Staatliche Repression gegen DemonstrantInnen – Einfluss der Linken wächst
2.000 Menschen zogen am 19. September durch die Straßen von Irlands Hauptstadt Dublin. Ihre Forderung: Unterstützt die Jobstown 23! Gemeint sind 23 AktivistInnen der Bewegung gegen die Einführung von Wassergebühren, die eine Anzeige erhielten, weil sie an einer Sitzblockade im Dubliner Stadtteil Jobstown gegen die stellvertretende Ministerpräsidentin Joan Burton teilgenommen hatten.
von Sascha Stanicic, Berlin
Als in dem Arbeiterviertel bekannt wurde, dass Burton an einer Feierlichkeit teilnahm, mobilisierten AnwohnerInnen spontan zu einem Protest, der zu einer Sitzblockade ihrer Regierungskarosse führte. Grund genug hatten die Menschen: Nicht nur ist das Regierungsmitglied und die Labour-Vorsitzende mitverantwortlich für die verhassten Wassergebühren, sondern auch für Kürzungen bei Wohn- und Kindergeld. Nun werden 23 der DemonstrantInnen unter anderem wegen Freiheitsberaubung vom Generalstaatsanwalt angeklagt. Das kann zu erheblichen Freiheitsstrafen führen.
Der Protest war Teil der Massenbewegung gegen die Wassergebühren, die Irland seit Monaten erschüttert. 57 Prozent der Bevölkerung sind dem Aufruf der „We won‘t pay“-Kampagne gefolgt und haben die erste Rechnung der Wassergebühren nicht gezahlt. Getragen wird diese Kampagne von der Anti-Austerity-Alliance (AAA), einer neuen politischen Bewegung von ArbeiterInnen und Jugendlichen, die von der Socialist Party (Schwesterorganisation der SAV in Irland) mit ins Leben gerufen wurde. Beteiligt am Protest in Jobstown – und nun angeklagt – war auch der AAA-Abgeordnete Paul Murphy.
Für diesen ist die Anklage ein klarer Fall von „politisch motiviertem polizeilichem Vorgehen“. Denn die irische Polizei hatte viel Zeit und Geld in die Untersuchung gesteckt, die dann zur Anklageerhebung führte. Der Hintergrund ist deutlich: Mit der AAA ist eine kämpferische, linke Bewegung entstanden, der es gelungen ist, einen Massenboykott der Wassergebühren zu organisieren und bei Wahlen Erfolge zu erzielen. Drei AAA-UnterstützerInnen sitzen im irischen Parlament und ein gutes Dutzend sind Stadträte. Parlamentswahlen stehen bald an und die Regierung muss um ihre Mehrheit fürchten. In einer kürzlich veröffentlichten Umfrage würden 25 Prozent ihre Stimme für unabhängige KandidatInnen abgeben, wozu die AAA und andere linke Kandidaturen gehören.
Bewegung
Irland erlebt nach Jahren der Wirtschaftskrise gerade eine leichte Erholung. Für die Arbeiterklasse aber gibt es keine Erholung von der Austeritätspolitik. Nach Jahren relativer gesellschaftlicher Ruhe ist das Land nun in Bewegung geraten. Aus den Arbeitervierteln Dublins ist eine spontane Massenbewegung gegen die Wassergebühren entstanden, die zu mehreren Massendemonstrationen, aber vor allem zu einem Prozess der Selbstorganisierung geführt hat. In einer Volksabstimmung wurde mit deutlicher Mehrheit das Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließung durchgesetzt – in dem wahrscheinlich erzkatholischsten Land Westeuropas! Die Jugend rebelliert gegen den Einfluss der Kirche auf die Gesellschaft und das Leben der Menschen. Die AAA und die sozialistische Frauenorganisation ROSA führen auch eine Kampagne für das Recht auf Abtreibung.
Wohnungsnot
In den letzten Wochen steht der Kampf gegen Wohnungsnot und Obdachlosigkeit im Mittelpunkt der Aktivitäten der AAA. 100.000 Familien stehen auf der Warteliste für eine Sozialwohnung, von denen es kaum welche gibt, und es werden auch keine neuen gebaut. Immer mehr MieterInnen – besonders häufig alleinerziehende Mütter – können ihre Miete nicht mehr zahlen. Die AAA-Abgeordnete Ruth Coppinger hilft Betroffenen und unterstützt sie dabei, trotz Kündigung in der Wohnung zu bleiben. Sie beteiligte sich an einer Hausbesetzung betroffener MieterInnen und brachte ihre Botschaft ins Parlament: Wir sprechen einer Regierung das Misstrauen aus, die nichts zur Lösung der Wohnungskrise unternimmt!
Die Herrschenden Irlands hoffen durch den Prozess gegen die Jobstown 23 das Selbstbewusstsein der Protestbewegungen und der AAA zu brechen. Der AAA wurde sogar das Recht auf eine Spendensammlung verweigert, weil sie das Geld „zur Organisierung von Protesten verwenden werde“. Doch die Menschen in Irland protestieren, weil sie keine andere Wahl mehr haben. Und staatliche Repression wird nur wie eine Peitsche wirken, die den Protest weiter voran treiben wird.
Protestbriefe bitte an: embassyofireland.de (Kontaktformular verwenden)