Streikverbot gegen Piloten: Grundrecht in Gefahr

LufthansaSolidarität der gesamten Gewerkschaftsbewegung nötig

Es wird hierzulande wieder mehr gestreikt. Zuletzt haben nicht nur Lokführer und Piloten, sondern auch Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst, bei der Post und an der Berliner Charité die Arbeit niedergelegt, um Standards zu verteidigen oder gar Verbesserungen zu erreichen. Aber dieses noch kleine Pflänzchen Widerstand soll offenbar zertreten werden.

Von Daniel Behruzi

Deshalb inszenierten die medialen Wasserträger der Unternehmerschaft Ende vergangenen Jahres eine Empörungskampagne gegen den »Bahnsinnigen« GDL-Chef Claus Weselsky. Darum beschloss die kapitalhörige Regierung ein Gesetz zur sogenannten Tarifeinheit, mit dem das Streikrecht kleinerer Gewerkschaften eingeschränkt wird. Willige Helfer fanden die Gewerkschaftsfeinde auch bei einer »Professoreninitiative« um den Bonner Juristen Gregor Thüsing, die im Auftrag der Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Stiftung eine Beschränkung von Arbeitskämpfen in Betrieben der öffentlichen Daseinsvorsorge propagierte. Und nun hat sich mit dem Landesarbeitsgericht in Frankfurt am Main auch ein Akteur der »dritten Gewalt« dieser Kampagne angeschlossen. Es erließ eine einstweilige Verfügung gegen den Ausstand der Vereinigung Cockpit (VC), die sich gegen die mittelfristige Beseitigung erreichter Tarifstandards bei der Lufthansa zur Wehr setzt.

Die Frankfurter Richter beriefen sich auf die restriktive Auslegung des deutschen Arbeitskampfrechts, die den Gewerkschaften das Mittel des Streiks nur für tariflich regelbare Ziele zugestehen will. »In diesem Einzelfall« gehe es der Pilotenvereinigung gar nicht um die gekündigten Tarifregelungen, behaupteten sie. Vielmehr wolle die Gewerkschaft mit den Arbeitsniederlegungen – die bis Weihnachten im Wochenrhythmus fortgesetzt werden sollten – den Ausbau der Lufthansa-Billigtochter Eurowings verhindern. Und das ist nach gängiger Lehre eine »unternehmerische Entscheidung«, die von den Beschäftigten nicht in Frage gestellt werden darf.

Das zeigt, wie hohl das Gerede von »Mitbestimmung« und »Tarifautonomie« im bundesrepublikanischen Kapitalismus tatsächlich ist. Die Belegschaften sollen keinerlei Einfluss auf Umstrukturierungen nehmen können – selbst wenn diese zur Untergrabung und letztlich Beseitigung tariflicher Errungenschaften führen. Das ist, als würde einem der Kontrahenten beim Boxen der Schlagarm amputiert.

Doch auch unter Berücksichtigung der bisherigen Rechtsprechung ist die Entscheidung des LAG extrem fragwürdig. Immerhin zwölf Mal hat Cockpit im laufenden Konflikt bereits zu Streiks aufgerufen und bekam dieses Recht in mehreren Urteilen bestätigt. Beim 13. Mal sollen die Streikziele plötzlich illegal sein? Und: Ist es jetzt Sache der Gerichte zu interpretieren, welches die »eigentlichen« Ziele einer Tarifvertragspartei sind? Das würde das Streikrecht aller Gewerkschaften empfindlich treffen. Entsprechend groß sollte deren Solidarität mit den Piloten sein.

 

Dieser Artikel erschien zuerst in der Tageszeitung junge Welt.