Das folgende Interview mit Lucy Redler über die Sozialismustage wurde im Februar von der Webseite diefreiheitsliebe durchgeführt.
Die meisten Diskussionen, die in kritischen Kreisen geführt werden, drehen sich um reaktive oder tagesaktuelle Maßnahmen, die an Ostern stattfindenden Sozialismustage, wollen solche Diskussion mit einer Zukunftsperspektive verbinden. Wir sprachen mit Lucy Redler, Mitorganisatorin der Sozialismutage, Bundessprecherin der SAV und der Antikapitalistischen Linken, über den Kongress und die Rolle des Internationalismus.
Die Freiheitsliebe: Am Osterwochenende finden in Berlin die Sozialismustage statt, was genau geschieht dort?
Lucy Redler: Viele Menschen können die täglichen Nachrichten von Kriegen, verzweifelten Flüchtlingen, rechtem Terror und der Heuchelei der Regierung gar nicht mehr ertragen. Die Sozialismustage sind ein Ort, um zusammen zu kommen und gemeinsam über Ideen, Erfahrungen und Vorschläge für den Widerstand gegen Krieg, Rassismus und dieses menschenverachtende kapitalistische System zu diskutieren. Von Freitag abend bis Sonntag nachmittag wird in 30 workshops, drei Plena und bei drei Aktionen über Probleme, aber auch vor allem über Lösungen in Theorie und Praxis von Sachsen bis Chicago und Athen bis Dublin diskutiert. Was bedeutet Sozialismus heute? Wie kann er erkämpft werden? Wie können wir heute damit beginnen?
Die Sozialismustage sollen eine Art politische Tankstelle sein, an der man ganz praktische aber auch politische Konzepte für den Widerstand erhält oder sich gemeinsam erarbeitet. Thematisch gibt es dafür sechs workshop-Schienen: Antisexismus, Krieg/Migration/Rassismus, Streik und Widerstand, Einführung in den Marxismus, DIE LINKE und die Linken, Lehren aus dem Spanischen Bürgerkrieg und zusätzlich noch eine ganze Reihe von Veranstaltungen mit internationalen RednerInnen zum Beispiel aus den USA zum Phänomen Bernie Sanders.
Die Freiheitsliebe: An wen richtet ihr euch mit den Diskussionen?
Lucy Redler: An alle, die sich nicht mit den heutigen Verhältnissen abfinden wollen. Beim Kongress gibt’s Workshops für Jugendliche, die gegen Nazis und Sexismus aktiv werden wollen; für GewerkschafterInnen, die von den Erfahrungen des Kampfes an der Charité und Vivantes oder der britischen Gewerkschaftslinken lernen wollen; für SymphatisantInnen und Mitglieder der LINKEn, die sich die Frage stellen, ob die Partei noch zu retten ist; an AktivistInnen aus Mieterkampagnen, die Bock haben die Erfahrungen aus Köln, Berlin und Stuttgart gemeinsam zu verarbeiten; für Leute die schon immer mal ihren ersten linken Raptext mit Holger Burner und Master Al schreiben oder mit DJ Soulindarity diskutieren wollen wie Frauen sich im HipHop behaupten können und vieles mehr.
Die Freiheitsliebe: Du sprichst auf dem Auftaktpodium: „International gegen Krieg, Rassismus und Kapitalismus“. Welche Möglichkeiten siehst du für den internationalen Widerstand?
Lucy Redler: Neben mir werden auf dem Podium Andros Payiatsos aus Griechenland, Nihat Boyraz aus der Türkei, Bakir Mosadiq aus Afghanistan und heute Hamburg, Laura Fitzgerald aus Irland und Jana Rauscheid von der Charité Berlin gemeinsam diskutieren, wie der Widerstand gegen Krieg, Rassismus und Kapitalismus organisiert werden kann.
Potential für Widerstand und die Linke haben wir in der letzten Zeit in vielen Ländern gesehen: In Griechenland, bevor Syriza den Ausverkauf mit organisiert hat und jetzt erneute Massenbewegungen, in der Türkei mit dem Wahlerfolg der HDP und den Geziprotesten, in Irland mit den Massenprotesten gegen die Wassergebühren, in Großbritannien mit dem Zuspruch für Jeremy Corbyn, in den USA mit dem Phänomen Bernie Sanders und der Bewegung für den 15 Dollar Mindestlohn und Black Lives Matters. In vielen Ländern gibt es einen Wettlauf zwischen der Rechten und der Linken. Freitag abend geht es auch darum, aus den Fehlern von Syriza, die nicht bereit war mit der EU und dem Kapitalismus zu brechen, für die nächsten Kämpfe zu lernen.
Samstag abend werden dann Darletta Scruggs aus Chicago und Peter Taaffe aus Großbritannien die Frage diskutieren, ob eine politische Revolution in den USA kommt und was die neue Offenheit für Sozialismus in den USA und Bernie Sanders Kampagne für internationale Auswirkungen haben kann.
Die Freiheitsliebe: Die Sozialismustage haben ein relativ breites Feld an Themen, die sie behandeln, welche Rolle spielt der Internationalismus? Worauf setzt ihr weitere Schwerpunkte?
Lucy Redler: Ja, es nehmen Rednerinnen und Redner aus den USA, Griechenland, Türkei, Großbritannien, Irland, Österreich teil und berichten von ihren Erfahrungen. Der Kapitalismus ist international organisiert und wir sollten es auch sein und von unseren Erfahrungen und Erfolgen gemeinsam profitieren.
Ein wichtiger Schwerpunkt ist der Kampf gegen Rechts. Wir freuen uns hier sehr über die Teilnahme von Theodor Bergmann, der im März hundert Jahre alt wird und uns von seinen Erlebnissen und Ideen in der Auseinandersetzung mit Faschisten damals und heute berichten wird. Außerdem werden dazu Niema Movassat aus der Bundestagsfraktion der LINKEN, Sarah Moayeri vom BAK Revolutionäre Linke in Solid, Dorit und Steve Hollasky aus Dresden und Sascha Stanicic, Bundessprecher der SAV und Autor des Anti-Sarrazin sprechen. Über die Aufgaben der LINKEN und Linken in Deutschland sprechen unter anderem Ellen Brombacher von der Kommunistischen Plattform in der LINKEN, der stellvertretende Parteivorsitzende Tobias Pflüger, Daniel Knopp von der Interventionistischen Linken, Katharina Doll und Hannah Bruns von Linksjugend [’solid], Thawra und viele andere. Und es gibt spannende Rednerinnen in workshops zu Antisexismus wie beispielweise zu sexualisierter Gewalt mit Judith Benda vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung und der Gewerkschafterin Alexandra Arnsburg.
Die Freiheitsliebe: Was unterscheidet euch von anderen linken Kongressen?
Lucy Redler: Verschiedene Kongresse haben ihre Berechtigung. Unserer wird in jedem Fall klar sozialistisch und anti-stalinistisch, bewegungsorientiert, praxisbezogen und widerstandstauglich sein. Er soll nicht akademisch-expertenmäßig sondern offen für Leute sein, die Lust haben sich einzubringen und mitzudiskutieren. Wem sitzen, erarbeiten und diskutieren zwischendurch zu viel wird, kann beim Blockadetraining, Graffitiworkshop und Klassenkampfrap neue Skills lernen, Samstag abend auf der Party mit Holger Burner, Master Al und weiteren Acts abhängen und zwischendurch mit vielen Sozialistinnen und Sozialisten in der Sonne bei der Vokü von Fläming Kitchen chillen und sich austauschen. Das Event wird von der Sozialistischen Alternative (SAV) organisiert und ist offen für alle AktivistInnen und solche, die es werden wollen.
Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Gespräch