Hoffnungslosigkeit, Korruption und Armut im Kosova
Seit Beginn diesen Jahres bis Ende Mai stellten 29.747 Kosovaren Anträge auf Asyl in Deutschland. Von einer Ausreise-“Lawine“ aus dem Kosova nach Deutschland, wie die Deutsche Botschaft in der kosovarischen Hauptstadt Priština behauptete, kann also nicht die Rede sein.
Von Ronald Luther, Berlin
Trotzdem schüren Politiker wie CSU-Chef Horst Seehofer weiter Angst vor einer angeblichen Masseneinwanderung, die die deutschen Sozialsysteme überfordern könnte, indem sie vor einem „massenhaften Asylmissbrauch“ durch Menschen aus den Balkanstaaten warnen. Dabei wollen die meisten Kosovaren hier legal arbeiten und ihr eigenes Geld verdienen.Da sie aber für die Einreise in die EU ein Visum benötigen, das schwer zu bekommen ist, versuchen es viele über einen Asylantrag. Denn die Lage in Kosova ist für viele hoffnungslos.
Katastrophale Zustände
So hat dort offiziell nur etwa jeder Dritte Arbeit und 60 bis 70 Prozent der jungen Menschen sind arbeitslos. Etwa 30 Prozent leben unter der Armutsgrenze. Gleichzeitig gibt es im Kosova viele Millionäre, die meisten davon sind Politiker. Als reichster Mann des Landes gilt der ehemalige Präsident und Ministerpräsident Behgjet Pacolli, dessen Vermögen mit 420 Millionen Euro angegeben wird.
Der eigentliche Anlass für die verstärkte Auswanderung war die Bildung einer neuen Regierung in Priština Ende letzten Jahres nach einer halbjährigen Patt-Situation. Diese Regierung kam nur auf massiven Druck der EU und der USA zu Stande und seitdem herrscht politischer Stillstand. Hinzu kommt eine große Unzufriedenheit mit der weit verbreiteten Korruption und organisierten Kriminalität. So werden staatliche Jobs über ein Klientelsystem der regierenden Parteien vergeben. Es ist ein offenes Geheimnis, dass in Kosova eine korrupte Politikerkaste an der Macht ist, die eng mit der organisierten Kriminalität verbunden ist. So gilt das Land als ein Umschlageplatz im europäischen Drogen- und Menschenhandel. Das alles geschieht mit Wissen der EULEX, einer Behörde der EU, die den Aufbau eines Rechtsstaates im Kosova überwachen soll und der UNO-Mission UNMIK, die das Land übergangsweise verwaltet. EULEX-Mitarbeiter waren im letzten Jahr selber in eine Korruptionsaffäre verstrickt gewesen.
Deutsche Verantwortung
Besonders die deutsche Regierung kann sich hier nicht aus der Verantwortung stehlen. So sagt das Auswärtige Amt selber, dass Deutschland einer der privilegierten Partner Kosovas ist und man besucht sich gerne auf Regierungsebene. Das Auswärtige Amt ist eng mit der Kosova-Treuhandagentur verstrickt, die bei der Privatisierung vieler ehemaliger Staatsbetriebe Kosovas eine unrühmliche Rolle spielte, was zu einem Verlust von bis zu 76.000 Arbeitsplätzen führte.
Die Flüchtlinge versuchen also Verhältnissen zu entkommen, die auch durch die Politik der Bundesrepublik Deutschland und der mit ihr verbündeten imperialistischen Staaten entstanden sind. Sie dürfen nicht abgeschoben werden, sondern ihnen muss unsere Solidarität gelten.