Zu wenig TeilnehmerInnen bei NoPegida
Wortreich warnte die bürgerliche Presse in den Tagen vor dem 06.02. vor dem Szenario, welches sich aufbauen werde: Von Demo-Chaos und gewalttätigen Auseinandersetzungen wurde fabuliert. Dieter Kroll, Polizeipräsident von Dresden kam zu Wort und rief, angesichts der nur 1.000 BeamtInnen, die ihm zur Verfügung standen, zur Gewaltlosigkeit auf. Wo der mögliche Grund für Gewalt gesehen wurde war schnell klar, nachdem in der Presse eine Meldung des Verfassungsschutzes die Runde machte, nach der 400 gewaltbereite Autonome nach Dresden kommen wollten. Dabei war das eigentliche Problem am 06.Februar in Dresden nicht die von der URA („Undogmatische Radikale Antifa“) organisierte Demonstration, die um 13.00 Uhr am Hauptbahnhof startete, sondern die Kundgebung von PEGIDA auf der anderen Elbseite, am Königsufer.
Internationale Gegenproteste
Das rassistische Bündnis, welches seit Oktober 2014 in der sächsischen Landeshauptstadt wöchentlich am Montag Tausende mobilisiert, hatte an diesem Tag aber nicht nur in Dresden auf die Straße gerufen. In 14 Ländern trommelten Rassisten zu Hetzdemos und -kundgebungen. So in der tschechischen Hauptstadt Prag. Dort hielten sie ihre größte Kundgebung außerhalb Dresdens mit 1.500 Menschen ab. Schnell wurden GegendemonstrantInnen Ziel ihrer gewalttätigen Angriffe. Anhänger von PEGIDA griffen auch ein linkes Kulturzentrum an.
Egal wo, ob Birmingham oder Amsterdam, den Rassisten schlug überall Widerstand entgegen. Und sieht man von Prag und Dresden ab, blieben die rechten Mobilisierungen auf einige hundert beschränkt.
Unter den Erwartungen
In der sächsischen Landeshauptstadt gelang es PEGIDA zwar, laut der Studierendeninitiative „Durchgezählt“, 6-8.000 Menschen zu mobilisieren, aber auch damit blieben sie hinter ihren Erwartungen (10-15.000) zurück. Die Kundgebung auf den im sogenannten „Dritten Reich“ erbauten Stufen des Königsufers, bot den Anwesenden kaum Überraschungen, wenn man die ständigen technischen Schwierigkeiten außer acht lässt, die die Live-Brücke immerzu abbrechen ließ. Geleitet wurde die Veranstaltung von Siegfried Däbritz, da die PEGIDA-Frontfigur Lutz Bachmann seit einiger Zeit erkrankt ist.
Spannender war, was sich zeitgleich auf der Altstädter Elbseite abspielte. Die von der URA organisierte Demonstration unter dem Motto „Solidarity without limits – Actionday against fortress Europe“, sah sich von vornherein zahlreichen Kriminalisierungsversuchen ausgesetzt, die sich während und vor der Demo konsequenterweise fortsetzten. Noch vor Beginn der Veranstaltung, die die europäische Zuwanderungs-, Asyl- und Außenpolitik aufs Korn nahm, kontrollierte die Polizei teilweise massiv TeilnehmerInnen, kesselte einige von ihnen grundlos ein und ging gegen PEGIDA-Provokationen am Rande der Demo kaum vor.
Dennoch blieb die Demonstration friedlich und zog vom Hauptbahnhof zum Theaterplatz, wo „Herz statt Hetze“ und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zur Kundgebung gegen PEGIDA aufriefen. Katja Kipping, Bundesvorsitzende der Partei DIE LINKE, griff in ihrer Rede den Neoliberalismus als Ursache von Rassismus auf und erklärte, dass eine Gesellschaft, die Abstiegsängste und Konkurrenzdruck produziere, als Folge dessen auch Rassismus erzeuge. Sarah Moayeri, vom Berliner Bündnis „NoBÄRGIDA“, forderte in ihrem Grußwort, konkrete Schritte, um allen hier lebenden Menschen, ob hierher geflohen, oder aber hier geboren, ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Konkret ging sie auf die Wohnungsfrage ein: Die Räume des ehemaligen Innenministeriums stünden leer, während Geflüchtete unter unwürdigen Bedingungen in Erstaufnahmeunterkünften leben müssten. Sie forderte unter großem Beifall die Beschlagnahmung solcher Objekte und die Verteilung von Wohnraum an jene, die diesen brauchen – unabhängig von deren Geburtsland.
Nach Abschluss der Kundgebung auf dem Theaterplatz, rief die Jugendorganisation der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (junge GEW) zu einer Kundgebung in Hör- und Sichtweite der Rassisten. Wer dahin gelangen wollte, dem machte es die Polizei allerdings unnötig schwer. Trotz anderslautender Absprachen zwischen Polizei und Veranstalter konnte man nur unter Inkaufnahme von Umwegen zum Kundgebungsort gelangen. Dafür gestalteten die BeamtInnen ihren Einsatz so, dass sich der Heimweg der Teilnehmern der PEGIDA-Kundgebung möglichst angenehm gestaltete.
Nach Ende der PEGIDA-Kundgebung veranstaltete die Gruppe GEPIDA, am Veranstaltungsort von PEGIDA unter dem Motto „Tatort Rassismus“ eine Tatortreinigung. Sprecherin Kim Schubert erklärte in ihrer Rede, Rassismus sei in dieser Gesellschaft ein Mittel der Herrschenden, um die Beherrschten gegeneinander auszuspielen.
Überschattet wurden die Veranstaltungen von Übergriffen diverser Nazi-Gruppen: Auf dem Theaterplatz wurde ein zwölfjähriger Junge von einem PEGIDA-Teilnehmer ins Gesicht geschlagen, Nazis entfernten ein von der Kunsthochschule als Protest gegen PEGIDA angehängtes Transparent , urinierten gegen die Synagoge und zogen pöbelnd durch die Stadt. Übergriffe wie am 19.10.2015 blieben jedoch aus.
Zu wenig Mobilisierung
Am problematischsten sind die vergleichsweise geringen TeilnehmerInnenzahlen auf Seiten der GegendemonstrantInnen. Laut „Durchgezählt“ beteiligten sich 3.500 Menschen. Der Grund dafür dürfte die zu gernige Mobilsierung sein, die sich im Wesentlichen über Facebook und die bürgerliche Presse vollzog. Noch immer sind die Anti-PEGIDA-AktivistInnen in Dresden auf sich gestellt. Größere Organisation wie DIE LINKE und die Gewerkschaften werden noch immer zu wenig aktiv. Vor diesem Hintergrund scheint bedeutend zu sein, dass innerhalb der „jungen GEW“ sich mehr und mehr die Überzeugung Bahn bricht, dass man sich im Kampf gegen PEGIDA in Zukunft stärker einbringen muss.