Linke Alternative fehlt. Das gibt der PEGIDA-Kandidatin mehr Raum
„Es gibt ja nur noch alle Parteien gegen eine Parteilose!“ Tatjana Festerling mag die theatralische Pose wie die an jenem 13.April. Eine Woche nach der offiziellen Nominierung zur OB-Kandidatin von PEGIDA in Dresden stilisiert sie sich zur einzigen „Anti-Establishment-Kandidatin“ und könnte damit in Teilen der Dresdner Bevölkerung leider einen Nerv treffen.
Von Steve Hollasky
In Anlehnung an die „Skandal-Rapperin“ Lady Bitch Ray, die sich mit ihren stark sexualisierten Texten und Auftritten einen Namen gemacht hat, bezeichnet Festerling sich selbst als „Lady Bitch Rechts“ („Die Welt“ vom 20.04.). Sie liebt es zu provozieren und – durchaus eloquent – politische GegnerInnen und MigrantInnen auf inhaltlich unterstem Niveau anzugreifen. Sie nennt das dann „Klartext sprechen“.
Wer ist Tatjana Festerling?
„Der Spiegel“ vom 14.04. fand die richtigen Worte, als er über Festerling schrieb: „Wie offen nationalistisch und fremdenfeindlich PEGIDA mittlerweile auftritt, zeigen Festerlings Auftritte […].“ Durch die politische Karriere der passionierten Marathonläuferin ziehen sich rechtsnationalistische und rassistische Positionen wie ein roter Faden. Der Hamburger AfD war die Mutter von zwei erwachsenen Kindern zu weit rechts. Das konnte nach ihren extatischen Sympathiebekundungen für die brutale Hogesa-Demo in Köln im Oktober 2014 kaum überraschen. Nach Sätzen wie „ich ziehe meinen Hut vor den Hools“, schrillten in der AfD, die doch gern als wählbare rechtspopulistische Kraft erscheinen möchte, die Alarmglocken und Festerling geriet unter Druck.
Aber, „Lady Bitch Rechts“ wäre nicht „Lady Bitch Rechts“, wenn sie nicht gleich noch nachlegen würde. Und so platzierte sie in dem gern zu rassistischen Ausfällen neigenden Schweizer Blatt „Die Weltwoche“ einen Artikel unter dem Titel „Aufbegehren unerwünscht“. Darin lobte sie nochmal den Massenauflauf rassistischer Schläger in Köln als „Demo gegen Kopfabschneider und Frauenverstümmler“ und definierte die gewaltbereiten Rassisten, die gern das Hooliganlabel für sich nutzen, als „Typen, die sich trauen, für unser Land und für den vor der Glotze hockenden deutschen Michel auf die Straße zu gehen.“
Selbst der „Alternative für Deutschland“ passten solche Sätze nicht so recht ins politische Kalkül und Tatjana Festerling wurde erst an den Rand und dann aus der Partei gedrängt.
Wenn PEGIDA-Chef Lutz Bachmann die Gefallene nun wieder ausgräbt, dann verbirgt sich dahinter auch Strategie. In ihrer AfD-Zeit war Festerling Mitglied der in Sachsen gegründeten „Patriotischen Plattform“. Sie stand innerhalb der AfD auf dem äußerst rechten Flügel und scheint in Teilen sächsischen Landesverband sehr beliebt. Der getrennte Antritt der AfD mit ihrem Kandidaten Vogel wird PEGIDA bei der OB-Wahl Stimmen kosten. Da zieht die AfD-Vergangenheit Festerlings eventuell Stimmen von dieser Partei zu PEGIDA zurück.
„Der Spiegel“ am 14.04. ganz richtig PEGIDA sei ein Gebilde, „[…] das sich nicht festlegen will: Außerparlamentarische Opposition oder doch Pseudo-Partei, man weiß es bei PEGIDA nicht. Soll man auch nicht.“ Man kann nur spekulieren wo Bachmann/Festerling hin wollen, aber der Antritt bei der OB-Wahl in Dresden und die Ankündigung ähnlicher Schritte bei Landratswahlen, lässt den Versuch einer Institutionalisierung von PEGIDA durchaus möglich erscheinen und dafür wären Absplitterungen von der AfD für PEGIDA sinnvoll und nützlich.
Eines steht fest, die ständigen Beschwerden über Demokratiedefizite konterkarierend, hatte der „einfache PEGIDA-Gänger“ keine Möglichkeit die Kandidatin mitzubestimmen. Festerling wurde nach einigen Wochen der Spannung den Leuten vorgesetzt. Was hingegen weit weniger feststeht ist, wofür Festerling in Dresden genau steht. Was will sie tun? Wie sieht ihr Programm aus?
Rassismus über alles
Der Ausgangs- und gleichzeitig Endpunkt jeder politischen Analyse Festerlings ist Rassismus. Dabei ist sie natürlich gar keine Rassistin, wie sie immerzu erklärt. Sie habe ja nicht umsonst in Hamburg im multikulturellen Viertel Sternschanze gewohnt. Nur sei ihr eben auch dort aufgefallen, dass es immer schlimmer geworden sei. „Diese Aggressionsbereitschaft, mit der ausländische Männer uns Frauen begegnen, dieses narzisstische Macho-Verhalten, das hat es früher nicht gegeben“. Das weiß die Frontfrau einer Truppe zu berichten, die nach dem Besuch von Geert Wilders in Dresden GegendemonstrantInnen am Dresdner Hauptbahnhof angriff, ihnen Aufkleber von der Kleidung riss; die Kirchenmitarbeitern mit Gurgeldurchschneiden bedrohte, weil sie ihr Geläut nicht abstellen wollten und dieses die Abschlusskundgebung einer PEGIDA-Kundgebung störte; die GegendemonstrantInnen immer wieder lautstark mit Prügeln drohte (08.12.14) und mit Holzlatten auf sie zustürmte (22.12.14); die Flüchtlinge auf dem Theaterplatz attackieren wollte.
Flüchtlinge sind für Festerling Männer, „[…] die ihre Familien und die Heimat im Stich lassen, weil es hier so einfach Schönerwohnen und ordentlich Knete vom Staat gibt.“ So blökte es die PEGIDA-OB-Kandidatin am 06.04.15 ihren Zuhörern entgegen. Den Gehalt solcherlei Aussagen kennen alle, die die ach so gelobte dezentrale Unterbringung in Dresden kennen. Wie im Fall des Mordes an dem Flüchtling aus Eritrea durch einen seiner Mitbewohner bekannt wurde, leben nicht selten 7 Personen auf 77 Quadratmetern – das ist dann dezentrale Unterbringung. In Dresden haben Flüchtlinge noch nicht einmal einfachen Zugang zu medizinischer Versorgung. Ob sie die bekommen wird von Fall zu Fall „vom Amt“ und nicht von ÄrztInnen entschieden. Wer nach Deutschland flieht erhält nach Asylbewerberleistungsgesetz in der Anfangsphase nur 140,00 Euro im Monat.
Und in Anbetracht dieses Elends appelliert Festerling ganz im PEGIDA-Stil an die niedrigsten Instinkte und warnt vor Migranten, die bei ihr sowieso nur nordafrikanische junge Männer zu sein scheinen, die deutsche Frauen massenweise vergewaltigen würden.
Wenn es um Zuwanderung geht, wirkt Festerling wie der sprichwörtliche Stier in der Arena, dem man ein rotes Tuch vor die Augen hält. „In fünf Jahren mit weiter massiv ansteigenden Asylantenströmen wird man diese wunderschöne Stadt und ihre Umgebung nicht mehr wieder erkennen“, malte sie am Tage ihrer Ernennung zur Kandidatin Weltuntergangsszenarien und schob gleich den vermeintlichen PEGIDA-Rettungsring hinterher: „Wir werden alles tun, um dieses Zerstörungsprogramm noch irgendwie zu stoppen.“ Wohl gemerkt 5 Jahre Zuwanderung würden Dresden so verändern, dass man es schwerlich wiedererkennen würde, nicht etwa fünf Jahre horrende Mietsteigerung, zwischen 2009 und 2014 nicht weniger als 23 Prozent . Ein Wert, der Dresden vor Köln und Frankfurt/Main und selbst München platziert (Dresdner Neueste Nachrichten, 09.03.15). Nicht etwa das Ansteigen der von Armut betroffenen Personen in Dresden von 62.000 im Jahre 2010 auf aktuell fast 72.000 (Sächsische Zeitung, 09.03.2015) sind das große „Zerstörungsprogramm“, welches Festerling stoppen will, sondern der Zuzug von Flüchtlingen.
Nur, weder MigrantInnen, noch Flüchtlinge erhöhen Mieten und treiben Menschen in Armut, dafür sorgen deutsche PolitikerInnen und deutsche Unternehmer. Von diesen schlichten Wahrheiten soll der Rassismus von PEGIDA ablenken und genau daher hilft er den Herrschenden und den wirklich Verantwortlichen für diese Auswüchse des kapitalistischen Wirtschafts- und Gesellschaftssystems.
Frauen, Männer, Erziehung – Festerling
Das Geschlechterverhältnis ist für Tatjana Festerling immer wieder ein Thema, wobei das, was sie sagt im Grunde stets dasselbe ist. Gender-Mainstreaming erteilt sie selbstverständlich ebenso eine Abfuhr wie Aufklärungsunterricht in KITAs oder Schulen. Ausgerechnet während des KITA-Streiks bezeichnete sie ErzieherInnen, GrundschullehrerInnen und linke PolitikerInnen als „Gender-Tanten“, als Erwachsene, die sich „Wie Pädophile ständig für die Sexualität unserer Kinder interessieren.“ Wer so etwas in einer Zeit sagt, in der KITA-Beschäftigte darum kämpfen endlich wenigstens etwas mehr Gehalt zu beziehen, der hat sich in dieser Auseinandersetzung ganz klar entschieden und zwar gegen die KITA-Beschäftigten. Rassistische Gruppierungen stehen den lohnabhängig Beschäftigten feindlich gegenüber, das ist nicht neu, wird durch Festlerings blumige Sprache aber nochmal eindrucksvoll bestätigt.
Festerling für Mauer
Für große Furore sorgte Festerlings Auftritt am 9.März. Da verlas sie im Dunkel des Frühjahrsabends eine Vision für die Zukunft. Als sie eine Woche zuvor aus dem Osten, in dem sie sich so geborgen fühlte, Richtung „Wilder Westen“ aufgebrochen sei, habe sie sich gefragt, was eigentlich gegen eine Sezession des Ostens spreche. PEGIDA gründe einen unabhängigen Staat im Osten, wo die „deutschen Werte“ gepflegt würden und man werde auch eine Mauer errichten, „diesmal aber richtig.“
Alternative von Links?
Fraglos: PEGIDA ist rassistisch, nationalistisch, wirtschaftsliberal und frauenfeindlich. Für Jugendliche und lohnabhängig Beschäftigte, für RentnerInnen und natürlich erst recht für MigrantInnen kann Festerling keine Option für die OB-Wahlen am 7.Juni sein.
Doch die Frage bleibt, ob es eine Alternative von links gibt. LINKE, Grüne und SPD haben sich auf eine Kandidatin geeinigt: Eva-Maria Stange von der SPD. Viele werden ihr wohl die Stimme geben, schon um PEGIDA und dem ebenfalls antretenden AfD-Kandidaten eine Abreibung zu erteilen. Doch die ehemalige und aktuell wieder amtierende sächsische Kultusministerin hat Einsparungen mitgetragen und kommt aus einer Partei, die für Hartz IV und Kriegseinsätze steht. Die SPD hat Fluchtursachen durch Militäreinsätze und das Zulassen von Rüstungsexporten mit produziert und gleichzeitig verantwortet sie rassistische Gesetze mit.
Diese Politik hat geholfen, PEGIDA und Rassismus hervorzubringen. Genau daher hätte DIE LINKE mit einer eigenen Kandidatur klare Kante gegen Rassismus, gegen Sozialabbau – egal von welcher Partei – und für soziale Verbesserungen zeigen müssen. Dass sie das nicht tut, kann sich mittelfristig für DIE LINKE als Problem herausstelle. Sie hat sich so die Möglichkeit genommen, sich selbst als soziale Alternative zur SPD zu präsentieren und damit auch die Parteistrukturen wieder zu stärken. Kurzfristig folgen aus dieser Entscheidung ebenso verheerende Auswirkungen. Erinnern wir uns an unserer Eingangszitat. „Es gibt ja nur noch alle Parteien gegen eine Parteilose!“ brüllte Festerling ins Mikrofon. Sie auf einem Kreuzzug gegen das Establishment… Mit der Entscheidung der LINKEN die SPD-Kandidatin zu unterstützen hat sie Festerling in den Augen von Teilen der Dresdner Bevölkerung, ohne es zu wollen, vielleicht scheinbar recht gegeben. Und das macht den Weg der Dresdner LINKEN umso verhängnisvoller.