Kampf gegen Generalangriff der Regierung geht weiter
Die belgische Arbeiterklasse hatte Ende letzten Jahres mit einem Generalstreik bewiesen, dass sie entschlossen ist, die Kürzungspläne der rechtskonservativen Regierung zu stoppen. Denn diese würden eine dramatische Verschlechterung der Lebensbedingungen bedeuten.
Von Marie Rosa, Aachen
Bildung, Rente, Öffentlicher Dienst, Löhne, Arbeitslosenhilfe – es gibt kaum einen Bereich, der nicht angegriffen werden soll. Die Demonstrationen und Streiks dagegen wurden von einem gemeinsamen Aktionsplan der Gewerkschaften geprägt, der die Möglichkeit bot, Versammlungen in den Betrieben durchzuführen und Belegschaften miteinander zu vernetzen. KollegInnen konnten sich austauschen, diskutieren, Aktionen planen. Viele AktivistInnen waren der Meinung, dass sie bis zum Sturz der Regierung kämpfen müssen, um die Kürzungspläne zu stoppen.
Vertane Zeit
Leider erlebte die Bewegung nach dem landesweiten Generalstreik vom 15. Dezember eine Pause. Die Gründe dafür lagen hauptsächlich bei den Vorständen der verschiedenen Gewerkschaften. Diese hatten immer wieder den Zeitpunkt für ein gemeinsames Treffen zur Beratung über weitere Aktionen verschoben. Viel Zeit wurde auch für Verhandlungen mit der Regierung verschwendet, obwohl diese nie bereit war, ihre Angriffe zurückzunehmen. Zusätzlich ereigneten sich der Anschlag auf die Redaktion von „Charlie Hebdo“ in Paris und die Anti-Terror-Operation im belgischen Verviers, die von den sozialen Kämpfen ablenkten und die Lage verkomplizierten – zu Ungunsten der Bewegung.
Aber in der belgischen Arbeiterklasse brodelt es weiter. Die Monate März und April zeigten, dass diese nicht ihr letztes Wort gesprochen hat. Am 11. März fand eine Versammlung von GewerkschafterInnen statt, an der Zehntausend teilnahmen. Das waren doppelt so viele, wie ursprünglich angenommen! Während der Reden wurde laut „Grève générale“ und „Algemene staking“ (deutsch:„Generalstreik“) gerufen. Die Forderungen waren klar: Hände weg von der Angleichung der Löhne an die Teuerungsrate, von der Arbeitslosenhilfe, von der Rente und vom Öffentlichen Dienst. Stattdessen: Stärkung und Ausbau des Öffentlichen Dienstes!
Streik am 22. April
Darauf folgten Demonstrationen mit Streikaktionen in verschiedenen Städten: zum Beispiel 8.000 in Lüttich und 10.000 in Charleroi. Auch nicht-gewerkschaftliche Bündnisse konnten gegen die Kürzungspolitik mobilisieren (20.000 allein in Brüssel). Am 22. April hat dann ein Vollstreik im Öffentlichen Dienst stattgefunden: Die Bahn, der Bus- und Bootsverkehr, die Post, die Müllabfuhr, die Krankenhäuser, die Schulen und Unis und andere öffentliche Einrichtungen wurden mit einer hohen Beteiligung bestreikt.
Leider läuft die Mobilisierung seitens der Gewerkschaftsführung nur zögerlich. Das Material für die Mobilisierung zu den regionalen Demonstrationen kam spät. Das Argument, es gebe eine Streikmüdigkeit unter den Arbeitern, ist vorgeschoben. Das Problem ist viel mehr, dass die Gewerkschaftsvorstände nicht an eine Alternative zur Kürzungspolitik glauben. Einige sind sogar zu Zugeständnisse an die Regierung bereit: So akzeptiere die Führung des katholischen Gewerkschaftsbundes Teilangriffe in dem falschen Glauben, dass sie damit den Generalangriff verhindern könnten, was auf großen Unmut an der Basis stieß.
Die Regierung ist nicht bereit, irgendwelche Kompromisse zu machen. Sie muss gestürzt werden. Dafür ist ein Aktionsplan nötig, der breiter angelegt und kämpferischer ist als die Aktionen der letzten Wochen. Darin muss es neben Demonstrationen und Streiks auch Platz für Austausch und Diskussionen in und außerhalb der Betriebe geben. Gleichzeitig ist es nötig, die „Sachzwänge“ der kapitalistischen Wirtschaft abzulehnen und für eine Politik im Interesse der Mehrheit einzutreten! Der Wechsel zu so einer Politik wäre nur mit einer Umverteilung des Reichtums und einer Verstaatlichung der Schlüsselindustrie unter demokratischen Kontrolle möglich.