FlüchtlingeGegen die Geschäftemacherei mit Flüchtlingen
Containerdörfer, Turnhallen, Zeltlager – die Unterbringung von Geflüchteten wird zunehmend als große Herausforderung dargestellt. Warum es nicht nötig wäre, Menschen unter diesen Bedingungen unterzubringen, zeigt ein Blick auf die Entwicklung des Wohnungsmarktes.
von Sarah Moayeri, Berlin
So wird beispielsweise in Aachen 2016 ein neues Einkaufszentrum mit 29.000 Quadratmetern Verkaufsfläche eröffnet. Die Kosten liegen bei 290 Millionen Euro. Den vergleichs-weise preiswerten Wohnraum, der dafür mitten in der Stadt vernichtet wurde, hätte die Stadt nicht erst seit der wachsenden Flüchtlingszahlen nötig.
19,55 Euro/qm Kaltmiete im Container
Unternehmen schlagen Profit aus der Notlage von Flüchtlingen. Für die Anmietung von 44 Wohncontainern auf einem Grundstück im Aachener Stadtteil Haaren soll die Stadt eine monatliche Kaltmiete von 19,55 Euro pro Quadratmeter zahlen. Bei einer Vertragslaufzeit von zehn Jahren. Das sind keine Ausnahmefälle: Bundesweit müssen Städte und Kommunen Container oder Wohnungen von privaten Investoren zu horrenden Preisen anmieten.
Dass bezahlbare Wohnungen Mangelware sind, ist das Ergebnis einer jahrelangen Politik. Jährlich fallen bundesweit 100.000 Wohnungen aus der Sozialbindung und können zu höheren Preisen vermietet werden. Von den mehr als vier Millionen Sozialwohnungen Ende der 1980er Jahre sind noch 1,5 Millionen übrig. Privatisierungen haben ebenfalls dazu geführt, dass bezahlbarer Wohnraum immer knapper wird. Dresden hat beispielsweise 2006 den gesamten kommunalen Wohnungsbestand an einen Immobilieninvestor für 1,7 Milliarden verkauft. In der Stadt werden bis Ende 2015 2.700 bis 3.500 Geflüchtete untergebracht sein, dazu dient auch ein Zeltlager. Wie die Situation im Winter für die Menschen aussehen wird, ist ungewiss.
Leerstehende Gebäude
Auch wenn der Wohnungsleerstand zuletzt abgenommen hat, gibt es in jeder Stadt immer noch Wohnungen, Büroflächen und andere Gebäude, die leerstehen. 2014 standen in Berlin beispielsweise 900.000 Quadratmeter Bürofläche leer.
Je nach Bundesland und Stadt liegt die Lösung sowohl in der Umnutzung leer stehender Gebäude, als auch in der Beschlagnahme leer stehender Wohnungen für Wohnungssuchende, und zwar für Flüchtlinge und alle anderen gleichermaßen. Gleichzeitig muss neuer preiswerter Wohnraum entstehen, denn solange bezahlbarer Wohnraum immer knapper wird, wird sich die Frage nach der Unterbringung von Geflüchteten immer wieder und jedes Mal mit neuer Brisanz stellen.
Wir fordern eine menschenwürdige und dezentrale Unterbringung von Geflüchteten, Privatisierungsstopp, massive städtische Wohnungsbauprogramme, die (Wieder-)Einführung einer Kostenmiete und eine demokratisch organisierte Vergabe von Wohnraum an Flüchtlinge und andere Wohnungsbedürftige durch NachbarschaftsvertreterInnen, Mietervereine und Gewerkschaften.