabhängigen Gewerkschaften eine wichtige Rolle im Kampf gegen das Mubarak-Regime. Aber sie waren nicht stark genug, um der Revolution in ihrem frühen Stadium ihren Stempel aufzudrücken. Tunesien war eine Ausnahme vom allgemeinen Muster. Das Land hatte die Entwicklung einer mächtigen halb-unabhängigen Gewerkschaftsbewegung gesehen, der UGTT. Sie hätte in der ersten Periode der Revolution, als ein großes Element der Doppelherrschaft existierte, eine entscheidende Rolle in der Führung der Revolution spielen können und in diesem Zuge eine neue Massenpartei der Arbeiterklasse initiieren können.
Dies hätte ein großes Echo in der gesamten Region gefunden. Wegen der Abwesenheit des subjektiven Faktors und der Geschwindigkeit der Ereignisse konnte sich kein gesondertes Klassen- und sozialistisches Bewusstsein bilden und kristallisieren.
In der Regel haben wir große, aber noch nicht erfolgreiche Bewegungen der Arbeiterklasse gesehen. Die ägyptische Revolution kündigte mächtige Bewegungen der Arbeiterklasse in Europa an, die den Kontinent, vor allem Südeuropa – Griechenland, Spanien, Portugal –, in seinen Grundfesten erschüttert hat. Dies wurde deutlich in Nordafrika und im Nahen Osten, wo in der anfänglichen revolutionären Welle der US-Imperialismus ein ohnmächtiger Zuschauer war und unfähig, einzugreifen.
Nur mit dem Abebben der revolutionären Welle – zu der wiederum die Schwäche bzw. das weitgehende Fehlen eines bewussten revolutionären Kerns beitrug, der in der Lage gewesen wäre, die Massen zu gewinnen und die Bewegungen zu leiten – hat die Reaktion allmählich die Zügel der Macht wieder in ihre Hände bekommen. Sie konnte in der ersten Phase nicht direkt intervenieren, aber suchte eine Möglichkeit für die Reaktion durch die Hintertür, indem sie sich ein Standbein in Bahrain, Libyen usw. schufen.
Wir sollten nie vergessen, dass ihnen ideologisch – wenn auch wirkungslos – angebliche TrotzkistInnen halfen, darunter auch einige im Vereinigten Sekretariat zusammen mit der verderblichen kleinen Sekte AWL in Großbritannien. Sie sagten der „zivilisatorischen“ Rolle des Imperialismus bei der Intervention in Libyen zum Sturz von Gaddafi kritische „Unterstützung“ zu. Sie begründete diese skandalöse Position von angeblichen „MarxistInnen“ mit der Begründung, dass es „fortschrittlich“ sei und den Weg für Demokratie, unabhängige Arbeiterorganisationen usw. bereite. Ein Kommentator schrieb: „Es war absolut vorhersehbar, dass eine militärische Intervention ein Fiasko wäre.“
Wir unterstützten die Reaktion im Gegensatz zu diesen Gruppen nicht, die indirekt eine gewisse Verantwortung für die katastrophale Lage tragen, in welcher sektiererischer Krieg, Gangster und reiche Libyer über die libyschen ArbeiterInnen und BäuerInnen herrschen. Libyen bestand noch nie als homogene Einheit. Es war eine Ansammlung von „heftig autonomen, stolzen und widerspenstigen Stämmen“, misstrauisch gegenüber zentralisierter Herrschaft durch das Osmanische Reich und die folgende imperialistische Herrschaft. Es wurde nur lose zusammen gehalten durch Gaddafi mittels Teile und Herrsche. Er hatte „ein wachsames Auge, verlieh den einen Privilegien, anderen Prestige, um Allianzen zu festigen und Risse zuzupflastern, die zu erscheinen drohten.“3
Nur eine Politik, die auf die siegreiche unabhängige Mobilisierung und Bewegung der Massen orientiert, garantierte die Bewegung Libyens in eine „fortschrittliche“ Richtung. Den Kampf nicht auf die Arbeiterklasse und ihre Verbündeten in der armen Bauernschaft zu stützen, nach einem „Befreier“ zu schauen – obendrein einen von außen kommenden – wird letztlich in die Katastrophe und die vollständige Diskreditierung der Organisationen führen, die diese falsche Politik unterstützen. Das sagten wir damals voraus.
Jedoch hat die Prägung der revolutionären Ereignisse ihre Spuren in den Massen hinterlassen, die sich in ihrem politischen Wiedererwachen in der nächsten Periode zeigen werden. Ägypten ist ein Riesengefängnis und eine Folterkammer von schätzungsweise 40.000 Gefangenen, von denen Hunderte zum Tode verurteilt sind. Sisi ist selbst ein Produkt des „Sicherheitsapparats“, der, worauf wir hingewiesen haben, zur Zeit der Revolution ein großes Wirtschaftsimperium unter Mubarak hatte. Dieses blieb trotz der Unruhen weitgehend intakt.
Es ist ein diktatorisches, autoritäres Regime, gebilligt durch ein „Feigenblatt“ von „Parlamentswahlen“, an denen sich nur eine Handvoll – schätzungsweise 16 Prozent – am ersten Tag der Wahlen beteiligten. Im Zuge von Sisis Machtübernahme hatten die Getreuen des Mubarak-Regimes ein Comeback: Sisi „hat den Sicherheitsstaat wiederhergestellt, uniformiert und nicht reformiert, die Macht der Armee verfassungsmäßig verankert, ihre Privilegien abgesichert und ihr Business-Imperium stark erweitert – unterstützt von Milliarden von Dollar an Hilfe aus dem Golf [reaktionäre Scheichs]“.4
Nicht umsonst bestand Marx darauf, dass eine Voraussetzung für den Erfolg einer Revolution „die Zerschlagung der alten Staatsmaschinerie“ sei und die Schaffung von u.a. Volksmilizen, um die Errungenschaften der Revolution zu verteidigen. Besonders notwendig ist die Beseitigung und Entwaffnung der Offizierskaste, die hauptsächlich die Interessen der besitzenden Klassen verteidigt, denen sie in Ägypten angehörte. Davon wurde natürlich nichts unternommen wegen des fehlenden Bewusstseins seitens der Massen, in Abwesenheit einer klaren revolutionären Führung. Daher hatte das Militär die freie Bahn zur Verschwörung. Sie nutzte die autokratischen und autoritären Maßnahmen des Muslimbruderschafts-Präsidenten Mohammed Mursi und stützte sich dann auf die folgende Unzufriedenheit der Massen, um ein Militärregime einzuführen, das nun zur Freilassung Mubaraks und seinen Günstlingen geführt hat.
Dies bedeutet nicht, dass die ägyptischen Massen und die in der gesamten Region sich plötzlich zur Ruhe gelegt hätten. Sie sind mit der Arbeitslosigkeit, dem Kampf um ein Stück Brot beschäftigt, aber dennoch schwirren die Ereignisse der ägyptischen Revolution in ihren Köpfen herum; sie werden zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder die Bühne betreten. Es gibt bereits eine Regung der Arbeiterklasse, durch Streiks und Erneuerung der Gewerkschaften.
In Tunesien ist eine neue Generation von ArbeiterInnen der UGTT nach der Revolution beigetreten. Arbeit innerhalb der UGTT bleibt eine Priorität für die Kräfte des Marxismus dort. Streiks haben einen Höhepunkt in der ersten Hälfte des Jahres 2015 erreicht, wurden aber teilweise torpediert durch die Auswirkungen der zwei aufeinanderfolgenden heftigen Terroranschläge. Als eine Welle der regionalen Streiks in der Privatwirtschaft im Herbst Fahrt aufgenommen hatte, wurde ein Selbstmordanschlag in Zentrum von Tunis, bei dem 13 Mitglieder der Präsidentengarde Ende November getötet wurden, von der Gewerkschaftsbürokratie genutzt, um alle geplante Arbeitskampfmaßnahmen abzusagen.
Die Führung der UGTT hat versucht, mit der herrschenden Klasse zusammenzuarbeiten. Es ist jedoch vor allem das Gewicht der organisierten Gewerkschaftsbewegung in Tunesien, die eine ähnliche heftige Konterrevolution wie in Ägypten verhindert hat. Die bürgerliche Konterrevolution in Tunesien kleidet sich „demokratischer“. Doch die wirtschaftliche Lage hat sich dramatisch verschlechtert und die tunesische Regierung, die von der restaurativen Partei Nidaa Tounes angeführt wird, hat erneut versucht, die demokratischen Errungenschaften der Revolution 2010-11 anzugreifen, vor allem mit Hilfe der Anti-Terror-Politik.
Ein Gesetz zur wirtschaftlichen Amnestie für korrupte Geschäftsleute, die mit dem alten Regime verbunden waren, provozierte ebenso Massendemonstrationen, die von jungen Menschen angeführt wurden. Das revolutionäre „Moment“, das vor fünf Jahren vom Aufstand eröffnet wurde, ist nicht abgeschlossen, und die regierende Partei steht vor einer tiefen inneren Krise. Neue Erhebungen der tunesischen Massen sind somit unvermeidlich.
Die Vorbereitung einer neuen Erhebung liegt in der Entwicklung von theoretisch klaren Organisationen mit einer erprobten Führung in der gesamten Region. In der Zukunft kann sich eine Situation entwickeln, in der eine kleine Kraft eine enorme Auswirkung auf Massenbewegungen haben kann. Wie auch in anderen Situationen, in denen sektiererische Polarisierung Schaden anrichtet, werden zu einem bestimmten Zeitpunkt die Massen davon angewidert sein und zu dem Schluss kommen, dass sie keine andere Wahl haben, als zu versuchen, auf Klassengrundlage vereint einzugreifen. Das Gleiche passierte nicht nur einmal, sondern bei einer Reihe von Gelegenheiten, z.B. in Nordirland, wo unsere GenossInnen eine Schlüsselrolle bei der Organisierung von Solidaritätsaktionen spielten, die zumindest eine Zeitlang die sektiererische Spaltung überwinden konnten.
Ebenso erhoben sich die irakischen ArbeiterInnen spontan 2011 und zeigten ihren Abscheu über das sektiererische Gemetzel, das die Gesellschaft in Atem versetze, indem sie durch die Straßen von Bagdad und anderen Städten marschierten mit Sprechchören wie „Wir sind nicht Schiiten oder Sunniten, sondern irakische ArbeiterInnen.“ Zudem protestierten sie auch gegen Korruption wie den Ausverkauf des irakischen Öls, und forderten die Verstaatlichung dieses wichtigen landesweiten Vermögens. Sie protestierten 2015 erneut gegen Korruption und die Einschränkungen der Stromversorgung.
Ein ähnlicher Prozess wird sich in anderen Ländern in der Region entwickeln, und wir müssen programmatisch darauf vorbereitet sein, zu intervenieren und zu versuchen, Klasseneinheit durch unabhängige Gewerkschaften und Massenparteien der Arbeiterklasse herzustellen. Dabei können wir uns auf unsere Erfahrungen anderswo stützen.
Das CWI hat keine untätige oder pazifistische Herangehensweise an den Alptraum, vor dem die Massen des Nahen Ostens und Nordafrikas stehen. Wir lehnen den Pazifismus ab und sind bereit, die demokratischen Rechte der Arbeiterklasse zu verteidigen – wenn erforderlich, mit der Waffe in der Hand –, wie es die spanischen, chilenischen und andere ArbeiterInnen taten, als die herrschende Klasse versuchte, ihnen diese mit Gewalt wegzunehmen. Wir sehen auch, dass alle Aspekte des rechten politischen Islam politisch und im Laufe der Zeit auch durch die Massen in der Region bekämpft werden müssen, die dieselbe Notwendigkeit erkennen werden. Daher ist es entscheidend, dass wir überall die Notwendigkeit von unabhängigen politischen Aktionen der Arbeiterklasse aufwerfen. Dies sollte, wenn es die Lage erfordert, die Organisation von Community-/religonsübergreifenden Arbeiterselbstverteidigungskräften umfassen, die die Arbeiterklasse vor dem Staat und den mörderischen Drohungen der Taliban, Isis, Al Kaida usw. schützen. Diese Drohungen richten sich gegen ArbeiteraktivistInnen, darunter einige unserer eigenen GenossInnen und führende AktivistInnen in Ländern wie Pakistan.
Türkei
Die Türkei, in der wir jetzt eine Basis haben, stand bereits vor einer wachsenden wirtschaftlichen und sozialen Krise. Diese ist durch die Folgen des Krieges in Syrien enorm verschärft worden, einschließlich der Millionen Flüchtlinge, die jetzt in das Land strömen. Dies ist eine Folge der offenen Unterstützung des rechts-islamistischen Präsidenten Erdoğan für die islamistische Opposition gegen Assad. Zuvor war er vorsichtig und schien sich beide Optionen offen zu halten, aber als es so aussah, als ob das syrische Regime drauf und dran sei, gestürzt zu werden, unterstützte er vermehrt die Opposition. Er hatte die Vorstellung, dass ihm dadurch erlaubt würde, in der Verehrung durch den Imperialismus zu stehen. Stattdessen ist die Wirtschaft geschrumpft, da die Exporte der Türkei zu den beiden größten Handelspartnern Europa und Russland zurückgegangen sind. Die größten terroristischen Vorfälle in der Geschichte des Landes haben in jüngster Zeit stattgefunden mit Hunderten von Opfern. Isis operiert offen, greift Demonstrationen der Linken an und ermordet linke AktivistInnen.
Wir haben ein Anwachsen von Streiks gesehen und zwei Parlamentswahlen in sechs Monaten erlebt, die nichts dazu beigetragen haben, um den politischen Stillstand zu ändern. Als die Regierungspartei AKP ihre Mehrheit bei den Parlamentswahlen im Juni verlor, schien das Erdoğans Pläne zu ruinieren: Er wollte den erwarteten Sieg dazu nutzen, seine Position im Präsidentenamt zu verbessern, für das er dann kandidieren wollte.
Stattdessen gab es bei den Wahlen den Durchbruch der pro-kurdischen HDP mit 13 Prozent der Stimmen, die ihn darin hinderten, eine absolute Mehrheit zu gewinnen. Bei den Wahlen im November konnte er das zum Teil ausgleichen, nach einer heftigen Angstkampagne, einschließlich der Anwendung von Terror in vor allem kurdischen Gebieten, und gegen die Linke im Allgemeinen. Doch er und die AKP bekamen trotzdem weniger als die nötigen 50 Prozent, die die Einführung von Verfassungsänderungen beim Präsidentenamt ermöglicht hätten. Diese hätten ihn dann, wenn er sie durchgebracht hätte, dazu befähigt, das Parlament zu umgehen und durch bonapartistische Methoden zu herrschen.
Es gab Enttäuschung über das Ergebnis der Resultate auf der Linken, aber die Türkei bewegt sich dennoch nach links. Die Ereignisse rund um den Gezi-Park in 2013 erschütterten das Bild eines „starken Mannes“ von Erdoğan und seinem Regime. Die Massendemonstrationen zeigten, dass er nicht so „allmächtig“ war, wie er sich das vorgestellt hatte. Diese Stimmung und Bewegung sind nicht zur Ruhe gekommen. Die sozialen Bedingungen verschlechtern sich unter den verheerenden Auswirkungen des regionalen Krieg – zusammen mit dem Aufkommen der kurdischen Frage – und mit der Verschlechterung der allgemeinen Lage der Weltwirtschaft. Dies wird erheblichen Einfluss auf die Türkei wie auf anderen „Schwellenländer“ haben. Das wiederum wird zu neuen Bewegungen der türkischen ArbeiterInnen und Jugendlichen führen und uns günstige Gelegenheiten für den Aufbau bieten.
Israel/Palästina
Der andauernde Konflikt in Israel/Palästina hat zwar nicht die gleichen Größenordnung wie die Schrecken von Syrien, aber auch er wurde kürzlich entfacht, vor allem in scheinbar zufälligen Zusammenstößen, die in Jerusalem stattgefunden haben. Einige der Angriffe auf JüdInnen und PalästinenserInnen waren ziemlich grausam und entsetzlich. Ein möglichst genaues Bild von dem, was passiert ist, gibt es in unseren Artikeln und unserer Presse und nicht in den bürgerlichen Medien, deren JournalistInnen aus der Distanz und ohne echtes Gefühl oder Verständnis für die Lage vor Ort schreiben. Durch tägliche Messerstechereien und Morde gab es im Oktober 58 tote PalästinenserInnen und 10 Israelis. Die Zahl der Verletzten ging in die Tausende. In einem schrecklichen Vorfall wurde ein eritreischer Asylsuchender erst angeschossen und dann gelyncht, wobei zwei der Tatverdächtigen als Gefängnisbeamte identifiziert wurden!
Wie die GenossInnen kommentierten: „Der Mob, besonders die zwei Gefängnisbeamten, setzten die neue halb-offizielle Politik um: Hinrichtung ohne Gerichtsverfahren für jeden (nichtjüdischen) Terrorismus-Verdächtigen.“ Der israelische Ministerpräsident Netanjahu nannte dies arrogant „Konfliktmanagement“, aber fast drei Viertel der Israelis haben in Umfragen Unzufriedenheit mit der Art und Weise zum Ausdruck gebracht, wie er mit der „Terrorwelle“ umgeht und mit seiner Unfähigkeit die Lage zu beruhigen.
Auf der anderen Seite ist fast der gleiche Prozentsatz nicht der Meinung, dass „Mitte-Links“ – in Wirklichkeit die rechte Arbeitspartei – es besser machen würde. Sie haben die katastrophale Politik unterstützt: die Schließung von Ost-Jerusalemer Wohnvierteln, größeren Spielraum beim Schießen auf Steinewerfer und härtere Gefängnisstrafen. Unterstützung für die noch rechteren Parteien und Gestalten wie Lieberman wächst zwar, aber nicht in gleichem Umfang.
Während unsere GenossInnen anerkennen, dass es ein Wachstum des Nationalismus unter der israelisch-jüdischen Bevölkerung gibt, gibt es eine Schicht, die die Schlussfolgerung zieht, dass die etablierten Parteien keinen Ausweg bieten. Auch eine militärische Lösung würde wahrscheinlich langfristig nicht funktionieren. Sogar der Generalstabschef gibt zu: „Es gibt keine klare militärische Lösung für diese Art von Herausforderung.“ Folglich haben unsere GenossInnen versucht, jene ArbeiterInnen und Jugendlichen, die wir erreichen können, auf vereinigte Massenaktion zu orientieren: „gemeinsamen Kampf von JüdInnen und AraberInnen und gegen Eskalation des Konflikts oder wahllosen Angriffe auf ZivilistInnen durch die Politik der Regierung“. Dies ist keine neue Forderung, aber es muss in der gefährlich polarisierten Lage in Israel/Palästina bekräftigt werden.
Darüber hinaus sind es nicht nur die israelischen Rechten, die die Spannung verstärken, sondern auch rechte islamistische Kräfte, wie Hamas und der Islamische Dschihad, die auch Terrorismus gegen JüdInnen fördern. Das Verbot einer Reihe von islamistischen Organisationen – der Großteil ihrer Aktionen bestand darin, jüdische Besucher des Tempelberg anzuschreien – heizt die Spannung an und vergrößerte den Konflikt zwischen den verschiedenen Religionsgemeinschaften.
Eine der Folgen ist verstärkte Repression gegen palästinensische Minderjährige aus armen Familien, die mit „behördlichen Genehmigungen“ konfrontiert sind, mit denen leichter auf sie geschossen werden kann und sie einfacher ins Gefängnis geworfen werden! Dies bedeutet, dass „die stärkste Militärmacht in der Region (die israelische Armee) bewaffnete Soldaten sendet, um Kinder zu bekämpfen“. Trotz aller Schwierigkeiten, bleibt es für uns notwendig, zu betonen, dass die ArbeiterInnen und Armen in Israel aus den verschiedenen nationalen Gruppen ein klares gemeinsames Interesse am Widerstand gegen die Eskalation des Konflikts und an der Arbeitereinheit haben.
Das sehr klare Programm unserer israelischen/palästinensischen Organisation zeigt den Weg vorwärts: „Gründung von zwei Hauptstädten in Jerusalem, soziale Absicherung für alle, gleiche nationale und religiöse Rechte … Nieder mit der Diktatur der Besatzung und den Siedlungen in palästinensischen Gebieten. Schluss mit der Belagerung von Gaza! Einrichtung eines unabhängigen und gleichen demokratischen und sozialistischen palästinensischen Staats neben einem demokratischen und sozialistischen Israel“5 in einer demokratischen und sozialistischen Konföderation der Region.
Europa
Die Euro-Krise, die in Griechenland in den letzten fünf Jahren wütete, bestätigt die Analyse des CWI. Griechenland vorübergehend in der Eurozone zu halten, hat die Krise nicht gelöst und sie wird wieder ausbrechen, entweder in Griechenland oder anderen Ländern wie Italien, Spanien oder Portugal. An einem gewissen Punkt wird dies zum Auseinanderbrechen der Eurozone in ihrer derzeitigen Form führen.
Zur gleichen Zeit gab es einen dramatischen Anstieg der nationalen Spannungen. Diese verschärften sich in Folge der Flüchtlingskrise , welche die Spannungen und Krisen in Europa vergrößert hat Diese und die Drohung eines „Brexit“ (Britischer Austritt aus der EU) könnten sich entwickeln und zu einer Umgestaltung der EU selbst in ihrer jetzigen Form führen. Die Europäische Union befand sich 2015 in ihrer bisher tiefsten Krise . Nationale Widersprüche und Konflikte sind in der Frage der Flüchtlinge explodiert; das Schengen-Abkommen, einer der Eckpfeiler der EU, ist zusammengebrochen. Die Krise für eine „Union“ mit mehr als 500 Millionen Einwohner , die sich an einer Million Flüchtlinge entzündet, bedeutet das Scheitern der Idee, dass Europa auf kapitalistischer Basis vereinigt werden könnte.
Europa bleibt angesichts unseres politischen Gewichts dort der wichtigste Kontinent für das CWI. Allerdings könnten unsere europäischen Sektionen durch unsere Gesinnungsgenossen in den USA eingeholt und überholt werden. Wir würden uns freuen, wenn dies geschehen würde, angesichts der kolossalen Auswirkungen von Ereignissen in den USA auf die Welt. Dennoch ist das Potenzial für ein deutliches Wachstum unserer Sektionen in Europa in der nächsten Zeit auch in der anhaltenden wirtschaftlichen, sozialen und politischen Krise verwurzelt.
Griechenland
Die Ereignisse in Griechenland zeigten die wacklige Natur der „Europäischen Union“. Ein „Grexit“ ist nicht ganz vom Tisch. Ereignisse könnten Griechenland erneut an den Rand drücken. Die Parlamentswahlen im September zeigten eine große Wahlenthaltung von rund 45 Prozent der Wählerschaft, mehr als bei früheren Wahlen, bei denen 25-30 Prozent nicht wählten. ArbeiterInnen weigerten sich, während der Wahl Zeitungen zu kaufen oder sogar Flugblätter zu nehmen. Dies zeigte die, gelinde gesagt, extreme Enttäuschung der Massen gegenüber allen Parteien, von denen jede einzelne an Stimmen verlor.
Zum Beispiel fiel Syrizas Anteil bei der Wahl nur geringfügig, aber tatsächlich verloren sie 320.000 Stimmen im Vergleich zu den letzten Wahlen im Januar 2015, während die Neue Demokratie, die rechte ehemalige Regierungspartei, 200.000 Stimmen weniger erhielt. Pasok, die bis Januar 2015 noch ein Koalitionspartner in der Regierung war, wurde von der faschistischen Goldenen Morgenröte geschlagen! Die Kommunistische Partei (KKE) mit ihrem organischen sektiererischen Linksradikalismus, behielt ihren Stimmenanteil, verlor aber auch Stimmen, in einer Zeit, in der eine etablierte linke Partei mit einem richtigen Programm und Perspektiven eigentlich an Zuspruch hätte gewinnen sollen.
Die linke Abspaltung von Syriza, Volkseinheit, schaffte die 3 Prozent-Hürde nicht, die notwendig war, um den Einzug ins Parlament zu erreichen, und ist daher nicht im Parlament vertreten. Wahrscheinlich wird sie in der Folge einen gewissen Anteil ihres politischen Personals verlieren. Vor den Wahlen verhielt sie sich bei Verhandlungen mit Linken außerhalb der Partei diesen gegenüber arrogant und stellte unverrückbare Forderungen. Obwohl formal gegen Kürzungspolitik, schaffte es die Volkseinheit nicht, ein glaubwürdiges sozialistisches Programm zur Beendigung der tiefen Krise zu vertreten und bewegte sich während der Wahlkampagne nach rechts. Sie identifizierte sich ausschließlich mit dem Übergang zu einer nationalen Währung und weigerte sich, irgendwie ein sozialistisches oder auch nur ein mild antikapitalistisches Programm zu erwähnen.
Unsere GenossInnen in Griechenland standen daher vor einer recht schwierigen Konstellation. Wir haben im Wesentlichen unsere Kräfte intakt erhalten, während die überwiegende Mehrheit der Linken mit zahlreichen Spaltungen und Abspaltungen konfrontiert war, konnten aber in einer Lage, die im Wesentlichen von Massenenttäuschung und Desillusionierung unter den Massen gekennzeichnet war, nicht substantiell wachsen. Wir haben jedoch bedeutende Fortschritte erzielt und neuen Boden in den Kommunen und der Massenbewegung erobert, im Hinblick auf die Kämpfe, die früher oder später stattfinden werden. Es gibt ein intensives Infragestellen, politische Gärung unter einer Minderheit von politisch fortschrittlichen Jugendlichen und ArbeiterInnen auf der Linken. Ähnlichkeiten zu Lateinamerika sieht man in Griechenland seit einiger Zeit, insbesondere die Zersplitterung der Linken in viele Gruppen ist Ausdruck davon.
Dies wiederum ist ein Produkt der verschiedenen Geschwindigkeiten, der Ausmaße und Herausforderungen durch Ereignisse, die sich in der Vergangenheit im Vergleich zu Nordeuropa, den USA usw. sehr viel schneller in Lateinamerika und jetzt in Griechenland und Südeuropa entwickelten. Organisationen werden im Feuer der Ereignisse getestet und oft für zu leicht befunden, für politisch der Situation nicht gewachsen, was in der Folge zu Spaltungen führt.
Dies zwingt uns in dieser konkreten Lage eine schwierige und „ungewöhnliche“ Taktik auf. In diesem Stadium ist dies nicht erforderlich, wo es eine Frage von zwei oder drei trotzkistischen Organisationen ist, die um Einfluss in der Jugend und Arbeiterbewegung konkurrieren. Wo der Boden übersät ist – mit einer Buchstabensuppe von Gruppen – obliegt es uns, zu helfen, den Boden frei zu machen und die Aufgabe für die Arbeiterklasse zu vereinfachen, indem wir nach maximaler Zusammenarbeit und Einheit auf einer prinzipienfesten Grundlage suchen. Selbst in Großbritannien haben wir eine solche Taktik durch die TUSC verfolgt, nicht nur die Zusammenarbeit mit der Eisenbahnergewerkschaft RMT, sondern auch mit der anderen zahlenmäßig bedeutsamen linken Gruppe, der SWP.
Ohne in irgendeiner Weise unsere marxistische Kritik an diesen Gruppen fallen zu lassen, kann dies begleitet werden von ernsthaften Anstrengungen, die gemeinsame Arbeit zu maximieren: Eine Einheitsfront auf einer begrenzten Basis eines vereinbarten Programms etc. Dies könnte letztlich zur Entstehung einer kohärenten Linken führen. Alte Allianzen fallen auseinander und neue Zusammenschlüsse nehmen ihre Stelle ein, mit einigen vielversprechenden Aussichten in Griechenland. Die Nachwirkungen von Niederlagen haben oft zu Spaltungen und Teilungen geführt. Aber der gegenteilige Prozess kann sich auch durch verstärkte Zusammenarbeit und die Stärkung der Kräfte der Linken entwickeln, was wiederum den Boden für einen neuen Aufschwung in der Bewegung bereiten kann.
Andere Sektionen der Internationale könnten zukünftig gezwungen sein, etwas von der Vorgehensweise und Taktik zu übernehmen – an die konkrete Lage in den einzelnen Ländern angepasst – die unsere griechische Sektion jetzt umsetzt. Natürlich wird der politische Zyklus in jedem Land verschieden sein, auch zwischen den verschiedenen Ländern Südeuropas.
In Griechenland ist es nicht völlig ausgeschlossen, wenn auch äußerst unwahrscheinlich, dass Tsipras trotz seiner Kriecherei kehrt macht. Wenn er zu weit getrieben wird – zum Beispiel durch das niederträchtige und grausame Drängen der EU auf Zwangsräumungen von ArbeiterInnen, die ihre Miete nicht bezahlen können – könnte er in Opposition gegen die Troika gestoßen werden und dabei eine Kette von Ereignissen in Gang setzen, die dazu führen kann, dass Griechenland aus der Eurozone gestoßen wird.
Auf der anderen Seite ist es durchaus wahrscheinlich, dass seine Regierung, die schon zwei Abgeordnete in den ersten beiden Monaten ihrer zweiten Amtszeit verloren hat, in der Krise und einer Art Koalitionsregierung mit den Parteien des Establishments wie PASOK, dem „Fluss“ oder der Zentrumsunion enden wird. Die Krise innerhalb SYRIZA hat ihren Zyklus noch nicht vollendet. Neue Spaltungen, kleinere oder größere, sind noch auf der Tagesordnung.
Zypern
Seit dem letzten Kongress wurde Südzypern (Republik Zypern) von einer der blühendsten Volkswirtschaften in Europa zu einer in bitterster Not verwandelt. Im März 2013 führte ein „Bail-in“ (bei dem die Einleger die Hauptkosten der Rettungsaktion tragen) zur „Rettung“ der beiden wichtigsten Banken der Insel dazu, dass Hunderte von Bankangestellten ihre Arbeitsplätze verloren und Kapitalverkehrskontrollen eingeführt wurden. Grausame Kürzungsmaßnahmen folgten, die die Wirtschaft in eine Rezession stürzten, die Arbeitslosigkeit auf 16 Prozent hoben (32,6 Prozent Jugendarbeitslosigkeit) und Tausende von „Neu-Armen“ schufen, die durch Suppenküchen überleben. Die plötzliche Zerstörung der Wirtschaft und des Lebensstandards schockierte die Massen derart, dass es keine großen Schlachten wie in Griechenland gab. Die verringerte Kampfbereitschaft der Arbeiterklasse wird sowohl beeinflusst durch ihre Erfahrungen mit AKEL an der Macht als auch mit den Gewerkschaftsführern, die keine Alternative zum Neoliberalismus bieten.
In Nordzypern (Türkische Republik Nordzypern) werden neoliberalen Maßnahmen von der Türkei und der „linken“ türkisch-zyprischen CTP durchgesetzt, die jetzt mit der UBP, der traditionellen Rechtspartei zusammenarbeitet. Die Koalitionsregierung führt Kürzungen und Privatisierungen ein. Dies hinterlässt eine riesige Lücke auf der Linken, die teilweise von kämpferischen Gewerkschaften gefüllt wird. Unter diesen Bedingungen haben sich unsere Kräfte weiterentwickelt und Fortschritte gemacht.
Verstärkte Verhandlungen über die nationale Frage wurden neu gestartet und es wird von einer Volksabstimmung 2016 geredet. Unsere Organisation steht für die Wiedervereinigung Zyperns, setzt aber kein Vertrauen in die Fähigkeit der Bourgeoisie, das Problem zu lösen. Eine Vereinbarung im Zusammenhang mit verstärkten Kürzungsmaßnahmen für die Kosten des Abkommens könnte stattdessen neue bi-kommunale Spannungen schaffen und den Prozess stoppen. Unsere Hauptaufgabe ist es, die Notwendigkeit für eine Einheitsfront der arbeitenden Bevölkerung auf beiden Seiten der Trennlinie zum Kampf gegen gemeinsame Angriffe und gegen die lokalen und internationalen herrschenden Eliten zu betonen. Wir betonen auch die Notwendigkeit eines gemeinsamen Kampfes mit den ArbeiterInnen in Griechenland und in der Türkei, und einer demokratische sozialistische Föderation.
Spanien
Spanien, im Vorfeld seiner Parlamentswahlen am 20. Dezember, hatte bereits eine Generalprobe in den Kommunal- und Regionalwahlen früher in diesem Jahr durchlaufen. Die Regierung erlitt eine schwere Niederlage. Sie verlor die Macht in vielen ihrer Großstadt-Hochburgen, während sie zur gleichen Zeit die Gesamtvorherrschaft in den Regionen verlor. Das Ausmaß ihrer Niederlage wurde durch ihre Abhängigkeit von der Unterstützung durch die Ciudadanos maskiert, der „neuen“ rechtspopulistischen Partei, die als „Sicherheitsnetz“ für die WählerInnen geschaffen wurde, die sich von der PP, der Regierungspartei, weg bewegten und sich sonst hätten zu Podemos davonmachen können. Das war dennoch eine entscheidende Ablehnung der Behauptung der Regierung, unter ihrer Leitung habe es eine spektakuläre wirtschaftliche Erholung gegeben.
Das Programm der wilden Kürzungen der spanischen herrschenden Klasse wurde bei diesen Wahlen zurückgewiesen. Die Arbeitslosigkeit ist von fast 24 Prozent auf knapp über 20 Prozent gesunken. Sie ist immer noch eine der höchsten in der Welt und an zweiter Stelle in Europa, nach Griechenland! Knapp 5 Millionen SpanierInnen sind immer noch arbeitslos. Ihre Verzweiflung wurde von einem Mann zusammengefasst, der anbot, einem Arbeitgeber 5000 €, zu zahlen, einfach damit er seinem arbeitslosen Sohn einen Start mit einem Job gebe! Dann gibt es die unerbittlichen täglichen Vollstreckungen von Zwangsräumungen und dem Widerstand dagegen, was zu Beschuldigungen des „Terrorismus“ durch die bürgerlichen Medien führte! Einige bekannte linke radikale Figuren, die solche militante Aktion unterstützt haben und teils den Widerstand anführten, wurden anschließend als Bürgermeister/innen in den beiden Hauptstädten von Madrid und Barcelona gewählt.
Podemos ritt auf der Welle des Erfolgs von Syriza in Griechenland. Es stieg zu einem bestimmten Zeitpunkt auf über 20 Prozent in den Meinungsumfragen und wurde als eine Bedrohung für die etablierten Parteien gesehen. Nun ist es von diesem Höhepunkt zurück gefallen. Dies widerspiegelt das Versagen seiner Führung, ein klares Klassenprogramm zu formulieren – sie etablierten das Konzept „Kaste“ anstelle von Klasse – zusammen mit einem Top-down-Organisationsansatz, der die Stimmen ihrer Mitglieder verpuffen lässt und die wirkliche Macht in den Händen der Führung konzentriert, während die Basis in machtlose „Netzwerke“ geschoben wird. Sie bewegte sich während der letzten Periode ebenfalls stetig nach rechts.
Die nationale Frage, insbesondere in Katalonien, aber auch in einem geringeren Ausmaß im Baskenland, ist in eine neue und explosive Phase getreten. Das katalanische Parlament stimmte für eine Resolution, die „den Beginn eines Prozesses der Schaffung eines unabhängigen katalanischen Staats in Form einer Republik“ forderte. Dies wird als ein möglicher Schritt hin zu einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung gesehen und wird scharf von den Parteien des spanischen Staates, der PP und der „sozialistischen“ PSOE, abgelehnt.
In den 1930er Jahren stellte sich die Frage mit viel größerer allgemeiner Unterstützung für die Lostrennung als heute. Masseneinwanderung aus dem Süden Spaniens, vor allem aus Andalusien, fand unter dem Franco-Regime statt und setzte sich danach fort, was die Lage veränderte. Die „Volksabstimmungs“-Wahlen am 27. September zeigten, dass die Gesellschaft in der Frage der Unabhängigkeit fast in der Mitte gespalten ist. Wir hängen dem allgemeinen Grundsatz des Rechts auf Selbstbestimmung an.
Deshalb stehen wir für das demokratische Recht des Volks von Katalonien, über sein eigenes Schicksal durch ein Referendum zu entscheiden. In dieser Phase würden wir ein „Ja“ in einem „Unabhängigkeits“-Referendum kritisch unterstützen, das viele als Chance sehen würden, Madrids Kürzungspolitik zu entkommen. Gleichzeitig muss wegen der Polarisierung, die in den Umfragen offensichtlich ist, wo etwa der Hälfte die Unabhängigkeit unterstützt und die Hälfte sie ablehnt, die Arbeiterbewegung klar in die Debatte eingreifen und Minderheitenrechte in einem unabhängigen Katalonien klar verteidigen. Aber wir werden nicht nationalistische Illusionen verstärken, dass ein kapitalistisches unabhängiges Katalonien bestehen könnte. Dieses muss verbunden werden mit den Völkern des spanischen Staates und der Iberischen Halbinsel insgesamt in einer demokratischen sozialistischen Konföderation.
Es ist nicht wahrscheinlich, dass dieses Thema sofort abgestimmt wird. Rajoy könnte dies zum Thema bei den bevorstehenden Parlamentswahlen machen, indem er die Bedrohung für die „Spanische Einheit“ beschwört und die Vorteile, die angeblich vom „Zusammenleben und Zusammenarbeiten aller Völker Spaniens“ entspringen. Diese Botschaft könnte ein Echo in Katalonien und ganz Spanien finden, es sei denn, sie wird effektiv von der radikalen Linken beantwortet.
Allerdings hat Podemos, gelinde gesagt, eine ambivalente Position in der nationalen Frage, ähnlich Corbyns Position zu Schottland. Sie vermitteln den Eindruck zu sympathisieren, sprechen sich aber nicht klar aus und scheinen dem Problem auszuweichen. Wir sind für den Aufbau einer vereinten Bewegung, die auf sozialistischer Grundlage allen Völkern des spanischen Staates und der Iberischen Halbinsel erlauben wird, über ihre eigene gemeinsame Zukunft zu entscheiden. Wenn Rajoy erneut gewinnt und die Macht in einer Koalition übernimmt, dann wird die Position der Regierung unerbittlich gegen ein Referendum sein. Dies würde die legitimen demokratischen Rechte der KatalanInnen, und auch der BaskInnen und anderer, die ihre Forderungen nach Autonomie oder Trennung umsetzen wollen, verweigern.
Allerdings wird jede neue Regierung nach den Parlamentswahlen massiv unter Druck sein, eine Lösung für die Krise in Katalonien zu präsentieren, einschließlich einer möglichen Reform der spanischen Verfassung, um für die weitere Anerkennung und die finanziellen Befugnisse Kataloniens zu sorgen. Die bestehende rechte Führung der Unabhängigkeitsbewegung – die nie wirklich für die Unabhängigkeit war – würde bereitwillig einen solchen Kompromiss akzeptieren. Doch das würde wahrscheinlich die Flut der Massenbewegung nicht völlig aufhalten, die entlang von Klassenlinien und zwischen rechts und links gespalten ist.
Die nationale Frage ist, wie wir in einer Reihe von Dokumenten des CWI erklärt haben, in ganz Europa und der Welt wieder auferstanden. Wir müssen unsere Kader schulen, auf die Entstehung von „alten“ nationalen Fragen aber auch auf komplett neue Situationen zu reagieren, die aus der Stagnation und dem Niedergang des Kapitalismus in der modernen Ära entstehen.
Das letzte Wort zu Podemos ist noch nicht gesprochen. Es ist möglich, dass es trotz seiner Führung, unter dem Einfluss einer weiteren Verschärfung der Krise und der möglichen Wiederwahl einer Art rechter Koalitionsregierung ein weiteres Wachstum und Druck von unten für die Öffnung und Demokratisierung seiner Strukturen erleben wird. Die neue Generation von jungen Menschen und ArbeiterInnen in Spanien und überall ist sehr verschieden von früheren Generationen: offener und gleichzeitig misstrauisch gegen bürokratische zentralisierte Führung. Sie fordern offene und integrative Organisationsformen, einschließlich der Idee von Allianzen oder Föderationen von verschiedenen Organisationen, die in einer Partei zusammen kommen. Es ist wahr, dass dies nicht grundlegend anders ist als das, was einst im Anfangsstadium der Arbeiterbewegung die Norm war, bevor eine kristallisierte bürokratischen Schicht sich entwickeln konnte.
Portugal
Portugal zeigt, wie der Druck der Arbeiterklasse auch auf Führungen der althergebrachten bürokratischen Parteien – wie die portugiesische KP – ausgeübt werden kann, wenn die Lage es erfordert. Nach der letzten Parlamentswahl konnte keine der „alten“ Parteien – die Ex-Sozialdemokraten (PSP) oder die vorherige rechte Koalition – allein regieren. Die Regierungskoalition scheiterte völlig, eine Mehrheit zu bekommen. Sie gewann knapp 37 Prozent der Stimmen, aber mit einer Stimmenthaltung von kolossalen 43 Prozent .
Dies bedeutete, dass nur eine sehr kleine Minderheit der Bevölkerung für sie stimmte. Wie GenossInnen erklärten: „Während der Kampagne versuchten sie, die Gesichter der Regierungsführer zu verbergen – der Henker, die die arbeitenden Menschen auf ein Niveau von Ausbeutung zerrten, das man seit der Zeit vor der Revolution des 25. April 1974 nicht gesehen hatte“6.
Die Hysterie der rechten KommentatorInnen ist ein Maß für die extreme Krise, in die Portugal durch diese Ereignisse gestürzt wurde. Es wurde sehr deutlich für die Massen, die alle diese Parteien – einschließlich der rechten sogenannten Sozialistischen Partei – Parteien des faulen Kapitalismus, der Kürzungspolitik sind. Der Präsident intervenierte auf skandalöse Weise nach den Ergebnissen der Wahl und versuchte, die Macht wieder dem Vertreter der Rechten und früheren Ministerpräsidenten Passos Coelho auszuhändigen. Er startete gleichzeitig eine Tirade gegen die Linke. Die Bedrohung durch die „Syrizisierung“ (Verschiebung nach links) der Sozialistischen Partei durch ihre Verhandlungen mit den Linken – Linksblock und Kommunistische Partei – mit einigen begrenzten Reformen, so dass sie eine von den Linken im Parlament unterstützte Minderheitsregierung bilden könnte, zeigt die Angst der portugiesischen und europäischen herrschenden Klasse vor jedem Infragestellen von Kürzungsmaßnahmen oder vor einer Beteiligung und Druck durch die Arbeiterorganisationen.
Die Zusammenarbeit des Linksblocks und der PCP, wenn sie prinzipientreu sein soll, kann nur auf einer Fall-für-Fall-Grundlage mit öffentlichen Verhandlungen geschehen – sie muss ich dem Urteil der Arbeiterbewegung stellen, so dass die portugiesischen Massen in der Lage sind, ihre Ansichten offen zu sagen. Leider war das nicht der Fall; Die Linke entschied sich, die Arbeiterklasse aus dem Prozess herauszuhalten, Verhandlungen hinter verschlossenen Türen zu führen, die in nach rechts verschobenen Vereinbarungen endeten.
Außerdem muss, worauf unsere GenossInnen hingewiesen haben, durch die Massenmobilisierung der portugiesischen ArbeiterInnen wirklicher Druck ausgeübt werden, um sicherzustellen, dass deren Forderungen umgesetzt werden. Portugal ist in eine sehr komplexe neue Periode eingetreten, die große Chancen bietet, aber auch große Gefahren. Unter dem Druck der internationalen Ereignisse sowie der Massenkämpfe unter der Vorgängerregierung ist die Ex-Sozialdemokratie in ihrem Versuch zu überleben bereit, einige Zugeständnisse zu machen. Das kann einige Illusionen in den Reformismus schüren, wenn auch sehr kurzlebig, und ArbeiterInnen von der Straße fernhalten. Aber auf der anderen Seite verzeichnete die Linke ein wichtiges parlamentarisches Wachstum, vor allem der Linksblock, der eine neue Generation von ArbeiterInnen und Studierenden in den Kampf zieht.“
Portugal ist in eine Periode des erneuten Kampfes eingetreten und unsere überwiegend jugendlichen Kräfte können eine wichtige, ja eine entscheidende Rolle beim Gewinnen und Organisieren der neuen Generation spielen, indem sie sich auf die revolutionäre Geschichte der portugiesischen Arbeiterklasse und die Rolle des CWI bei der Intervention in diesem Land und der Bewegung auf der Iberischen Halbinsel insgesamt stützen.
Großbritannien
Die gegenwärtige Tory-Regierung in Großbritannien wird unter starkem Druck beim EU-Referendum kommen, das bis Ende 2017 abgehalten werden muss. Die entscheidenden Teile der britischen Bourgeoisie haben sich mit überwältigender Mehrheit für ein „drin“ bleiben positioniert. Dabei geht es ihnen um das Prestige und die wirtschaftlichen Interessen des britischen Imperialismus, die bereits drastisch verringert sind. Sie sind entsetzt, aus dem Entscheidungsprozess der EU ausgesperrt zu werden. Dies wiederum könnte dazu führen, dass China und die USA Britannien nicht mehr wie momentan als Wirtschaftsstartrampe in die EU benutzen. Cameron hat vor kurzem viel politisches Kapital in das Hofieren der chinesischen Regierung investiert, um sie zu überzeugen, dass Großbritannien ein fruchtbares Feld für Investitionen sei. Dies würde alles in Gefahr gebracht werden, wenn das „Nein“-Lager gewinnen würde.
Darüber hinaus ist das Problem für Cameron, dass es in seiner Partei einen bedeutenden Teil gibt – die „Euroskeptiker“ –, der seine Vorschläge ablehnt, Großbritannien in der EU zu halten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Tory-Partei sich spaltet und neue Parlamentswahlen durchgeführt werden müssten. Denn in dieser Frage könnte die Regierung ihre Mehrheit im Unterhaus verlieren, obwohl die Mehrheit der Labour-Abgeordneten wahrscheinlich Cameron in diesem Thema unterstützen würde. Wichtige Entscheidungen über die Richtung des britischen und europäischen Kapitalismus stellen sich dadurch. Dementsprechend werden sie alle ihnen zur Verfügung stehenden Propagandawaffen nutzen, um für ein „Ja“ zu sorgen.
Es ist jedoch nicht garantiert, dass sie mit Erfolg das gewünschte Ergebnis durchsetzen werden. Das Referendum wird zunehmend als eine Chance für die Arbeiterklasse gesehen, um Cameron und der Tory-Regierung durch die Mobilisierung und eine Abstimmung mit „Nein“ einen Schlag zu versetzen. Wir haben uns für ein „Nein“ positioniert, aber haben dies verknüpft mit einer Klassen- und internationalistischen Position „Nein zu einer kapitalistischen EU, Ja zu einem sozialistischen Europa.“
Deutschland
Die Eurozone insgesamt ist noch nicht vollständig den Verwüstungen der Krise 2007-08 entkommen. Einige der wichtigsten Länder – Frankreich, Italien, Spanien und Portugal, ganz abgesehen von Griechenland – sind in Depression verstrickt und weisen immer noch verschiedene Grade von Massenarbeitslosigkeit auf. Großbritannien und Deutschland sind scheinbar den schlimmsten Auswirkungen der Krise entkommen, aber dies ist eine Illusion. Großbritannien hat Hunderttausende von schlecht bezahlten, unsicheren „Wegwerf-Arbeitsplätzen“ geschaffen. Deutschland hat einen der größten Anteile der Erwerbsbevölkerung Europas in Teilzeit-, schlecht bezahlter und sonstiger prekärer Beschäftigung.
Jetzt ballen sich die Sturmwolken eines neuen wirtschaftlichen Abschwungs. Deshalb hat Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, bereits laut über Maßnahmen nachgedacht, um die europäische „Erholung“ zu steigern. Er wurde dazu veranlasst durch das, was die Financial Times als „den schrecklichen Zustand der Wirtschaft der Eurozone“ beschrieb. Dies wurde durch den Rückgang von 0,3 Prozent in der Industrieproduktion im September 2015 gegenüber dem Vormonat hervorgehoben. Milliarden treiben bereits als Folge der EZB-Maßnahmen der quantitativen Lockerung, die zuvor auf 1,1 Billionen € geschätzt wurden, in der Weltwirtschaft herum. Aber wenn sie mit einer weiteren schweren Krise konfrontiert sind, symbolisiert durch sehr niedrige Inflation, mit anderen Worten Deflation, werden die Zentralbanken nicht zögern, zu intervenieren, um die „Märkte“ zu stützen.
Deutschland ist das wichtigste Land in Europa, sowohl aus der Sicht der Bürgerlichen des Kontinents als auch vom Standpunkt der Arbeiterklasse. Es war im letzten Jahr mit massiven Umwälzungen konfrontiert und bewegte sich von einer Situation der relativen Ruhe und Stabilität – in der die Große Koalition in der Lage war, sogar einige minimale soziale Zugeständnisse zu gewähren – zu einer Situation einer schnell wachsenden politischen Polarisierung rund um das Thema Rassismus und Flüchtlingsfrage. Die enorm enthusiastische und gastfreundliche Reaktion von Teilen der deutschen ArbeiterInnen – vor allem der Jugend – begann Zweifeln und Widerspruch Platz zu machen, wegen der weit verbreiteten Ängste, dass der plötzliche Massenzustrom von Menschen eine große Belastung für Ressourcen bedeuten könnte, sogar für ein „reiches“ Land wie Deutschland. Eine Polarisierung führte zur Entstehung von rechtspopulistischen Phänomenen wie der Pegida-Bewegung und der AfD-Partei, aber auch antirassistischen und antifaschistischen Massenmobilisierungen, vor allem von jungen Menschen. 2015 brachte auch die größte Anzahl von Streiks für einen beträchtlichen Zeitraum, die hauptsächlich im öffentlichen und Dienstleistungssektor stattfanden. Einige dieser Streiks waren bitter und langwierig und noch nicht alle führten zu Erfolg, wie bei den Postbeschäftigten. Andere, wie die der Lokführer, führten zum Sieg, während beim Kindergarten- und Sozialarbeiterstreik die Gewerkschaftsführer mit erheblichem Widerstand gegen ihre Versuche konfrontiert waren, den Konflikt auf einer schlechten Basis zu beenden. Zur gleichen Zeit gab es eine Massendemonstration von 250.000 gegen das sogenannte Freihandelsabkommen Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP), bei der es, wie unsere Genossen berichteten, ein großes Interesse an sozialistischen Ideen gab.
Jedoch drückten diese einzelnen Kämpfe wegen der rechten Politik der Gewerkschaftsbürokratie und ihrer mangelnden Bereitschaft, diese Bewegungen in einem politischen Kampf zusammen zu bringen, nicht der Gesellschaft insgesamt den Stempel auf. Als die deutsche Gesellschaft von der Flüchtlingskrise beherrscht zu werden begann, half das Fehlen einer Arbeiteralternative beim Wachstum des Rechtspopulismus und der wachsenden Zahl von Brandanschlägen gegen Flüchtlingsheime. Die deutsche Kanzlerin Merkel ließ mehr als eine Million Flüchtlinge 2015 nach Deutschland. Zum Teil, weil ein Aufhalten der verzweifelten Flüchtlinge mit Gewalt zu Empörung in der deutschen Gesellschaft geführt hätte, und auch, weil es aus wirtschaftlichen Gründen ein Interesse der weitsichtigeren deutschen Bourgeoisie an einem Anstieg der Zuwanderung nach Deutschland gibt. Die herrschende Klasse hat sich seit einiger Zeit um die demografischen Muster in Deutschland gesorgt, wo die Bevölkerung immer älter wird. Nach den heutigen Trends könntedie Bevölkerungszahl Deutschlands unter das Niveau Großbritanniens sinken. Daher macht Merkel „aus der Not eine Tugend“ und poliert zugleich ihr „liberales“ Bild auf, das bei Griechenland nicht zu sehen war. Sie schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe, indem sie ihre Kanzlerschaft als großherzig präsentiert.
Dennoch wurde die Asylgesetzgebung verschärft und die vorübergehend „offenen Grenzen“ wurden bald geschlossen. Merkels Politik traf auf Widerstand innerhalb ihrer eigenen CDU und ihrer Schwesterpartei CSU, die aus Angst vor dem Verlust von Unterstützung an rechtspopulistische Kräfte eine aggressivere nationalistische und immigrantenfeindliche Position einnahm. Die deutsche Sektion reagiert energisch auf diese neue Lage und machte wichtige Fortschritte in antirassistischen Jugendkampagnen, aber auch einige aus Gewerkschaftskämpfen. Das CWI hat immer auf das vorhandene Potenzial für Gewerkschaften und sozialen Bewegungen und für eine linke Antwort auf Rassismus und Rechtspopulismus hingewiesen. Dieses Potential wird von der Gewerkschaftsführung und der linken Partei DIE LINKE nicht genutzt, in denen unsere GenossInnen sich weiter beteiligen. DIE LINKE hat immer noch die Merkmale von zwei Parteien in einer und spielt eine Rolle in Arbeitskämpfen und sozialen Bewegungen, aber verschiebt sich stetig nach rechts mit einer Fortsetzung nach Regierungsbeteiligungen mit SPD und Grünen. Die Aussichten bleiben offen.
In jenen Ländern, in denen die Flüchtlinge nur „durchreisen“ und nicht die Absicht haben, sich dauerhaft niederzulassen – Griechenland, einige der Länder des Balkans, Österreich etc. – haben sich unsere Genossen an einer allgemeinen Willkommens-Herangehensweise beteiligt, engagiert in Solidaritätsmaßnahmen, Bereitstellung von Unterkünften, Kleidung, Lebensmitteln, etc. Natürlich haben wir uns in Deutschland und anderswo auch wo wir konnten an solchen Aktivitäten beteiligt. Die Herausforderung besteht darin, Asylsuchende und andere zu verteidigen und zur gleichen Zeit Übergangsforderungen aufstellen: für die Intervention der Arbeiterbewegung für eine transparente und demokratische Intervention und Beurteilung von Einwanderungsfällen, dem Bleiberecht, Arbeitserlaubnissen usw.
Finnland
Die Generalstreiks im Januar in Norwegen und im September in Finnland zeigten auch, dass Elemente von Griechenland und Spanien nach Nordeuropa kommen. Pläne, die Gewerkschaften anzugreifen, wurden vorübergehend ausgesetzt, nachdem sich fast 30.000 Menschen in Helsinki versammelten und mit umfangreichen Streiks demonstrierten, die jeden Transport sowie einen Großteil der Schwerindustrie stoppten. Dies wurde von Studierendenbesetzungen unterstützt, wobei die Jugendlichen einen sicheren Instinkt bewiesen, indem sie sich bei der Arbeiterklasse einreihten. Unsere GenossInnen sowohl aus Schweden als auch Finnland intervenierten bei diesen Ereignissen und stellten die Forderung auf, dass der Streik mit entschiedeneren Maßnahmen fortgesetzt werden müsse.
Belgien
Belgien ist ein wichtiger Schauplatz für das CWI angesichts des spezifischen Gewichts der organisierten Arbeiterklasse zusammen mit den Wurzeln, die wir in diesem Land aufgebaut haben. Es war ebenfalls konfrontiert mit Umwälzungen, und nicht nur durch die Auswirkungen der Pariser Terroranschläge. Die belgischen ArbeiterInnen sind mit einer Lawine von Angriffen durch die erste explizit rechte Regierung seit den späten 1980ern konfrontiert, die Wut und Opposition der ArbeiterInnen provoziert: „Keine Thatcher hier“. Im Herbst 2014 brachte eine sich kolossal steigernde landesweite Bewegung, einschließlich einer 150.000-starken landesweiten Demonstration und drei regionaler 24-Stunden-Generalstreiks, die in einem landesweiten 24-Stunden-Generalstreik gipfelten, die Regierung an den Rand des Zusammenbruchs. Doch die Gewerkschaftsführer weigerten sich, den Job zu vollenden.
Im Wesentlichen haben die Gewerkschaftsführer Angst vor der eigenen potentiellen Macht. Sogar die besten von ihnen versuchen, Bewegungen im Zaum zu halten und sie auf die Wahlebene abzulenken. Dies ist ein Muster, das wir an anderer Stelle gesehen haben, auch in Großbritannien in der Zeit von 2010 bis zu den Parlamentswahlen 2015. Nachdem die Regierung ihr Gleichgewicht wieder hergestellt hatte, startete sie weitere Angriffe, einschließlich Maßnahmen, die Fähigkeit der ArbeiterInnen zum Widerstand zu verringern. Dabei halfen der Regierung die Terroranschläge in Paris im Januar und mehr noch im November 2015. In der internationalen Presse diente das Land als Sündenbock, das schwache Kettenglied in der Bekämpfung des Terrorismus. Gepanzerte Fahrzeuge, die Armee auf den Straßen, die Schließung der Brüsseler U-Bahn, von Geschäften und Schulen sollten die Festigkeit der Regierung zeigen. Während am 7. Oktober noch 100.000 ArbeiterInnen gegen die Regierung demonstrierten, sagten nach den November-Terroranschlägen die Gewerkschaftsführer weitere Demonstrationen ab. Die kämpferischsten Gewerkschaftsdelegationen und -regionen waren zwar nicht unempfindlich gegenüber der allgemeinen Atmosphäre der Angst, suchten aber dennoch einen Weg, Passivität zu vermeiden. Ein regionaler Streik im südlichen Hainaut am 23. November konzentrierte sich auf Streikposten, während er die geplante Demo vertagte. BusfahrerInnen streikten und Bahngewerkschaften formulierten Forderungen für die Sicherheit der ArbeiterInnen und Fahrgäste. Unsere belgische Sektion rief zu Betriebsversammlungen zu diesem Thema auf.
Wir „konkurrieren“ derzeit mit der ex-maoistischen PTB in einigen Arbeitsfeldern. Sie haben eine gewisse Wahlposition erreicht – 9 Prozent in den Meinungsumfragen –, aber auf der Grundlage, dass sie sich des maoistischen „Linksradikalismus“ entledigt und sich stark in Richtung einer reformistischen Position verschoben haben. Die Geschichte zeige, sagte Marx, dass eine Partei aufgebaut werden kann, wenn die Massen nach einer linken Alternative suchen und politische Defizite nicht unmittelbar erkennbar sind. Sobald jedoch diese Parteien eine bestimmte „Popularität“ erreichen, können sie auf die Probe gestellt werden. Bei den Wahlen 2014 konnte die ex-maoistische PTB teilweise die Lücke links von Sozialdemokratie und Grünen füllen. Sie wird auch von vielen kämpferischen GewerkschaftsaktivistInnen und sich radikalisierenden Jugendlichen so gesehen. Die PTB wird ein erschwerender Faktor bei der Bildung eines wirklichen Arbeiterkampfpartei sein, mit dem man rechnen muss und die sich unserer Präsenz sehr bewusst ist und versuchen wird, uns auf Abstand zu halten, getrennt von den Hauptströmungen. Die Prüfung durch die Ereignisse, verbunden mit strenger marxistischer Kritik an allen gegnerischen politischen Strömungen, sind von entscheidender Bedeutung für alle diejenigen, die Führung in der Arbeiterbewegung erreichen wollen. Die Unterschiede in den Methoden und Programmen werden schon klar. Das bietet uns bedeutende Chancen, unsere Sektion jetzt und noch mehr in Zukunft in allen Regionen des Landes aufzubauen.
Belgien spielte schon immer eine Schlüsselrolle wegen seiner zentralen Position in Bezug auf andere Länder. Die andere Seite Belgiens zeigte sich in den letzten terroristischen Vorfällen. Das Land war der Startpunkt für die Dschihadisten, die das Massaker von Paris initiierten.
Wir haben eine lange und fruchtbare Erfahrung beim Aufrechterhalten des Banners des echten Marxismus/Trotzkismus in dem Land, aber ein neues günstiges Kapitel kann beginnen, welches Chancen bieten wird für das CWI, eine starke Position sowohl in Flandern als auch in der französischsprachigen Wallonie in der nächste Periode aufzubauen.
Frankreich
In Frankreich haben die Folgen der Terroranschläge auf jeden Fall dem Front National von Marine Le Pen geholfen, große Gewinne bei den Regionalwahlen zu machen. Eine vor den Pariser Bombenattentaten durchgeführte und im Economist veröffentlichte Umfrage zeigte, dass der FN die „populärste Partei unter Arbeiterklasse-Wählern“ mit 41 Prozent war im Vergleich zu einem Einbruch im Ansehen der Sozialistischen Partei (PS), die von nur 24 Prozent der Arbeiterklasse-Wähler unterstützt wurde. Das ist ein Tiefpunkt im Vergleich zu ihrem früheren Allzeittief. Der FN versucht sogar, die Muslime zu hofieren: „Muslime vielleicht, aber die Franzosen zuerst.“ Ein Parteisprecher erklärte: „Niemand will Islamismus, am wenigsten Muslime“7.
Dies verstärkt die Tendenz zu diesem Zeitpunkt, dass die überwiegenden rechtsextremen Parteien Wahlpopularität erlangen wollen und ihre offener militaristischen, neofaschistischen Merkmale los werden möchten. Im Fall von Le Pen, bedeutete es das brutale Abservieren ihres väterlichen Erbes, das zu offen mit seiner „extremistischen“ Vergangenheit verbunden ist. Er beklagte, dass es nicht sehr nett sei „den eigenen Papa zu töten“8.
Hollande auf der anderen Seite konnte seine Zustimmungsraten kurzfristig verbessern. Das war unvermeidlich angesichts des vollständigen Versagens seiner Präsidentschaft bisher, die brennende Arbeitslosigkeit zu stoppen. Sie beträgt mindestens 10 Prozent – und doppelt so hoch in den Banlieues rund um Paris, wo vier Millionen Menschen leben. Für junge Menschen ist die Arbeitslosenziffer in diesen Bereichen 40 Prozent. Kein Wunder, dass der Präsident ausgebuht wurde, als er diese Gebiete auf einer „Goodwill-Tour“ besuchte und ein Jugendlicher ihn fragte: „Wann werden die Dinge sich hier jemals ändern?“9
Sie hatten Illusionen, dass die Sozialistische Partei die Dinge ändern könnte und haben bei den Präsidentschaftswahlen stark für Hollande gestimmt. Bittere Enttäuschung folgte unweigerlich. Das wird wahrscheinlich dazu führen, dass diese Bereiche und große Teile des ärmsten Teils der Bevölkerung nicht unbedingt für die Rechten stimmen, aber der Wahl fernbleiben und sie dadurch wieder an die Macht lassen.
Die Sozialistische Partei scheint der unvermeidlichen Niederlage geweiht. Sie verschiebt sich weiter nach rechts mit Macron, dem Wirtschaftsminister, der als offene Stimme des Großkapitals ins Kabinett gebracht wurde – „wirtschaftsfreundlich“. Er erklärte seine Sehnsucht, „mehr französische Jugendliche, die Milliardäre sein wollen“ zu sehen.10
Dies passiert zu einer Zeit, in der die Arbeiterklasse immer wütender wird über die erhöhte Belastung durch den scheiternden französischen Kapitalismus, einschließlich weiterer Versuche, die 35-Stunden-Woche zu verwässern und schließlich zu beseitigen. Diese Wut wurde bei dem Air-France-Zwischenfall, als einem Unternehmensvorstand buchstäblich von ArbeiterInnen das Hemd vom Leibe gerissen wurde, offensichtlich! Wie vorauszusehen war, gab es ein großes Geschrei in Frankreich und anderswo, dass dies ein Beispiel für „Terrorismus“ sei. Dies zeigt die reaktionären Auswirkungen von Terrorismus, der immer als Entschuldigung von den Bürgerlichen zum Bekämpfen von Freiheitsrechten und Beschneiden von demokratischen Rechten verwendet wird. Gewerkschaftsrechte, das Demonstrationsrecht und Pressefreiheit sind alle unter Beschuss.
Demonstrationen wurden von den feigen Gewerkschaftsführern in Belgien nach den Pariser Angriffen abgesagt, auch wenn manche Streiks und Streikposten stattfanden. In Frankreich jedoch spiegelte die CGT-Führung die Stimmung der Basis in Paris und anderswo wider und lehnte die Forderung nach „nationaler Einheit“ ab.
Reaktion auf Isis-Attacken
Die britischen Konservativen haben die terroristischen Aktionen des rechten politischen Islams genutzt, um „Extremismus“ zu verurteilen. Aber dies ist auch gegen die Linke im Allgemeinen und insbesondere den Marxismus gerichtet. Das Informationsfreiheitsgesetz wirft etwas Licht auf die undemokratischen Maßnahmen des Staates, aber Blair, der es eingeführt hat, „bedauert“ es jetzt! Es droht nun rückgängig gemacht zu werden aus „Sicherheits“-Gründen, um Terrorismus zu verhindern! Der Terrorismus der Dschihadisten ergänzt den Terrorismus des Staates. Wir müssen wachsam sein und, während wir den Terrorismus ablehnen, zugleich alle antidemokratischen Bedrohungen sowohl gegen die Arbeiterklasse als auch gegen die Arbeiterbewegung bekämpfen.
Europa macht die ersten Schritte auf möglicherweise dem gleichen Weg, den die USA nach dem Angriff des 11. September gingen: die Einführung des Patriot Act und schließlich die Obszönität von Guantánamo Bay. Es gibt schon genug bestehende Reserve-„Notstands“-Maßnahmen. Man muss nicht viel mehr hinzufügen, um einen Polizeistaat einzuführen! Aber das gegenwärtige Verhältnis der Klassenkräfte erlaubt den Bürgerlichen nicht, auf diesem Weg fortzufahren. Auch ist die Position des Kapitalismus noch nicht verzweifelt genug für sie, um zu solchen extremen Maßnahmen zu greifen, dass sie einen Arbeiterklassen- und Volksaufstand riskieren würden, der die Existenz des Systems in Gefahr bringen würde. Allerdings sind die allmählichen Einschränkungen demokratischer Rechte nach jedem Terroralarm unheimlich und müssen bekämpft werden.
Die Bürgerlichen werden alle zur Verfügung stehenden Mittel verwenden, um die öffentliche Meinung, darunter Teile der Arbeiterklasse, hin zu ihrem ideologischen Standpunkt zu verbiegen. Sie schreiben nicht nur die Fragen, sondern auch die Antworten!
Jeder Versuch, eine grundlegende Erklärung der Gründe für die Angriffe zu geben, wird systematisch niedergeschrien, ob sich dies gegen Jeremy Corbyn oder normale ArbeiterInnen richtet. Die Erklärung für die mörderischen Kriege im Irak, in Afghanistan und jetzt die syrische Katastrophe, ihre Auswirkungen auf die muslimischen Massen – auch auf entfremdete, oft arbeitslosen Jugendlichen in der „entwickelten“ Welt – werden beantwortet mit „diese Taten sind einfach nur böse, die Produkte von geistesgestörten Menschen – nichts kann wahllosen Krieg gegen Unschuldige rechtfertigen“.
Ja: nichts kann diese Aktionen von Isis entschuldigen, die wir vorbehaltlos verurteilen. Aber prägte nicht die CIA ursprünglich den Begriff „Blowback“ (Rückschlag), um die unvermeidlichen heftigen Reaktionen zu erklären – Rückstoß, Vergeltung –, wenn Länder zurück in die Steinzeit bombardiert werden und sich die Leichen auftürmen?
Solche Versuche, objektive Wirklichkeit zu verzerren, sollen die arbeitenden Menschen davon abhalten, die offensichtliche Schlussfolgerung zu ziehen, dass jede weitere militärische Intervention im Nahen Osten – insbesondere in Syrien, wo sie unmittelbar droht – kontraproduktiv wäre und sicher weitere Terroranschläge der ienen oder anderen Art auf jene Mächte und ihre Menschen auslösen würde, die militärisch in der Region engagiert sind.
Die britische Regierung von Cameron strebt danach, die Zustimmung des Parlaments für eine Luftkampagne in Syrien gegen Isis zu erlangen. Bei ihr geht ist nicht um irgendwelche wichtigen militärischen Wirkungen, die wahrscheinlich mickrig und unwirksam sind. Aber sie werden Britannien noch mehr zu einem Ziel für Terroranschläge machen.
Warum diese Maßnahme von Cameron vorgeschlagen wird, erklärt sich hauptsächlichaus Prestigegründen. Es ist ein Versuch, die Tory-Regierung bei den USA einzuschmeicheln, die den britischen Mangel an militärischen Kapazitäten „beim Teilen der Last“ in der Konfrontation mit Isis im Nahen Osten und anderswo kritisiert.
Irland
Irland ist natürlich ein Schlüsselland für das CWI, mit einer starken parlamentarische Präsenz und einer führende Rolle in der Anti-Wassergebühren-Massenkampagne. Das Niveau der Nichtzahlung ist hoch – 52 Prozent der 1,52 Millionen Haushalten zahlten ihre zweite Rechnung nicht. Die Regierung nähert sich dem Ende ihrer Amtszeit und Labour, Teil der Regierungskoalition, erlitt einen Zusammenbruch der Unterstützung auf unter 10 Prozent. Die Regierung wird gezwungen sein, Wahlen für April 2016 auszuschreiben, und hat zu einer Einschüchterungskampagne gegen NichtzahlerInnen der Wassergebühren gegriffen. Sie steckt hinter der Verfolgung von 27 AktivistInnen bei den Jobstown-Protesten, einschließlich des TD der Sozialistischen Partei Paul Murphy, was seine Inhaftierung zur Folge haben könnte. Sie werden feststellen, dass dies den Protests nur noch mehr steigern wird.
Das Herannahen der Parlamentswahlen hat wiederum Spekulation über und Druck für die Bildung einer linken Alternative im Süden gegen die bestehende diskreditierte rechte Regierung erhöht. Unsere Partei und die Anti-Austeritäts-Allianz (AAA) – zu der wir gehören – sind auch durch führende linke GewerkschafterInnen unter Druck geraten, uns auf ein Bündnis einzulassen, das Sinn Féin umfassen würde. Dies geschieht im Zusammenhang mit einer Rechtsverschiebung von Sinn Féin, welche versucht, der herrschenden Klasse zu zeigen, dass diese ihr an der Regierung trauen kann. Sie versuchen, sich als radikal oder anti-Establishment zu präsentieren, und auch, wenn es widersprüchlich ist, werden sie von einer Schicht ihrer AnhängerInnen so gesehen. Doch einige führende Mitglieder der Sinn Féin haben Versuche befürwortet, eine Koalitionsregierung mit Fianna Fail und sogar Labour zu bilden. Vor dem Hintergrund der jüngsten Enthüllungen über vergangene IRA-Morde besteht der Verdacht, Sinn Féin könnte in diese verwickelt sein.
Trotz der Komplikationen haben unsere Partei und die AAA im Süden signalisiert, dass sie abhängig von der Anzahl der gewählten TDs und der politische Zusammensetzung des Dáil nach der Wahl, einer Regierung ohne Beteiligung der Parteien des Establishments, die zunächst als „Anti-Austerity“ oder „radikal“ wahrgenommen würde, nicht verhindern würde, dass eine solche Regierung an die Macht kommt, um die diskreditierte rechte Regierung zu ersetzen. Allerdings würden wir einer solchen Regierung, die im Rahmen des Kapitalismus bleiben würde, nicht beitreten. Wir würden befürworten und zustimmen, dass sie ins Amt kommt und dann zu jeder Frage je nachdem abstimmen, ob es im Interesse der Arbeiterklasse wäre oder nicht. Gleichzeitig würden wir Bewegungen mobilisieren helfen, die eine solche Regierung unter Druck setzt, Politik zur Verteidigung der arbeitenden Menschen zu beschließen.
Der Norden ist sehr wichtig, und es gab einige sehr wichtige Entwicklungen, einschließlich eines eintägigen Streiks im öffentlichen Dienst gegen die Kürzungspolitik im März 2015, in dem wir eine wichtige Rolle gespielt haben. Während Sinn Féin die größte Partei innerhalb der katholischen Bevölkerung bleibt, ist die protestantische Community in jeder Hinsicht entschieden gegen sie. Unsere GenossInnen kandidierten für das Amt des Generalsekretärs der Haupt-Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes, der größten Gewerkschaft in Nordirland, und erhielten herrliche 44 Prozent der Stimmen. Der rechte Sieger erhielt den Beifall der Parteien einschließlich des Führers von Sinn Féin im Belfaster Gemeinderat und eines ehemaligen Democratic-Unionist-Party-Ministers! Beide hatten vor der Gefahr gewarnt, dass ein Linker diese Wahl gewinnt. Hinter den Kulissen griffen die Rechten zu sektiererischen Verleumdungen gegen unsere GenossInnen. Allerdings wurde die Linke in NIPSA politisch gestärkt. Sie ist nun zahlreicher und besser in der Lage, sowohl in der Gewerkschaft als auch dem breiten Anti-Kürzungs-Kampf eine führende Rolle zu spielen.
Italien
Das reale BIP in Italien ist auf dem gleichen Niveau wie zu Beginn des Jahres 2000 und 9% unter dem Niveau vor der Krise 2008. Wenn Italien nicht aus der Rezession heraus kommt, ist die Mitgliedschaft in der Eurozone selbst in Frage gestellt. Die Regierung von Matteo Renzi, dem Führer der Demokratischen Partei, konnte vor allem aufgrund des Fehlens einer kohärenten Opposition überleben.
Daran änderte auch die unpopuläre Politik der Kürzungen und Privatisierungen nichts, die Wut unter einer breiten Schicht von ArbeiterInnen und Menschen aus der Mittelschicht erzeugt hat. Bei den Regional- und Kommunalwahlen 2015 sind beispiellose 50 Prozent nicht zur Wahl gegangen. Unzufriedenheit unter LehrerInnen und Jugendlichen über Bildungs-„Reformen“ und himmelhohe Jugendarbeitslosigkeit hat keine politische Stimme auf der Linken gefunden und die Haupt-Gewerkschaften schafften es nicht, Gegenwehr durchführen.
Die Lega Nord unter der Leitung von Salvini ist in einer Reihe von traditionell linken Regionen und nicht nur im Norden in den Vordergrund gekommen. Sie hat Befürchtungen über Einwanderung ausgeschlachtet, nahm aber auch eine populistische Haltung gegen die Kürzungspolitik ein.
Ein Skandal in Rom über Mafia-Aktivitäten unter Beteiligung aller großen Parteien („Mafia Capitale“) führte zur Schließung der Stadtverwaltung. Neuwahlen können die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) von Beppe Grillo begünstigen, die in den Umfragen stark schwankt. Trotz des Mangels an Kohärenz in der Opposition und rassistischen Kommentaren ihres Führers über Einwanderung könnte sie im Vergleich als eine Partei mit weißer Weste gesehen werden.
Eine neue Formation namens Sinistra Italiana (SI – Italienische Linke) wurde bei einem gut besuchten Treffen in einem römischen Theater im November 2015 vorgestellt. Sie umfasst eine Reihe von Dissidenten-Abgeordneten der PD, Vendolas SEL (Linke Ökologie- und Freiheitspartei) und ein oder zwei M5S Senatoren. Sie steht unter der Führung eines Ex-Ministers der Regierung Letta, Stefano Fassina, der sich mit Melanchon von der Parti de Gauche in Frankreich und Lafontaine von der Partei DIE LINKE in Deutschland verbunden hat. SI hat das Ziel, eine Herausforderung des Neoliberalismus der PD zu sein, aber sie besteht aus den selben alten Gesichtern und stellt keine bedeutsame Entwicklung bezüglich der politischen Vertretung der Arbeiterklasse dar. Sie wird den „Keynesianer“ Joseph Stiglitz als Wirtschaftsberater haben.
Landini, der Führer der linken Metallarbeitergewerkschaft FIOM, die nicht sehr erfolgreich eine „Soziale Koalition“ von Gruppen der Zivilgesellschaft gestartet hat, unterstützt die SI nicht. Die Kampagne der ControCorrente-GenossInnen für eine echte Arbeiterpartei, um das Vakuum zu füllen, geht weiter.
Österreich
In Österreich wird auch die soziale Krise immer klarer, die sich aus dem allgemeinen Niedergang des Kapitalismus ergibt. Es gibt, steigende Arbeitslosigkeit und eine Zunahme der Armut. Aber einfache Menschen zeigten wunderbare Solidarität mit den Tausenden von Flüchtlingen, die nach Österreich kamen, in der Regel auf dem Weg in andere Länder wie Deutschland. Unsere Organisation hat energisch in die Debatten eingegriffen, die durch die Einreise von EinwandererInnen aufgeworfen wurden und auch in den Wiener Wahlen, in denen wir im Oktober kandidierten.
Unsere GenossInnen verwiesen auf die Milliarden, die von den Superreichen angehäuft werden, während 80.000 Wohnungen leer stehen und nur der kapitalistischen Spekulationen dienen. In ganz Europa gibt es elf Millionen leere Immobilien, genug, um alle Flüchtlinge und Obdachlosen zu beherbergen. Wir verlangten, dass diese übernommen und verwendet werden sollten, um Menschen vor Ort zu beherbergen und diejenigen Flüchtlinge, die bleiben wollten.
Die rechtsextreme FPÖ schaffte es nicht, das „Rote Wien“ zu erobern. Das jedoch nicht wegen der politischen Attraktivität der sozialdemokratischen SPÖ (diese konnte auf der Grundlage der Stimmung der Solidarität, die rund um die Flüchtlingsfrage entstand, ihre Stimmen fast halten). Jedoch machte die FPÖ große Gewinne in den Bundesländern Steiermark, Burgenland, Oberösterreich und Wien – im Burgenland bildete sie eine Koalitionsregierung mit der SPÖ! Der FPÖ-Führer in dem Bundesland sagte, die beiden Parteien hätten „keine Unterschiede“. In Meinungsumfragen ist seit dem Sommer 2015 die FPÖ zum ersten Mal überhaupt die stärkste Partei vor den Regierungsparteien. Und wieder heben neofaschistischen Gruppen ihre Köpfe. Dies ist das Ergebnis der Unfähigkeit der etablierten Parteien die Angst der einfachen Leute in Bezug auf Wohnungen und Arbeitsplätze zu beantworten, wenn zehn- oder hunderttausende Flüchtlingen in Österreich bleiben werden.
Natürlich werden Stimmungen der Solidarität nicht ewig anhalten, es sei denn, sie werden organisiert, um zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen. Ein solcher Kampf darf nicht auf gelegentliche Aktionen begrenzt werden, sondern muss eine politische Form mit der Schaffung einer neuen Massenpartei der Arbeiterklasse annehmen, die das Ziel unserer österreichischen Sektion ist. Die entschlossene, aufopferungsvolle Arbeit von Sektionen wie Österreich darf durch das CWI nicht unterschätzt werden, sowohl bezüglich ihrer Auswirkungen auf einer Massen-Ebene später, als auch bezüglich des Beitrags, der in Solidaritätsaktionen mit unseren GenossInnen international geleistet worden ist.
Russland, die Ukraine und Osteuropa
Die Talfahrt der Ölpreise – begleitet von Wirtschaftssanktionen nach der Ukrainekrise hat die russische Wirtschaft verheerend getroffen. Das BIP fiel 2015 um 3,9 Prozent. Es wird erwartet, dass die Rezession zumindest bis Ende 2016 dauern wird. Der Rubel ist um 74 Prozent eingebrochen, seit der Wechselkurs im November 2014 freigegeben wurde. Der Lebensstandard fiel zum ersten Mal seit 17 Jahren – um mindestens zehn Prozent.
Mit ihrer Importersetzungsstrategie hofft die Regierung, den jahrzehntelangen wirtschaftlichen Aufschwung zu wiederholen, der dem Rubel-Zusammenbruch 1997 folgte, aber die Bedingungen, die es damals gab – empor schnellende Ölpreise und die Verwendung der aus der Sowjetzeit übrigen überschüssigen Industriekapazitäten – gibt es jetzt nicht. Eine langwierige Krise ist wahrscheinlich, und wenn die Erholung beginnt, wird es nur bescheidene Wachstumsraten geben.
Trotzdem bleiben Putins Ergebnisse in Umfragen hoch, teilweise, weil er sich auf die tiefen Reserven des russischen Nationalismus stützt nach den Ereignissen auf der Krim und in der Ostukraine und in jüngster Zeit in Syrien. Berichten zufolge hat der Kreml „in Panik“ wegen der Ölpreise eine chauvinistische Kampagne gegen westliche Werte und den US-Imperialismus geführt, in einem Versuch, von der Krise abzulenken. Aber es gibt auch keine lebensfähige, organisierte Opposition wegen der nach den Protesten 2011 bis 2013 ausgeübten Repression. Viele Menschen sind unzufrieden, aber sie sehen keinen Ausweg.
Trotz der anfänglichen Euphorie ist die Situation auf der Krim alles andere als stabil. RussInnen kommentieren jetzt oft, dass die hohe Inflation der Preis für die Krim sei.
Die Post-Euromaidan Regierung war für die Mehrheit der UkrainerInnen eine Katastrophe. Zwei große Industriegebiete wurden vom militärischen Konflikt verheert, und die Wirtschaft leidet unter einer Krise, die fast so schlimm wie die der frühen 1990er Jahre ist. Die Weltbank schätzt, dass das BIP des Landes seit der Unabhängigkeit um 35 Prozent gefallen ist. Weil die Regierung in Kiew es nicht schafft, die Wirtschafts- oder Ostukraine-Krisen zu lösen oder eine tragfähige Strategie zur Bekämpfung der Korruption umzusetzen, ist sie so unbeliebt, dass die Partei von Ministerpräsident Jazenjuk noch nicht einmal bei den letzten Regionalwahlen kandidierte.
Die Lage war für die UnterstützerInnen einer echten sozialistischen Alternative in dieser Region in den letzten Jahren sehr schwierig. Jedoch werden das wirtschaftliche Chaos, autoritäre Herrschaft und ethnische Konflikte weiter gehen, bis eine wirkliche sozialistische Alternative zum Alptraum der kapitalistischen Restauration aufgebaut ist. Selbst die kleine Anzahl derer, die heute die Flagge hoch halten, werden den Grundstein für den Bau einer größeren sozialistischen Kraft schaffen, wenn die Bedingungen es erlauben.
Die russische Regierung hat ihre Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht, die gegenwärtigen Probleme der Wirtschaft als Mittel zur Wiederbelebung der verarbeitenden Industrie zu verwenden, die dem Exportsektor des Landes helfen kann. Trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und des Umstands, dass die durchschnittlichen RussInnen eine Periode des „Gürtelengerschnallens“ ihrer Budgets und des Lebensstandards erlebt haben, hat es das Putin-Regime noch geschafft, bei weit über fünfzig Prozent in den Meinungsumfragen zu bleiben. Dies ist vor allem so, weil die Regierung in der Lage war, auf die tiefen Reserven des russischen Nationalismus zurückzugreifen, erst und vor allem wegen der Ukraine und dem Krim-Krieg, aber auch vor kurzem in Bezug auf die Angriffe von ISIS im Nahen Osten sowie die wahrgenommene Bedrohungen gegen Russland durch die USA im Allgemeinen.
Die Niederlage der polnischen neoliberalen „Bürgerplattform“ in dem Land mit der größten Bevölkerung in der Region ist das bedeutendste Ereignis in Osteuropa in jüngster Vergangenheit. Diese Partei war für acht Jahre an der Macht. Ihrem Sturz ging eine Welle von Arbeiterkämpfen voraus, einschließlich von Bergarbeiterprotesten wegen unbezahlter Löhne und dem Kampf von Krankenschwestern für die Erhöhung ihrer sehr niedrigen Löhne. Andere ArbeiterInnen folgten ihrem Beispiel und die rechte Partei Recht und Gerechtigkeit schlachtete dies aus und machte den streikenden ArbeiterInnen große Versprechungen und verschob die Achse des Parlaments nach rechts.
Die größte Überraschung war, worauf unsere Genossen hingewiesen haben, der Umstand, dass die Ex-Sozialdemokraten der Demokratischen Linksallianz (DLA) nicht genügend Unterstützung gewannen, um ins Parlament einzuziehen, obwohl sie 7,6 Prozent erzielten. (Es gibt ein striktes Wahlgesetz, das von den Parteien-Wahlbündnissen eine sehr hohe Hürde verlangt, eine Maßnahme, um alle, außer den größten Parteien aus dem Parlament herauszuhalten). Dies war ein massiver Schlag gegen die DLA, die im Parlament seit 1990 vertreten war.
Auf der anderen Seite schaffte es eine neue linke Formation „Razem“(Gemeinsam) über eine halbe Million Stimmen zu gewinnen, 3,6 Prozent der Gesamtsumme. Dies war zwar nicht genug für sie, um ins Parlament zu kommen, gab aber ihren finanziellen Ressourcen einen großen Schub. Das Programm war im Allgemeinen arbeiterfreundlich, es konzentrierte sich auf die 35-Stunden-Woche, Lohnerhöhungen, etc. Doch ihre politischen Grenzen wurden während der Wahl durch ihre Unterstützung für das „nordische Modell“ deutlich, das zunehmend in Skandinavien selbst diskreditiert ist. Trotz der Grenzen ihres Programms hat diese Formation einen beispiellosen Zustrom von mehreren tausend Mitgliedern gesehen – meist Jugendliche – und sie kann in der nächsten Zeit wachsen. Die polnische Sektion wird Razems Aktionen unterstützen, wo sie für Forderungen kämpft, die eine Basis in der Arbeiterklasse aufbauen helfen. Zur gleichen Zeit werden wir dafür kämpfen, sozialistisches Bewusstsein unter den frischen Schichten dieser Partei zu erhöhen.
Aber Polen ist nicht das einzige Land, das mit Umwälzungen konfrontiert war. Der gesamte Balkan steht vor einer Zeit der wirtschaftlichen und sozialen Unruhe. Wir haben schon die Revolte in Rumänien erwähnt und eine ähnliche Bewegung fand im benachbarten Moldawien statt, wo die Regierung wegen eines 1-Milliarde-Dollar-Diebstahls aus den Banken des Landes gestürzt ist, der eine von Europas ärmsten Nationen in einen wirtschaftlichen Abgrund gezogen hat.
Ein Misstrauensvotum kam nach zwei Wochen, in denen der ehemalige Ministerpräsident verhaftet wurde wegen seiner Beteiligung an dem Betrug, bei dem das Äquivalent von einem Fünftel des Bruttoinlandsprodukts von drei der größten Banken des Landes gestohlen wurde! Dies war verbunden mit einer der reichsten Gestalten Moldawiens, was den Ekel vor der Regierung nur erhöhte und verbreitete Proteste gegen die Oligarchen einleitete, die Moldawien regierten.
Kein Wunder, dass Merkel sich Sorgen macht, dass der Balkan in der nächsten Periode ein neuer Krisenherd sein könnte. Sie warnte, dass, wenn ihre Regierung die Grenzen zu Österreich und osteuropäischen Ländern geschlossen hätte, worauf einige in Deutschland gedrängt hatten, es eine Eskalation in den bereits erhöhten Spannungen gegeben hätte. Bis jetzt ist der Balkan ein Durchgangspunkt. Aber die Hindernisse, die gegen die Flüchtlinge errichtet wurden, könnten eine äußerst instabile Lage erzeugen. Serbien und Kroatien verhängten wegen dem Umgang mit den MigrantInnen kurz gegenseitigen Handelsblockaden und machten einander Schuldzuweisungen. Ähnliche Spannungen kamen mit Ungarn auf, das bereits unter der Ferse des rechten Viktor Orbán ist, während in der gesamten Region die Arbeitslosigkeit sehr hoch ist: 27 Prozent in Mazedonien, zwanzig Prozent in Serbien und 16 Prozent in Kroatien.
Auch in Kosova wurde nach zwei Wochen Unruhen die Parlamentssitzung unterbrochen und Tränengas in den Plenarsaal geworfen: „Abgeordnete der Opposition schmuggelten Tränengasgranaten hinein und zündeten sie, bevor die Sitzung beginnen konnte … Die Opposition hat genug Gas, um jede Sitzung blockieren.“ Die hohe Spannung kann jederzeit explodieren – auch in Bosnien. Das hat seine Wurzeln in der Unfähigkeit des faulenden Großgrundbesitzes und Kapitalismus in Osteuropa und auf dem Balkan, die Probleme der arbeitenden Menschen und der Armen zu lösen. Neue Kräfte werden in diesen Gebieten entstehen, die in der nächsten Periode einen Weg zum echten Marxismus, Trotzkismus, finden können.
Klimawandel
Der Klimawandel und die vollständige Unfähigkeit des Kapitalismus, für eine Lösung zu sorgen, ist ein wichtiger Bestandteil der Analyse und der programmatischen Forderungen aller unserer Sektionen. Die Welttemperaturen sind seit der industriellen Revolution um mindestens ein Grad Celsius gestiegen und die Klimawandel-Zusagen, die auf dem Pariser Gipfel gemacht wurden, müssen deutlich verbessert werden, wenn die Hoffnung bestehen soll, sich den Niveaus zu nähern, die erhebliche und gefährliche Erwärmungsniveaus vermeiden werden. Der Pariser Gipfel war bemerkenswert wegen der Fülle an Reden, aber es gab wenig Engagement für konkrete Maßnahmen. Tatsächlich sind die USA zögerlich, eine rechtlich bindende Vereinbarung zu unterschreiben aus Angst, dass es notwendig wäre, dass diese von einem feindlichen US-Senat genehmigt wird, der alle Verträge ratifizieren muss. Deshalb sagte der amerikanische Außenminister John Kerry der Financial Times, dass „es keine rechtlich verbindlichen Reduktionsziele wie Kyoto gebe“11, ein Verweis auf das Kyoto-Protokoll 1997, das UN-Klimaabkommen, das Zielvorgaben für Emissionssenkungen festlegte und „rechtlich verbindlich“ war.
Vor dem Pariser Gipfel meinte ein französischer Regierungssprecher, die Gespräche seien nicht nur „heiße Luft“. Aber praktisch waren sie das. Das Schmelzen der Eiskappen wird weitergehen und die Welttemperaturen werden weiter steigen, obwohl die Technologie bereits vorhanden ist, um von verschmutzenden Energieträgern auf erneuerbare Energien umzuschalten: Wind, Wasser und Solarenergie. Es gab einige Anstrengungen, um die Umweltzerstörung in Grenzen zu halten, die im Kapitalismus stattfindet.
China zum Beispiel ist sowohl der weltweit schlimmste Verschmutzer als auch zur gleichen Zeit dem Großteil der Welt voraus bei der Anwendung von erneuerbaren Energien. Jedoch sind diese Bemühungen sehr spät und schwach und werden nicht die Probleme lösen. Dies kann nur gemacht werden durch einen demokratisch-sozialistischen Produktionsplan, der zum Nutzen der großen Mehrheit der Völker der Welt im Weltmaßstab angewendet wird.
Lateinamerika
Lateinamerika ist in eine neue Phase wirtschaftlicher und sozialer Unruhen eingetreten. Der gesamte Kontinent ist gegen eine Wand gelaufen! Derzeit gibt es zwei unterschiedliche Merkmale, die den Kontinent beeinflussen. Auf der einen Seite gibt es das Ende der radikalen populistischen Phase der „linken“ Regierungen in Venezuela, Bolivien und Ecuador. Mit dieser Entwicklung verknüpft ist der sich beschleunigende Prozess der kapitalistischen Restauration auf Kuba. Auf der anderen Seite sind die ehemaligen Wirtschaftsstars des Kontinents wie Brasilien und Chile in eine tiefe Krise eingetreten, die soziale und politische Unruhen zu provozieren droht.
Wie wir gewarnt haben, hat sich die „Nicaraguanisierung“ von Venezuela im Sinne einer „schleichenden Konterrevolution“ fortgesetzt. Die Erschöpfung und Demoralisierung der Massen, weil die Revolution es nicht schaffte, voranzuschreiten und mit dem Kapitalismus zu brechen, provozierte einen Sieg für die Kräfte der Rechtskoalition „MUD“ bei den Parlamentswahlen. Diese Merkmale haben sich alle deutlich nach dem Tod von Chavez unter Maduro verschlechtert.
Venezuela wurde als Folge des Zusammenbruchs der Ölpreise gelähmt. Hinzu kommen die schlimmen Folgen der Wirtschaftssabotage durch die Kapitalistenklasse und lähmende Korruption und Bürokratie. Die Regierung hat noch keine BIP-Zahlen seit Dezember 2014 veröffentlicht! Jedoch erwartet der IWF die Schrumpfung des BIP um mindestens zehn Prozent. Dreißig Prozent der staatlichen Goldreserven wurden zur Schuldentilgung und zum Bezahlen für Importe verwendet. Die soziale und wirtschaftliche Lage ist katastrophal. Durch dies alles droht jetzt eine Rückkehr der Rechten.
Angesichts der rechten Mehrheit in der Nationalversammlung und der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage, erklärte Maduro einen wirtschaftlichen Notstand, der formal der Regierung erlaubt, Aktionen gegen die Spekulation und Sabotage zu unternehmen, die von Sektoren der Großunternehmen gefördert werden. Jedoch brach die Regierung nicht mit ihrer Politik der Versöhnung mit der Bourgeoisie, noch ergriff sie wirksame Maßnahmen um von der Chavez-Bürokratie geförderte Korruption und Exzesse einzudämmen. Mehr denn je ist der Ausweg aus der venezolanischen Krise der Aufbau einer linken Alternative auf der Grundlage des Kampfs der Arbeiterinnen und Armen, die die Unterstützung der vom Chavismus desillusionierten Massen für ein einheitliches sozialistisches Programm gewinnen kann.
In Bolivien hat in dieser Phase die Stagnation der Revolution eine andere Form angenommen. Obwohl das Land 2007 in einen Bürgerkrieg stürzte, als die von Rechten kontrollierten Bundesstaaten drohten, sich abzuspalten und Morales zu stürzen, hat sich sein Regime als eine der stabilisierendsten Regierungen in der bolivianischen Geschichte erwiesen. Indem sie ihren Frieden mit der herrschenden Klasse machte, sie in die Regierung einband und zur gleichen Zeit eine besonders günstige, wenn auch temporäre Wirtschaftslage ausnützte, konnte die Regierung Zugeständnisse an die Unterdrücktesten machen. Bolivien hat derzeit eine jährliche Wachstumsrate von fünf Prozent – die schnellste in Lateinamerika. Basierend auf dem Export von Erdgas und Zink hat sich die Wachstumsrate bisher fortgesetzt. Seit 2001 hat sich das durchschnittliche Einkommen um 307 Prozent erhöht! Der sogenannte Mittelstand hat sich um geschätzte 2,6 Millionen ausgedehnt.
Allerdings wird diese Ausnahmesituation nicht von Dauer sein, da der ganze Kontinent durch die Wirkung der Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft verheerend getroffen wird, wie die dramatischen Krisen in Brasilien und Chile jetzt demonstrieren. Chile exportierte vierzig Prozent seines Kupfers nach China – dessen Preis abgestürzt ist.
Wie wir erklärten, ist die geänderte Politik der USA in Bezug auf Kuba äußerst signifikant. Der Prozess der kapitalistischen Restauration hat sich deutlich beschleunigt – zumindest auf dem Papier. Doch die Bürokratie hat die beschlossenen Schritte noch nicht vollständig angewendet. In der Tat werden alle privaten und ausländischen Investitionen immer noch nur mit Zustimmung des Staates durchgeführt. Wie wir erklärt haben, ist es durchaus möglich, dass der Staat eine starke Präsenz in der Wirtschaft beibehält, was zu einer Hybrid-Lage führt. Im Falle eines schweren globalen Wirtschaftsabsturzes könnte unter solchen Bedingungen das Regime gezwungen sein, zur Erhöhung und Stärkung der staatlichen Eingriffe zu schreiten.
Die jüngsten Wahlen in Argentinien, bei denen es den Sieg der Rechten und die Niederlage von Kirchners Kandidaten Daniel Scioli gegen den neoliberale Mauricio Macri gab, wird die Krise und die Widersprüche in der peronistischen Bewegung weiter verschärfen. Die ersten Tage der Macri-Regierung zeigen bereits, dass die Arbeiterbewegung sich der neoliberalen Politik und den Angriffen gegen die Arbeiterinteressen widersetzen und zugleich nach einer geeigneten Waffe dafür suchen wird.
Der trotzkistischen Allianz FIT ist es beachtlicher Weise gelungen, ihre Wählerbasis im Allgemeinen zu halten und mehr als 800.000 Stimmen zu gewinnen. Allerdings ist die Aufgabe nun, in der Lage zu sein, die Unterstützung jener abtrünnigen peronistischen oder ehemaligen peronistischen ArbeiterInnen zu gewinnen. Die FIT spielt zwar im Moment eine wichtige politische Rolle, hat dazu aber bisher keine Fähigkeit gezeigt, und aufgrund ihrer falschen taktischen und strategischen Herangehensweise an diese Aufgabe scheint es unwahrscheinlich, dass sie dazu in der Lage ist. Selbst als linke Einheitsfront hat die FIT ihre Grenzen, wie die Konflikte innerhalb der Front und die anderen linken Organisationen auferlegten Hürden für einen Beitritt zeigen.
Vom großen Hoffnungsträger der BRICS-Länder ist Brasilien jetzt in seine tiefste Rezession seit den 1930er Jahren gestürzt. Bezeichnenderweise löste die Abschwächung der Konjunktur eine große Streikwelle und soziale Bewegungen aus. Die Arbeitslosigkeit ist hochgeschnellt mit über einer Million entlassenen Beschäftigten in weniger als einem Jahr. Zur gleichen Zeit sind Dilmas Zustimmungsraten zusammengebrochen, und sie ist die unbeliebteste Präsidentin seit dem Zusammenbruch der Militärdiktatur 1985.
Die toxischen Folgen eines massiven Korruptionsskandals, bei dem schätzungsweise zehn Milliarden US-Dollar von Petrobras, der staatlichen Ölgesellschaft, abgesaugt wurden – in den Dilma und die PT verwickelt sind – hat eine verheerende Wirkung. Sie könnte wie die PASOK bei Wahlen zerschlagen werden. Gleichzeitig haben die Versuche der extremen Rechten, eine Amtsenthebung gegen Dilma einzuleiten, zu politischer Verwirrung beigetragen. Trotz des bestehenden Drucks auf die Linke und die sozialen Bewegungen eine Politik des „kleineren Übels“ zu übernehmen und Rousseff gegen die Angriffe der offen neoliberalen Rechten zu verteidigen,versucht die PT-Regierung tatsächlich einen Ausweg aus der Krise nach rechts zu finden und die Großunternehmen zu überzeugen, dass sie in der Lage, ist, Konterreformen (z.B. Renten- und Arbeitsmarktreformen) und Haushaltsanpassung durchzusetzen, die die Bourgeoisie fordert. Für die Linke und die Arbeiterbewegung gibt es nur einen Ausweg: den Widerstand zu stärken, der bereits im Gange ist, die Kämpfe zu vereinheitlichen und eine antikapitalistische und sozialistische Alternative zu der Krise zu präsentieren, sowohl gegen die alte neoliberale Rechte als auch gegen die PT-Regierung.
Dies stellt Herausforderungen für P-SOL und LSR (brasilianische Sektion des CWI) dar. Jedoch wird diese Krise der Linken und dem CWI wichtige Gelegenheiten geben, große Schritte nach vorne machen.
Die neue Phase der Krise hat sich auch in den dramatischen Veränderungen, die Chile erschüttert haben, widergespiegelt. Das führte zu enormen Bewegungen der Jugend und auch von einigen Teilen der Arbeiterklasse. Die massive soziale Wut und Widersprüche, die sich in der chilenischen Gesellschaft aufbauen, werden die Gelegenheit geben, eine neue linke Arbeiterbewegung aufzubauen. Der Grad der Wut und Bitterkeit könnte zu einem großen gesellschaftlichen Aufruhr führen.
Entwicklungen in Mexiko, mit den Massenprotesten gegen das Massaker an 43 Studierenden und andere jüngste gesellschaftlichen Unruhen sind von entscheidender Bedeutung, vor allem angesichts der Bedeutung von Mexiko für die USA. Die Krisen in Mexiko und Chile zusammen mit dem Wirtschaftsabschwung in Ländern wie Kolumbien und Peru machen deutlich, dass die in den Ländern der „Pazifischen Allianz“ praktizierte offen neoliberale Politik nicht einmal entfernt eine Alternative zu dem sogenannten „bolivarischen“ Modell in der Krise darstellt. Die aktuelle Krise in Lateinamerika ist eine Krise des peripheren Kapitalismus, der vom Imperialismus abhängig und ihm untergeordnet ist. Nur eine sozialistische Alternative kann die gesamte Region integrieren und den Weg in eine Zukunft der Unabhängigkeit und der sozialen und politischen Errungenschaften zeigen.
Schlussfolgerungen
Die hier dargelegte Analyse zeigt, dass der Weltkapitalismus seit dem letzten Kongress seine Unfähigkeit gezeigt hat, auch nur ansatzweise die Probleme der Menschheit zu lösen. Die TheoretikerInnen des Systems haben postuliert, die Krise von 2007/08 werde inzwischen bloß Geschichte sein. Stattdessen sind sie konfrontiert mit ihren Nachwirkungen: einer zersplitterten und geteilten Welt, chronischer Arbeitslosigkeit, einem kolossale Wachstum der Ungleichheit und einer Arbeiterklasse, die in den letzten Jahren eine Fähigkeit zum Kämpfen gezeigt hat, die nur durch ihre eigene Führung behindert wird, welche nicht in der Lage ist, dieser neuen Phase des Kapitalismus im Niedergang ins Gesicht zu schauen.
Die Verschärfung der Krise der Umwelt und die globale Erwärmung ist eine existentielle und planetare Bedrohung für die menschliche Zivilisation und wird zunehmend als ein wichtiges Thema international sichtbar sein. Die kapitalistischen Führer und Kommentatoren haben sich verbunden, um die COP21-Vereinbarung als historische Wende schönzufärben. Die Pariser Vereinbarung basiert vollständig auf Marktlösungen und wird nicht in der Lage sein, die Krise zu lösen. Kämpfe um Umweltfragen und die Folgen des Klimawandels haben stattgefunden und werden sicher in der nächsten Zeit zunehmen. Das CWI muss in diese Kämpfe und in der Klimabewegung eingreifen und die Notwendigkeit eines sozialistischen Plans erklären, um sich der Umweltkrise zu stellen.
Unsere Analysen der Ereignisse zusammen mit einer engen Einbindung in die Kämpfe unserer Klasse waren in dieser Zeit von Bedeutung. Aber das Wesen des Marxismus ist, immer zu versuchen, die Wahrheit zu sagen und auf diese Weise die politisch fortgeschrittenen Schichten unserer Klasse für die kommenden Aufgaben zu erziehen und vorzubereiten. Trotz all der berherzten Bemühungen, die gemacht wurden – der enormen Energieleistung durch die Mitglieder und Kader des CWI – sind wir noch nicht in der Lage gewesen, einen Durchbruch auf einem Massenniveau zu machen, nicht mal im Ausmaß der Vergangenheit, wie in den Schlachten von Liverpool und der Kopfsteuer in Großbritannien, der Wassergebühren in Irland in den 1990er Jahren usw.
Die Erklärung dafür ist nicht, wie einige zu argumentieren versuchen, in der angeborenen Unfähigkeit der Arbeiterklasse und der Armen zu finden, gegen das System und dessen schädliche Auswirkungen auf Millionen in der ganzen Welt zu kämpfen. Im Gegenteil, wie wir in diesem Dokument zeigen, gab es keinen Mangel an Beispielen für die Kampfbereitschaft der arbeitenden Menschen: Griechenland, den Nahen Osten und die ägyptische Revolution, die Wahlsiege von uns selbst in den USA usw.
Nein, das Hindernis für einen erfolgreichen Kampf findet sich in den Unzulänglichkeiten der Führung der Massenbewegungen. Statt die Fähigkeit und das Vertrauen zum Kämpfen zu erhöhen, fand das Gegenteil statt: eine ganze Reihe von „Führern“ war durch eine Kombination von Unerfahrenheit, Mangel an Willenskraft, aber vor allem fehlendes klares Programm nicht fähig, den Kapitalismus zu überwinden und eine neue Gesellschaft einzuleiten. Es ist vor allem dies, was als zersetzender Faktor gewirkt hat, der die Erwartungen der Massen senkt, ihr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten untergräbt. Das dafür erforderliche notwendige Massenbewusstsein muss sich erst noch entwickeln, aber das wird es in den wichtigen kommenden Schlachten. Die nächste Phase wird die Rekonstruktion der Arbeiterbewegung und ihre Wiederbewaffnung auf der Grundlage eines marxistischen Programms und der Führung auf der Höhe des Kampfes sehen. Das CWI wird eine Schlüsselrolle in diesem Prozess spielen.
1Stephen King, Note to Clients, 13. Mai 2015
2Patrick Cockburn, ‘Paris attacks: No security can stop Isis – the bombers will always get through’, The Independent, 17. November 2015
3 Yasmina Khadra, ‘How the west broke Libya and returned it to the hatred of the past’, The Guardian, 23. Oktober 2015.
4 ‘Abdel Fattah al-Sisi’s autocracy is no way forward for Egypt’, Editorial, Financial Times, 4. November 2015.
5‘Netanyahu government policy claims more victims’, zwei Artikel auf socialistworld.net, 28. Oktober 2015.
6‘Governmental crisis’, socialistworld.net, 30. Oktober 2015
7 ‘Phantom menace’, The Economist, 14. November 2015
8 ‘Le Pen vows to fight expulsion from the National Front’, FT, 21. August 2015
9 ‘”Nothing’s changed”: 10 years after French riots, banlieues remain in crisis’, Guardian, 23. Oktober 2015
10‘Emmanuel Macron lays the groundwork for a political future’, FT, 4. November 2015
11‘Paris climate deal will not be a legally binding treaty’, FT, 12. November 2015