Stahlwerke schließen, die Rohstoffpreise kollabieren, die Wirtschaft in China gerät ins Stocken, die Euro-Krise hält an …
von Robin Clapp, „Socialist Party“ (Schwesterorganisation der SAV und Sektion des CWI in England & Wales)
Acht Jahre nach dem Crash, der zur „Großen Rezession“ geführt hat, bleibt das weltweite Währungssystem ohne Reformen und labil. Gemessen an den historischen Standards bleibt die Erholung äußerst schwach.
Doch trotz Eurokrise, zunehmender Instabilität im Nahen Osten und nun auch noch der aufkommenden Panik in den entwickelten Ländern in Folge der wirtschaftlichen Verlangsamung in China sind die Börsenkurse unter´m Strich weiterhin im Steigen begriffen.
Die Begründung dafür ist einfach: Die wichtigsten Märkte der Welt sind mit Stimulanzen in Form des „quantitative easing“ (QE; = Erhöhung der Geldmenge) vollgepumpt worden, mit Geldschöpfungsprogrammen, die von den Zentralbanken durchgeführt wurden.
In Kombination mit niedrigen Zinsraten haben derlei Programme wie eine Sauerstoffmaske gewirkt, die es dem Patienten möglich gemacht haben, sich eine Erholungsphase vorzustellen. In Wirklichkeit drohen diese Maßnahmen nun zu Auslösern der nächsten Wirtschaftskrise zu werden.
Ein Versuch, die wesentlichen strukturellen Probleme der letzten drei Jahrzehnte zu beseitigen, wurde an keiner Stelle unternommen. Als sich die US-amerikanische Wirtschaft zwischen 2009 und 2012 erholte, haben die reichsten zehn Prozent der Haushalte in den USA fast die gesamten Zugewinne eingeheimst. Die anderen 90 Prozent mussten erleben, wie ihre Lebensstandards gesunken sind.
Der Produktivitätszuwachs in Großbritannien bleibt desolat, wie die jüngste Rede von Jon Cunliffe, dem Vize-Präsidenten der „Bank of England, belegt: „In den zehn Jahren, bevor die Krise einsetzte, gingen 23 Prozent des gesamten Wirtschaftswachstums auf das Wachstum pro Arbeitsstunde in der Volkswirtschaft Großbritanniens zurück.
IWF
„Die Hauptstütze des Wirtschaftswachstums, die anderen 77 Prozent, resultierten aus dem Produktivitätsanstieg. Seit 2013 gehen nur neun Prozent des jährlichen Wirtschaftswachstums Großbritanniens auf die Produktivitätszuwächse zurück. Die verbleibenden 91 Prozent stammen aus einer Zunahme der geleisteten Gesamtarbeitszeit“.
Jetzt warnt der IWF vor einem gestiegenen Risiko eines erneuten weltweiten Finanzcrash aufgrund der globalen Folgen, die die Verlangsamung in China und der dramatische Rückgang im Welthandel hat, der in der ersten Hälfte 2015 um acht Prozent zurückgegangen ist.
Außerdem weist der Währungsfonds auf eine instabile Lage und Rezession hin, von denen Länder wie Brasilien, die Türkei, Australien und Malaysia betroffen sind. Dies könnte drei Prozent des weltweiten BIP (Gesamtleistung) kosten, womit die bisherigen Wachstumsprognosen für die Weltwirtschaft im Jahr 2015 auf 3,1 Prozent abgesenkt wären. Das ist das schwächste Abschneiden seit sechs Jahren.
Sollte es in den USA tatsächlich zur Zinsanhebung kommen, so werden Haushalte und Unternehmen von Indonesien bis in die Türkei, die Billionen an US-Dollar an Krediten aufgenommen haben, heftige Kostensteigerungen bei Zins und Tilgung erleben, was das Verhältnis zur jeweils eigenen Währung angeht.
Sturzflug
Bedenklich ist, dass die Zahlen auf Folgendes hindeuten: Aus den 19 größten Volkswirtschaften, die zu den sogenannten “Schwellenländern” gerechnet werden, wurde in den 13 Monaten bis Juli bereinigt fast doppelt so viel Kapital abgezogen als in den neun Monaten nach dem Banken-Kollaps von 2008.
Der große Crash von 2007/-09, die immer noch ungelöste Eurokrise und nun der Sturzflug der entwickelten Volkswirtschaften aufgrund der in Stottern geratenen Zugmaschine namens China … – all diese Aspekte befeuern sich gegenseitig und offenbaren die Sackgasse, in der sich der Kapitalismus befindet.
Diese ökonomischen Unsicherheiten haben die USA bislang dazu gezwungen, selbst die kleinste Zinserhebung weiter zu verschieben. Der Grund dafür ist die Sorge vor einer gefährlichen Kombination aus deflationärem Druck, einer Kette von Währungsabwertungen und einer Lähmung der Weltwirtschaft.
Selten zuvor waren so viele Zentralbanken derart schlecht aufgestellt, um mit einer weitere Rezession zurecht zu kommen. Fast alle Notenbanken haben weniger Spielraum für finanzpolitische Manöver als noch im Jahr 2007.
Sozialismus
Im August sind die Auftragszahlen der US-amerikanischen Konzerne stärker als erwartet zurückgegangen, und zum ersten Mal seit acht Monaten ist die Wirtschaftstätigkeit in New York im vergangenen Monat zurückgegangen. Das sind Belege dafür, dass die Schwäche der Weltwirtschaft auch die USA nicht außer Acht lässt.
Seinen Widerhall fand dies in der Warnung der „Weltbank“, dass ein schwacher Konsum, blutarme Investitionstätigkeiten und eine niedrige Inflation sich gegenseitig verstärken und so zu einer Spirale der Deflation werden könnten. Das kann zu einer fest verwurzelten globalen Stagnation führen.
Kein Wunder, dass der Vorstandsvorsitzende von „Unilever“ (einer der größten Hersteller von Verbrauchsgütern weltweit; Erg. D. Übers.) davor gewarnt hat, dass „die größte Gefahr für den Kapitalismus im kapitalistischen Vorgehen selbst besteht“.
Wenn die Produktion nur nach dem Profit ausgerichtet ist, so kann sie niemals für langfristige Stabilität sorgen. Krisen wie diese sind keine Ausnahme im Kapitalismus, sie sind einfach nur Ausdruck dafür, wie das anarchische Profitsystem funktioniert.
Der einzige Ausweg ist die sozialistische Alternative. Die Wirtschaft darf nicht in den Händen der Großkonzerne bleiben, die nur für Profite existieren.
Stattdessen sollten die Beschäftigten den Reichtum besitzen und kontrollieren, den sie produziert haben. Nur demokratische sozialistische Planung kann zu einer stabilen Wirtschaft führen, in der die Produktion darauf ausgerichtet ist, den Bedürfnissen der Menschen gerecht zu werden.
Chinesischer Tiger wirkt zahnlos
Die Verlangsamung in China lehrt die Kapitalisten das Fürchten. Es ist klar, dass der Rückgang an den Börsen für eine umfassendere wirtschaftliche Zuspitzung steht. Das offizielle BIP-Wachstum hat sich seit 2007 auf 7,4 Prozent halbiert.
Die Importe sind zurückgegangen, während die Exporte ebenfalls weniger geworden sind. Und das trotz der Konjunkturmaßnahmen, mit denen das Wachstum stimuliert werden sollte. Im August ist die wirtschaftliche Tätigkeit in Chinas Fabriken so schnell zurückgegangen wie in fast sieben Jahren nicht mehr.
Mit vier Billionen Dollar an Reserven in ausländischer Währung und Zinsraten, die weiterhin über der Vier-Prozent-Marke liegen, hat Peking mehr ökonomischen Spielraum für Manöver als seine westlichen Kontrahenten.
Doch Chinas Verlangsamung sorgt für Chaos in der Weltwirtschaft. Das liegt an dem bis dato unstillbaren Hunger auf Rohstoffe, der die Hälfte der weltweiten Nachfrage nach Nickel, Aluminium und Kupfer ausmachte.
Die Folgen sind überall zu spüren, und der Rohstoffhändler „Glencore“ aus der Schweiz, der im entsprechenden Leitindex FTSE gelistet ist und Bergwerke von Chile bis Norwegen besitzt, musste miterleben, wie sein Börsenkurs seit Mai um 40 Prozent gesunken ist.
USA
Sinkende Preise aufgrund zurückgehender Nachfrage nach Öl und anderen Wirtschaftsgütern haben den Öl- und Rohstoff-reichen Ländern bereits herbe Schläge versetzt. Diese sind abhängig von den Einnahmen aus dem Rohstoffhandel. Ihre Lage hat sich wegen der Stagnation in China drastisch verschärft.
Die Preise am Fabriktor sind in ganz Asien gesunken, was auf Überkapazitäten in der Industrie hinweist und es für Unternehmen schwieriger macht, die Schulden zu bedienen, die sie in den Jahren des Aufschwungs angehäuft haben.
Jüngste Erhebungen des „Internationalen Währungsfonds“ (IWF) kommen zu dem Ergebnis, dass eine Vervierfachung der Unternehmenskredite in den Volkswirtschaften der „Schwellenländer“ in den zehn Jahren bis 2014 vor allem auf eine Flut billigen Geldes aus dem „quantitative easing“ zurückgehen, das den Jägern nach schnellen Renditen durch die Zentralbanken der westlichen Länder zur Verfügung gestellt wurde.
Geld wurde in die rasch wachsenden „Schwellenländer“ gepumpt, während die Zinsraten in den westlichen Staaten auf Tiefststände abgesenkt wurden. Die Möglichkeit einer bevorstehenden Zinserhöhung in den USA hat dazu geführt, dass jene Gelder allmählich abgezogen werden, da die Investoren nach ertragreicheren US-Anleihen Ausschau halten. Die Folge davon ist, dass für die Märkte der „Schwellenländer“ in diesem Jahr eine Netto-Kapitalflucht erwartet wird – zum ersten Mal seit 1988.