Interview mit Eljeer Hawkins über Rassismus und den Kampf dagegen
Nach den Ereignissen von Ferguson und Baltimore hat der Rassismus und die Polizeigewalt gegen Schwarze in den USA neue internationale Aufmerksamkeit erlangt. Wie würdest Du die Lebensrealität schwarzer ArbeiterInnen und Jugendlicher in den Vereinigten Staaten in wenigen Worten beschreiben?
Als Notstand. Das Ausmaß der Armut, Erwerbslosigkeit und der Masseninhaftierungen schwarzer ArbeiterInnen und Jugendlicher ist enorm – unter dem ersten schwarzen Präsidenten Barack Hussein Obama. Es ist Ausdruck der tieferen Krise des Kapitalismus, dass dieser die grundlegenden Bedürfnisse von ArbeiterInnen und Jugendlichen, und vor allem von schwarzen Menschen, nicht mehr erfüllen kann. In Ferguson und Baltimore ging es um Polizeigewalt, aber die Ereignisse dort haben doch nur die letzten vierzig Jahre des neoliberalen Kapitalismus und der Austerität zum Ausdruck gebracht. Die Rebellion in Baltimore war eine Rebellion gegen strukturellen Rassismus, Armut und die kriminelle Ignoranz der Stadt und des Bundesstaates.
Hat die Tatsache, dass mit Barack Obama ein Schwarzer Präsident der USA ist, für schwarze ArbeiterInnen einen Unterschied gemacht?
Wir haben die historische Bedeutung und die Symbolkraft des Einzugs von Barack Obama ins Oval Office sehr wohl anerkannt. Dies hatte einen psychologischen Effekt auf schwarze ArbeiterInnen und Jugendliche und stärkte ihr Selbstbewusstsein und ihren Stolz.
Aber Obama hat vom ersten Tag an die Agenda der Wall Street und des US-Imperialismus vertreten. Unter Obama sind schwarze ArbeiterInnen und Jugendliche wirtschaftlich und sozial schlechter dran und die landesweite Krise hinsichtlich der Polizeigewalt hat seine Administration paralysiert – das ist Obamas „Hurrikan Katrina“. Trotz ein paar begrenzter Maßnahmen, ist hier nicht wirklich viel geschehen.
Unter dem Namen „Black Lives Matter“ (BLM) ist eine neue Bewegung entstanden. Kannst Du uns darüber und über ihre Bedeutung etwas sagen?
Wir sind in eine neue Phase des Kampfes gegen Rassismus und Kapitalismus in den USA eingetreten. BLM entstand nach dem Tod von Trayvon Martin als ein Hashtag und wurde von drei schwarzen Frauen begründet. Daraus entstand eine Protestbewegung. BLM stellt eine mächtige Bestätigung der Menschlichkeit von schwarzen ArbeiterInnen, Armen und Jugendlichen dar. Alle 28 Stunden wird eine schwarze oder dunkelhäutige Person von der Polizei, Bürgerwehren oder außergerichtlicher Gewalt getötet. Junge schwarze Männer werden 21 Mal so häufig von der Polizei erschossen, wie weiße Männer. BLM drückt die Stimmung einer neuen Generation von AktivistInnen in den USA und weltweit aus.
Greifen die Gewerkschaften den Rassismus auf?
Es gibt keine größere Beteiligung der Gewerkschaftsbewegung an BLM. In einigen Städten gab es Stellungnahmen gegen Polizeigewalt. Es gibt aber ein paar wichtige Entwicklungen, wie den Hafenstreik der Gewerkschaftsgruppe ILWU 10 in der Bay Area in Kalifornien in Solidarität mit Ferguson und Baltimore am 1. Mai. In Madison, Wisconsin, sind GewerkschafterInnen des öffentlichen Dienstes gemeinsam mit BLM-AktivistInnen auf die Straße gegangen gegen die Ermordung von Tony Robinson. Und das Bündnis „One Baltimore United“, das aus verschiedenen Gewerkschaften besteht, greift die Austeritätspolitik des Establishments in Baltimore an und fordert mehr Arbeitsplätze.
Was fordert Socialist Alternative um gegen Rassismus vorzugehen?
Wir wollen die Bewegung dadurch ausweiten, dass wir mehr Forderungen im Interesse der Arbeiterklasse aufwerfen und wollen eine nachhaltige multiethnische, antikapitalistische und von den kapitalistischen Parteien (Demokraten und Republikaner) unabhängige Bewegung aufbauen.
Wir treten für eine nationale Koordinierung ein. Vom 24. bis 26. Juli wird es in Cleveland, Ohio, eine wichtige Konferenz der Basisgruppen und Nichtregierungsorganisationen in der Black Lives Matter-Bewegung geben, um über die weitere Ausrichtung der Bewegung zu beraten. Wir begrüßen diese Konferenz.
Das Interview führte Sascha Stanicic