Rechtspopulisten nutzen Flüchtlingsdrama und rücken nach rechts
Es wird wieder kalt in Deutschland – nur hat das nichts mit der Jahreszeit und dem trüben Herbstwetter zu tun, sondern mit dem Hass und der Verachtung, die man auf den Straßen und in Internetforen finden kann. War es damals noch die scheinbare Sorge vor einer angeblichen „Islamisierung des Abendlandes“, so schlägt dieses Mal denjenigen der geballte „Volkszorn“ entgegen, die oft nur ihr nacktes Leben aus Krieg, Elend und Verfolgung hier her retten konnten.
von Alexander Brandner, Ortsgruppe Stuttgart
Von dieser aggressiven Stimmung profitierte in den letzten Wochen besonders die Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD). Neben Pegida hat sie nahezu unbemerkt den Unmut einer krakeelenden Minderheit absorbiert und sich zu ihrer Wortführerin aufgeschwungen.
Gegründet 2013 als eine Kopfpartei elitär wirtschaftsliberaler Konservativer, denen die Union unter Angela Merkel zu „sozialdemokratisch“ wurde, konnte sie dank finanzstarker Gönner, der entsprechenden journalistischen Infrastruktur und des nach Veränderung klingenden Namens, in Umfragen rasch an Zustimmung gewinnen. Obwohl bei genauerem hinsehen bald ersichtlich wurde, dass sie nicht die Partei der kleinen, sondern der großen Leute war, konnte sie ihr rückschrittliches und unsoziales Programm Ersteren als das genaue Gegenteil verkaufen und schmackhaft machen. Dann vollzog sich jedoch um den Jahreswechsel 2015 ein Bruch. Der rechte Flügel um Gauland, Petry, Adam und Höcke gewann die Oberhand über den wirtschaftsliberalen von Gründer Lucke, sowie Henkel und Starbatty. Im Sog der PEGIDA- Bewegung gab man sich zunächst noch als Kümmerer, Zuhörer und Versteher der rassistischen Proteste. Man lief mit, hielt aber zunächst nach außen hin noch Distanz, schaffte aber so die Anschlussfähigkeit nach rechts.
Die Rückkehr der lebenden Toten
Nach dem Parteitag am 31. Januar 2015 in Bremen verschärfte sich der Richtungsstreit. Zwar schaffte man in Hamburg und in Bremen in zwei Stadtstaaten im Westen ebenfalls, wenn auch nicht ganz so deutlich den Einzug in die Parlamente, doch es regte sich Widerstand gegen den Kurs von Bernd Lucke. Das führte dann dazu, dass nicht er, sondern Frauke Petry im Juni zur alleinigen Parteichefin gewählt wurde. Der gemäßigte Flügel um Lucke erklärte seinen Austritt und die Wiedergründung einer neuen Partei unter dem Namen ALFA.
An diesem Punkt meinten viele bürgerliche, aber auch linke Kommentatoren, dass sich somit die Gefahr einer Partei rechts der CDU wieder einmal erledigt hätte. Bewegten sich die Umfragewerte der AfD bis Mitte des Jahres um die 5 bis 6 Prozent, so waren es ab Juli nur noch 3 bis 4 Prozent (1).
Aber das war nur die Ruhe vor dem neuerlichen Sturm, denn mit dem vorläufigen Abschluss der bis in den Juli, August hineinreichenden „Euro- und Griechenland – Krise“, die bis dato (und dazwischen die Streiks in diversen öffentlichen Diensten) die politische Diskussion dominierte und selbst die erste Phase der Flüchtenden über das Mittelmeer zum Unterthema degradierte, wurde in den Sommermonaten das Flüchtlingsthema wieder brisanter.
Hier ergriff die AfD zum ersten Mal die Initiative und meldete eigene Demonstrationen, beginnend am 19. August in Dresden an. Es folgten die bekannten und unrühmlichen Szenen von Freital, Jamel, Heidenau und brennender Gebäude und Wohnheime, auch im Westen der Republik.
Programm der AfD
Im Gegensatz zur NPD, der Rechten oder Pro Deutschland wird die AfD nicht als Nazipartei gesehen und unterscheidet sich auch von ihnen. Es werden aber homophobe, nationale, antifeministische, neoliberale, gewerkschaftsfeindliche und rassistische Themen von ihr abgedeckt und bedient: die Palette reicht von einer schärferen Gesetzesanwendung gegenüber Flüchtlingen, der Bevorzugung von Familien und einer besonderen Kinderquote, sowie einem „angemessenen“, niedrigen Lohn bei einfach angesehenen Jobs zu Stärkung der „Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands“.
Die Aufteilung von Wirtschafts- und Kriegsflüchtlingen findet sich im „Programm“ (2). Anders als die Naziparteien will sie „Ernsthaft politisch Verfolgten“ Asyl und Arbeitsgelegenheit gewähren, während die benötigten qualifizierten Arbeitskräfte nach einem an Kanada orientierten Einwanderungsgesetz hereingebeten werden sollen. Alle anderen vom Kapitalismus in die Armut getriebenen werden so ausgegrenzt und ihnen in ihrer Not die Ausnutzung der, wenn auch weitgehend zerschlagenen, deutschen Sozialsysteme unterstellt.
Damit distanziert man sich geschickt von früheren plumpen rechtsradikalen Parolen der Naziparteien und macht sich so gesellschaftsfähig, denn auch in zum Beispiel Teilen der Grünen und deren Anhängerschaft findet man die genau gleichen Argumentationsweisen, sieht man einmal von CDU, FDP und SPD ab. Geschickt wird auch die Partizipation mit Volksabstimmungen propagiert.
Konkreter geht es da schon im „Thesenpapier Asyl“ (3) vom September 2015, allgemein als Herbstoffensive bekannt, zu. Hier wird offen die Grenzsicherung und Visapflicht für „Wirtschaftsflüchtlinge“ eingefordert, sowie Schnellverfahren binnen 48 Stunden und konsequente Ausweisung in sichere Herkunftsländer, die ja auch Teile der Grünen im Bundesrat mitdefiniert haben, gefordert. Es werden genau die Parolen der CSU und CDU-Rechten artikuliert, nur zugespitzter und so, gegenüber den etablierten Parteien für die von der Großen Koalition Desillusionierten, „glaubhafter“ .
So können sie bisher als „Biedermänner“ nach außen ihre „brandstiftende“ Gesinnung noch übertünchen und das macht sie im Vergleich zu den Naziparteien gesellschaftsfähig und für deren Anhänger und Sympathisanten leichter vertretbar. Doch Teile der AfD um ihren Thüringer Sprecher Björn Höcke zieht es weiter nach Rechts. Sein extrem nationalistisches Auftreten im ARD-Talk bei Jauch ging selbst der Parteispitze der AfD zu weit. Auf der Straße sieht es jedoch wieder anders aus. Denn mit ihrer auserkorenen „Herbstoffensive 2015“ und vermehrt angemeldeten Demonstrationen wurde ersichtlich, dass es nun die Nazis und Rechten sich nicht nehmen lassen, bei der AfD mit zu laufen. Und das ist durchaus erwünscht, wie sie in Erfurt (mit bis zu 8.000 Teilnehmern), Magdeburg (14. Oktober mit 2.000 Teilnehmern) und Rostock (17. Oktober mit 1.800 Teilnehmern) zeigten. Auch in Berlin sollen jetzt Demonstrationen stattfinden, am 7. November sogar bundesweiter Natur.
Einige Ursachen der Unzufriedenheit
Seit der Bundestagswahl im September 2013 ist die parlamentarische Opposition sehr eingeschränkt. Die Große Koalition aus CDU/ CSU und SPD dominiert mit über 80 Prozent das Parlament. Die Politik des Kapitals wird dank dieser großen Mehrheit fast ausnahmslos durchgedrückt und die komplexe Realität dadurch unterdrückt. Die zunehmend prekären Lebensverhältnisse der unteren und mittleren Schichten werden so umgangen. Das macht Menschen anfällig für einfache Erklärungsmuster.
Auch die immer instabiler werdende, außenpolitische Weltlage mit den Konflikten und Kriegen in Osteuropa, Gaza und Nahost, sowie der neu aufflammende Terrorismus von Boko Haram in Afrika und besonders der des IS im Norden Syriens hinterließen bei den Menschen mehr Fragen, da auf diese Ereignisse seitens der offiziellen Politik einseitig, konfus und widersprüchlich reagiert wurde und sie keine zufriedenstellenden Antworten geben konnte.
So sind die Fluchtursachen nicht, wie Angela Merkel jetzt behauptet, die unzureichend geschützten Außengrenzen der EU, sondern der massive Rüstungsexport, auch aus Deutschland, das Diktat von „Freihandel“ der westlichen Welt und die dadurch entstehenden Kriege, so wie der das alles finanzierende Kapitalismus allgemein.
Aber das sagen die Seehofers, de Maizieres und Söders nicht, sondern treiben mit ihrer dumpfen Stammtisch- und Festzelthetze der AfD die Verunsicherten und Unzufriedenen direkt in die Arme.
Erfolgreiche Gegenwehr und Aufgaben der LINKEN / Linken
Aufgabe der LINKEN/Linken muss es sein, die Demagogie der AfD zu entlarven. Sie muss die Wirkungsweise des Kapitalismus in den Zusammenhang mit den sozialen und alltäglichen Problemen der Menschen setzen und aufzeigen, dass die schlecht bezahlten Jobs, die miesen Arbeitsbedingungen, die fehlenden Wohnungen, gestiegenen Preise der Grundversorgung, wie Strom und Wasser, der darniederliegende öffentliche Personen Nah- und Fernverkehr, das kaputt sparen von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen und der stetige Rückzug ins Private das Problem für die seit Jahren angespannte Lage ist und nicht die vor Krieg und Elend Flüchtenden.
Es ist richtig, dass Die LINKE sich den Rechten auch physisch entgegenstellt, wie in Magdeburg am 14. Oktober, oder mit zu den Gegenprotesten am 19. Oktober in Dresden gegen das einjährige PEGIDA-“Jubiläum“ aufruft, nachdem sie sich in Sachsen monatelang geweigert hat. Aber das wird nicht reichen.
Elementar ist, dass die LINKE glaubhaft zu ihren Worten und ihrem Programm, auch und vor allem in Regierungen, steht und diese auch so umsetzt. Sonst wird sie, vor allem im Osten, als Teil und Co-Manager der Misere gesehen und nicht als eine emanzipierte und fortschrittliche Kraft, die sie sein sollte.
Erfolgreich wird dies dann sein, wenn auch Wege aus diesem zerstörerischen, kapitalistischen System, hin zu einer befreiten, sozialistischen Gesellschaft aufgezeigt werden.
- http://www.wahlrecht.de/umfragen/emnid.htm Emnid Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre. Aufgerufen 18.10.2015
- http://www.alternativefuer.de/programm-hintergrund/programmatik/
- http://www.alternativefuer.de/wp-content/uploads/2015/09/15-09-10-Thesenpapier_LA.pdf