Interview mit Dorit und Steve Hollasky über den Widerstand gegen PEGIDA
Seit über einem Jahr geht PEGIDA nun in Dresden allmontäglich auf die Straße. Nach einer zwischenzeitlichen Flaute sind nun Teilnehmerzahlen von 6 bis 8000 Menschen keine Seltenheit. Hat das Dresden verändert?
Steve: Na klar. Laut einer Umfrage des Instituts für Kommunikationswissenschaften, hat sich die allgemeine Stimmungslage in Dresden durch die PEGIDA-Demonstrationen deutlich verschlechtert. Etwa 57 Prozent der Befragten geben die Stimmung als „gar nicht gut“ oder „eher nicht gut an“. Für Flüchtlinge, FlüchtlingshelferInnen und AntifaschistInnen ist die Risikolage deutlich angestiegen.
Dorit: Das Problem ist, dass Rassisten, aber auch hart gesottene Nazis sehr viel offener agieren als noch vor eineinhalb Jahren. Es ist auch beängstigend, dass sie vor kaum noch einem Verbrechen zurückschrecken. Da gibt es Nazi-Hooligans, die von einem Fußballspiel kommend versuchen mit Pyro-Technik Asylsuchendenunterkünfte anzuzünden. Einen Tag vor Weihnachten wurde ein Somalier in der Straßenbahn angegriffen und mit einem Messer an der Hand verletzt. Im Dresdner Stadtteil Laubegast haben Unbekannte Flüchtlingsunterstützer auf einem Flugblatt mit Namen und Adresse geoutet, um so ein Bedrohungsszenario aufzubauen. Am 30. Dezember rief die NPD im selben Stadtteil zu einer Demonstration gegen eine zukünftige Unterkunft für Geflüchtete. Dabei flogen auch Böller. Die ganze rechte Hetze im Netz ist extrem bedrückend.
Steve: Im Grunde kannst Du in Sachsen beinahe täglich auf eine rassistische Demonstration oder Kundgebung gehen. Die Polizei hat sich angesichts dessen vor Kurzem über Überbelastungserscheinungen beschwert.
Apropos Polizei. Von Seiten des LKA Sachsen wurde ja mehrfach vor den Gefahren angesichts der rassistischen Erscheinungen gewarnt. Sie drohten unsere Gesellschaft dauerhaft zu verändern. Tritt die Polizei Euch gegenüber als Partnerin im Kampf gegen PEGIDA auf?
Steve: Es gibt natürlich nicht “die” Polizisten. Insgesamt aber sind wir immer wieder erschrocken wie die Polizei mit uns und mit PEGIDA umgeht. Während von PEGIDA andauernd die erteilten Auflagen verletzt werden, JournalistInnen wiederholt angegriffen wurden, rechte und rassistische Hetze betrieben wird, dass inzwischen der Staatsanwalt in einigen Fällen ermittelt, und all das durch geht; hat man den Eindruck, dass bei unseren Demos ganz genau hingeschaut wird.
Wie sieht das aus?
Steve: In einem Fall wurde ein 16-jähriger angezeigt, weil er Aufkleber mit der Losung: „Lasst uns mit PEGIDA Schluss machen, damit wir uns wieder den schönen Dingen des Lebens zuwenden können“ verteilt hat und auf dem Aufkleber war kein Impressum. Wann gibt es schon einmal Aufkleber mit Impressum? Ein paar Wochen später hat man Leute, die auf unserer Demo waren wegen gerufener Demo-Sprüche angezeigt, weil sie angeblich damit zu Gewalt aufgerufen hätten. Die Parolen sind altbekannt, Ärger gab es deswegen noch nie. Auf der anderen Seite ermöglichte am 30.November die Polizei den PEGIDA-Anhängern uns mit Steinen zu bewerfen, weil sie eine Postenkette entgegen allen Absprachen viel zu früh öffnete.
Wie will man denn in so einer Situation überhaupt mit wöchentlichen Demos in der Stärke von mehreren Tausend Teilnehmern fertig werden?
Dorit: Bei allen Bemühungen um den wöchentlichen Gegenprotest, den Mitglieder der SAV mitorganisiseren, den wir also unerlässlich finden: PEGIDA wird von Dienstag bis Sonntag geschlagen.
Wir brauchen eine breite Kampagne mit Flugblättern, Zeitungen und öffentlichkeitswirksamen Aktionen, die die rechte Propaganda entlarvt und für die Proteste gegen PEGIDA am Montag wirbt. Immerhin, laut der von Steve eingangs genannten Umfrage, sind 98 Prozent der DresdnerInnen der Meinung, dass die Demonstrationen dem Ansehen der Stadt schaden.
Wer so etwas sagt, der ist kein Freund von PEGIDA und den kann man eventuell für Aktionen gewinnen. Vor allem brauchen wir eine Aussicht dafür, wo wir hin wollen.
Was soll das für eine Aussicht sein?
Dorit: PEGIDA entwickelt jeden Montag das Bild einer Gesellschaft, in der sie leben wollen. Wir lehnen dieses Bild aus tiefstem Innern ab, aber dadurch tun sie so, als wären sie Rebellen, die gegen die herrschende Ordnung aufstehen. Nicht wenige Anhänger sehen in PEGIDA eine Möglichkeit gegen das, was wir kapitalistischen Irrsinn nennen, aufzubegehren. Der Wunsch ist sogar verständlich: Schauen wir uns mal in Deutschland, in Europa und der Welt um: Kriege, Armut und Elend nehmen zu. Wir dürfen nicht so tun, als würden wir mit unseren Protesten gegen PEGIDA die herrschenden Verhältnisse verteidigen. Wir sollten den Menschen einen Weg zeigen wie sie, gemeinsam mit den Menschen die hier her fliehen müssen, ihre Interessen verteidigen können, wie sie gegen zu hohe Mieten, Armut, Stellenabbau und Privatisierungen kämpfen können. Erfolg hätten solche Kämpfe sowieso nur, wenn Deutsche und Geflüchtete sie zusammen führen würden. PEGIDA will genau das verhindern, deshalb verteidigen sie im Grunde die kapitalistische Misere.
Aufklärung in großem Maße, soziale Kämpfe organisieren und damit und mit regelmäßigen Protesten gegen Rassismus und Sozialabbau PEGIDA in die Knie zwingen. Klingt eigentlich nach einem Job für DIE LINKE…
Steve: Ja, das denkt man eigentlich…
Dorit: DIE LINKE ist überraschend zurückhaltend. Ebenso wie die Gewerkschaften.
Warum tun die denn nichts?
Dorit: Bei den Gewerkschaften hat das, wie hinter vorgehaltener Hand ab und an zugegeben wird, mit der Angst zu tun, dass eine bestimmte Anzahl von Mitgliedern ganz oder teilweise mit PEGIDA übereinstimmen. Das Problem ist ernst zu nehmen, man löst es nur eben nicht durch Nichtstun.
Steve: Viele der aktiven PEGIDA-GegnerInnen sind LINKE-Mitglieder aber die Partei macht viel zu wenig. Ab und an ruft sie zu größeren Protesten mit auf und gibt da und dort etwas Geld, aber sie initiiert keine Aktionen. Ich glaube, eines der Hauptprobleme der LINKEN ist die einseitige Festlegung auf rot-rot-grüne Regierungsträume. das verhindert, dass sie aktiv an Kämpfen teilnimmt. Dabei müsste sich DIE LINKE gerade jetzt als Partei präsentieren, die wirklich gegen den ganzen kapitalistischen Irrsinn angeht und damit auch rassistische Sündenbockpolitik bekämpft.
Dorit: Eine Sache hat der regelmäßige montägliche Protest übrigens bewirkt: Für den 6. Februar haben DGB und LINKE endlich Proteste gegen PEGIDA angemeldet.
Dorit und Steve Hollasky sind gewerkschaftlich aktiv und Teil der Proteste gegen Pegida