DIE LINKE muss ihre Position klären – und ihre Praxis ändern
Angesichts der Abschiebepraxis von Regierungen in Brandenburg und Thüringen unter Beteiligung der LINKEN und den jüngsten Äußerungen von Sahra Wagenknecht zum angeblichen „Gastrecht“, ist klar geworden, dass DIE LINKE ihre Position zu Abschiebungen klären muss.
Von Lucy Redler, Berlin
Im Erfurter Programm der LINKEN heißt es: „Menschen, die vor Menschenrechtsverletzungen, Kriegen und politischer Verfolgung geflohen sind, dürfen nicht abgewiesen oder abgeschoben werden.“ i So weit, so unzureichend angesichts der Flüchtlinge aus dem Balkan und anderen Ländern, die vor bitterer Armut und Diskriminierung fliehen, aber nicht den Status eines Kriegsflüchtlings oder politisch Verfolgten erlangen.
In einer Reaktion auf die Position von Sahra Wagenknecht („Wer Gastrecht missbraucht, hat Gastrecht verwirkt“) äußerte sich der geschäftsführende Parteivorstand am 12. Januar 2016 erfreulich klar und hielt fest: „DIE LINKE lehnt Abschiebungen ab.“ii
Zuvor hatte bereits der Landesparteitag Berlin auf Initiative eines Antrags der AKL Berlin, der vom Landesvorstand übernommen wurde, folgendes beschlossen: „Bleiberecht für alle. Die LINKE Berlin fordert den Stopp aller Abschiebungen.“iii
Diese Positionierungen sollten Anlass für zweierlei sein: Erstens muss der Bundesparteitag die Position der Partei zu Abschiebungen in diesem Sinne klären. Zweitens müssen diesen Worten auch Taten folgen. Es darf nicht sein, dass die Partei Abschiebungen ablehnt und Mitglieder an der Basis sich sogar Abschiebungen in den Weg stellen und dort, wo DIE LINKE an der Regierung beteiligt ist, das Gegenteil geschieht.
Thüringen
In einer Presseerklärung von ‚Roma Thüringen‘ vom 17. Januar 2016 werden Beispiele von Massenabschiebungen in Thüringen zusammen getragen, die viele Mitglieder der Partei fassungslos machen: „Aus einer Unterkunft in der Magdeburger Allee wurden 2 AktivistInnen von Roma Thüringen und ihre drei Kinder abgeschoben. Die Betroffenen erwachten in der besagten Nacht dadurch, dass PolizistInnen plötzlich in ihrem Zimmer neben dem Bett standen und das Licht anschalteten. Sie hatten vorher weder geklingelt noch angeklopft. Den Menschen wurde außerdem das Telefon abgenommen, als sie Andere von ihrer Abschiebung benachrichtigen wollten. Damit wurde ihnen auch der Kontakt zu AnwältInnen verwehrt.“iv
Brandenburg
Wer nun meint, dies seien Ausnahmen, liegt falsch. In Brandenburg wurden von Januar bis September letztes Jahres 321 Menschen abgeschoben. Die rot-rote Regierung betont, sie würde stärker auf freiwillige Ausreise setzen statt auf Abschiebungen. Der Innenstaatssekretär Matthias Kahl wies nach der Verschärfung des Asylrechts im Herbst jedoch darauf hin, dass man die neuen gesetzlichen Regelungen nutzen müsse, „um abgelehnte Asylbewerber verstärkt abzuschieben“. Dies betrifft laut RBB vom 23.10.2015 „vor allem die Neuregelung, Asylbewerber ab sofort für sechs, statt nur für drei Monate in den Flüchtlings-Erstaufnahmestellen zu belassen (…). Auf diese Weise sollen vor allem Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten direkt aus der Erstaufnahme abgeschoben werden.“v
Auch in einer gänzlich anderen Situation in Bezug auf Flüchtlingszahlen war die Politik von Regierungen, an denen die LINKE/PDS beteiligt war, nicht anders. Unter Rot-Rot in Berlin 2001 bis 2011 waren Abschiebungen ebenfalls gang und gäbe. Damals protestierten Mitglieder der Initiative Pro Afrika und der damaligen WASG Berlin vor dem Polizeiabschiebegewahrsam in Berlin-Köpenick in der Grünauer Straße mit einer symbolischen Ankettung gegen die unmenschliche Abschiebepolitik des rot-roten Senats unter Erhart Körting (SPD).vi
Die Initiative Abschiebehaft kommentierte zur Berliner Abschiebepolitik im Jahr 2007: „Kontinuität in der Praxis des Einsperrens und Versteckens von Menschen zeigten auch die wechselnden Regierungen in Berlin. Ob CDU oder Rot/Grün unter Momper, ob große Koalition, Rot/Grün mit Wowereit oder SPD/PDS: Es änderte sich mitunter ein wenig der Tonfall, nicht aber der Alltag der Inhaftierten.“vii
All das zeigt, dass die Position „Nein zu Abschiebungen“ und eine Beteiligung an Koalitionen mit bürgerlichen Parteien wie SPD und Grünen, die die Asylrechtsverschärfungen mit tragen, nicht kompatibel sind. Zu Recht stellte die Bundestagsfraktion am 12. Januar 2016 fest: „Die Bundestagsfraktion der LINKEN ist die einzige Fraktion im Deutschen Bundestag, die alle Asylrechtsverschärfungen konsequent abgelehnt hat und weiter ablehnt.“viii
Die logische Schlussfolgerung müsste sein, unmittelbar die Koalitionen zu verlassen, die Abschiebungen durchführen und keine neuen Koalitionen mit Parteien, die für Krieg, Rüstungsexporte und Abschiebepolitik stehen, mehr einzugehen.
Lucy Redler ist Mitglied im BundessprecherInnenrat der Antikapitalistischen Linken und der SAV-Bundesleitung.
ii http://www.die-linke.de/partei/organe/parteivorstand/parteivorstand-2014-2016/beschluesse/kein-gast-oder-gnadenrecht-asylrecht-ist-menschenrecht/
iii linke-berlin.de/die_linke/parteitage/5_landesparteitag/3_tagung/beschluss/05/
iv http://breakdeportation.blogsport.de/2016/01/17/pressemitteilung-von-roma-thueringen-zu-der-sammelabschiebung-vom-16-12-2015/
v https://www.rbb-online.de/politik/thema/fluechtlinge/brandenburg/2015/10/keine-massenabschiebungen-in-brandenburg.html
viii http://www.linksfraktion.de/positionspapiere/beschluss-fraktion-linke-12-januar-2016/