Der Dokumentarfilm beleuchtet einen Bombenanschlag und dessen Folgen.
Tatort ist die Keupstraße, eine belebte Geschäftsmeile im Kölner Stadtteil Mülheim. Insbesondere kleine Läden türkischer und kurdischer MigrantInnen prägen hier das Bild.
Von Torsten Sting, Rostock
Am 9.6.2004 wird vor einem Friseursalon eine Nagelbombe gezündet. Es sollen möglichst viele Menschen verletzt oder getötet werden. Heute ist klar, dass diese Tat auf das Konto des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) geht. Über viele Jahre wurde von der Polizei, Medien und politisch Verantwortlichen (wie dem damaligen Bundesinnenminister Otto Schily) die Schuld bei den Opfern gesucht. Der Betreiber des Geschäfts und dessen Bruder waren über Jahre hinweg die Hauptverdächtigen für die Ermittlungsbehörden. Es wurde nie ernsthaft Richtung Rechtsextremismus ermittelt. Ein Fall von institutionellem Rassismus.
Der Film agitiert nicht. Er lässt einfach die Opfer zu Wort kommen. Die Vernehmungsprotokolle werden nachgesprochen. Es kommt gut rüber, wie das Vertrauen zwischen den Nachbarn und gar innerhalb der Opferfamilien auf die Probe gestellt wird. Es schwirren Verdächtigungen umher. Die persönliche Reputation etlicher Bewohner der Keupstraße wird mit Dreck beworfen. Viele leiden noch heute darunter.
Bilder demaskieren die Heuchelei der Politelite. Beim zehnjährigen Gedenktag, wird ein großes Fest im Stadtteil veranstaltet. Es gibt sich sogar Bundespräsident Gauck die Ehre. Dieser besucht den besagten Friseursalon. Nach kurzem oberflächlichen Gespräch kommt man zur Sache: dem passenden Bild für die Medien. Gauck dirigiert. Er steht vorne und es tummelt sich allerhand lokale Prominenz, natürlich auf den vorderen Plätzen. Die Opfer stehen, kaum noch sichtbar, ganz hinten. Der Film ist sehenswert, weil er auf seine eigene, fast beschauliche Art, anklagt. Er ist zudem eine Gelegenheit um potentielle MitstreiterInnen im Kampf gegen Rassismus und Nazis kennenzulernen. Wie am Abend der Vorstellung in Rostock geschehen.