Kshama Sawant gelingt Etappensieg bei der Verteidigung ihres Sitzes
Vor 19 Monaten gelang es Kshama Sawant und ihrer Organisation Socialist Alternative, einen von neun Sitzen im Stadtrat von Seattle zu erobern. Ein historischer Schritt: Denn zum ersten Mal seit Jahrzehnten konnte eine entschiedene Sozialistin in einer US-Metropole eine Wahl gewinnen. Am 3. November wird der Stadtrat erneut gewählt. Bei den Vorwahlen am 4. August stimmte jeder Zweite in District 3 für Kshama Sawant.
von Aron Amm, zur Zeit in Seattle
200 UnterstützerInnen von Kshama Sawant fanden sich am Tag der Vorwahlen in einem Veranstaltungssaal im Stadtzentrum von Seattle ein. Als das vorläufige Ergebnis durchsickerte, gab es kein Halten mehr: Ausgelassen feierten SozialistInnen, Gewerkschaftslinke, AktivistInnen diverser sozialer Bewegungen und andere. Der Versuch des großen Geldes, Kshama Sawant einen Schlag zu versetzen, konnte grandios abgewehrt werden.
Eine beispiellose Bilanz
Unmittelbar nach der Wahl Ende 2013 bewies Kshama, dass sozialistische Abgeordnete für einen grundlegend anderen Kurs stehen. So nutzte Kshama ihre Position, um die Mindestlohn-Bewegung zu stärken und in der ersten Großstadt einen Beschluss über einen Mindestlohn von 15 Dollar zu erreichen – was Signalwirkung hatte: Inzwischen konnten ähnliche Beschlüsse in San Francisco, Los Angeles und New York durchgesetzt werden.
Damit nicht genug: Neben einer ganzen Reihe weiterer Initiativen leistete Kshama auch einen wesentlichen Beitrag, eine Mieterhöhung von 400 Prozent in bestimmten Wohngegenden abzuschmettern.
Ausserdem verzichtet Kshama auf 80.000 Dollar der insgesamt 120.000 Dollar, die ein Stadtrat in Seattle jährlich erhält, und nutzt diesen Betrag, um Protestbewegungen den Rücken zu stärken.
Wahlkampf von unten
Pamela Banks, Kshamas Hauptkontrahentin in District 3, wurde finanziell massiv unter die Arme gegriffen “von Geschäftsleuten, die genug von der sozialistischen Stadträtin hatten” (Seattle Times vom 4. August). Das Big Business will verhindern, dass Kshamas sozialistische Politik Schule macht. Darum machten diverse Vorstandsmitglieder, zum Beispiel von Restaurantketten (die sich für den 15-Dollar-Mindestlohn rächen wollten), sowie weitere Kräfte des bürgerlichen Lagers Unsummen locker – unter anderem für einen TV-Spot. – Völlig ungewöhnlich für Vorwahlen, noch dazu in einem einzigen Wahlkreis.
Ungewöhnlich war indes auch die Kampagne zur Verteidigung von Kshamas Sitz: 600 WahlkampfhelferInnen, 30.000 Hausbesuche, 265.000 Dollar Spenden (überflüssig zu sagen, dass kein Geld von Unternehmerseite darunter ist).
Protest gegen Mietwucher und Wohnungsmangel
Pamela Banks und Co. taten alles, um den Wahlkampf zu personalisieren. In den bürgerlichen Medien wurde Kshama permanent vorgeworfen, die Bevölkerung “zu spalten”. Zurecht antwortete Kshama am Wahlabend darauf, dass es die soziale Ungleichheit ist, die spaltet.
Während die Bürgerlichen entpolitisieren wollten, konterte Kshamas Wahlkampf damit, die “ernste Wohnungskrise” (so die populäre Wochenzeitung “The Stranger”) ins Visier zu nehmen.
Gefordert wurde eine Mietpreisbremse, mehr Mieterrechte, eine Abgabe der großen Wohnungsunternehmen und eine Besteuerung der Reichen. Kshama wurde nicht müde, darauf zu pochen, dass solche Schritte (wie zuvor auch der Mindestlohn) nur erstritten werden können, wenn man sich mit den Banken und Konzernen anlegt und eine Widerstandsbewegung aufbaut.
Der Wahlkampf wurde politisiert – in dem 500 Betroffene zu einer Ratssitzung mobilisiert wurden, zu einer Debatte mit der Gegenseite in Town Hall eingeladen wurde (zu der über 1.000 BesucherInnen kamen) und eine Pressekonferenz von Kshama mit weiteren KandidatInnen, die ihre Stoßrichtung in dieser Frage teilen, organisiert wurde.
Wut auf Wall Street
Kshama konnte mit 50 Prozent und etwa 7.500 Stimmen am Wahlabend (das endgültige Ergebnis lässt noch auf sich warten) ein phänomenales Resultat erzielen. Insgesamt traten in District 3 fünf KandidatInnen an. Die Zweitplatzierte Pamela Banks, die wie die meisten anderen KandidatInnen zu den Demokraten gehört, kam auf 35 Prozent. Während die Wahlbeteiligung in District 3 bei 25 Prozent lag, betrug sie in den anderen Wahlkreisen nur knapp zwanzig Prozent.
Seit der Lehman-Brothers Pleite 2008 tut sich viel in den USA: Occupy Wall Street, Mindestlohnbewegung, einzelne heftige Arbeitskämpfe (unter anderem gegen einen Generalangriff auf Gewerkschaftsrechte in Wisconsin), Black Lives Matter, Initiativen für die gleichgeschlechtliche Ehe …
Der lauter werdende Ruf für radikalen Wandel widerspiegelt sich auch in der Resonanz, die der parteiunabhängige und sich selbst als Sozialist verstehende Senator Bernie Sanders für seine Forderung nach einer “politischen Revolution” findet: Tausende strömen zu seinen Kundgebungen (allein in Madison zum Beispiel 10.000). Dass er für die Demokraten ins Rennen zu den Präsidentschaftswahlen gehen möchte, kritisiert Socialist Alternative entschieden – und macht sich bei den “People for Bernie”-Zusammenkünften dafür stark, eine neue politische Kraft im Interesse der arbeitenden Bevölkerung aufzubauen. Am kommenden Samstag wird Bernie Sanders auf zwei Veranstaltungen in Seattle auftreten (bei einer davon – zu “sozialer Sicherheit” – gehört auch Kshama zu den RednerInnen).
“Für den demokratischen Sozialismus”
Die Vorwahlen konnten Kshama Sawant und Socialist Alternative eindrucksvoll für sich entscheiden. Da die Herrschenden jedoch ein starkes Interesse daran haben, in diesem Leuchtturm, der weit über Seattle hinaus strahlt, das Licht zu löschen, werden die UnterstützerInnen von Kshama alles in ihrer Macht stehende tun müssen, um die Wahlen am 3. November zu gewinnen.
In ihrer Rede am Wahlabend betonte Kshama, dass die Kämpfe für Mindestlohn, Mietpreisgrenze und anderes auch dazu dienen müssen, eine Bewegung für den demokratischen Sozialismus aufzubauen.
Nachdem kurz vor der Wahl vier UnterstützerInnen Mitglieder von Socialist Alternative wurden, traten zwei weitere auf der Wahlparty ein. Zudem stehen über 20 InteressentInnen derzeit in Diskussion mit Socialist Alternative. Der Aufbau einer starken Kraft des CWI im mächtigsten imperialistischen Land ist eine zentrale Aufgabe – und nicht zuletzt auch eine Ermutigung für ArbeiterInnen und Jugendliche in anderen Teilen der Welt.