EU-Kommission und Merkel-Regierung wollen die EU militärisch stärken
von Jan Hagel, Dortmund
Anfang März forderte EU-Kommissionspräsident Juncker eine Fusion der Armeen aller Mitgliedsländer zu einer gemeinsamen EU-Armee. Sie könne „uns helfen […] gemeinsam die Verantwortung Europas in der Welt wahrzunehmen“. Von den deutschen Regierungsparteien kam einhellige Zustimmung, Angela Merkel und die „Verteidigungs“-ExpertInnen von SPD und Grünen erklärten ihre Unterstützung für die Idee. Eine EU-Armee könne mit 1,5 Millionen SoldatInnen, aufeinander abgestimmten Strukturen und Waffensystemen ein deutlich größeres Drohpotential entfalten. Außerdem sei sie billiger als 28 nationale Armeen, Verwaltungsausgaben könnten eingespart und so ein größerer Teil des Budgets für Waffen ausgegeben werden.
Keine neue Idee
Schon in den 1950ern wurde im Kontext des Kalten Krieges über die Schaffung einer gemeinsamen (west-)europäischen Armee diskutiert, um die mit den USA verbündeten kapitalistischen Staaten als Bollwerk gegen die Sowjetunion und die anderen stalinistischen Staaten Osteuropas zu stärken. Damals scheiterte der Plan am Widerstand Frankreichs. Die französischen Herrschenden brauchten ihre Armee vor allem zur Verteidigung der eigenen Kolonialherrschaft gegen Befreiungsbewegungen wie etwa in Algerien und weigerten sich daher, sie dem Kommando der „Europäischen Verteidungsgemeinschaft“ zu unterstellen. Diese wurde faktisch nie gegründet, stattdessen wurden die Strukturen der NATO zur militärischen Koordination zwischen den kapitalistischen Staaten unter Führung der USA genutzt.
Säbelrasseln gen Osten
Auch heute halten die BefürworterInnen einer EU-Armee diese im Rahmen des sich entwickelnden „neuen Kalten Krieges“, der diesmal zwischen konkurrierenden kapitalistischen Mächten geführt wird, für notwendig . Mit ihrer Hilfe wollen sie gegenüber Russland „Stärke zeigen“ und eine konfrontativere Politik gegen das Putin-Regime ermöglichen. Juncker erklärte, er wolle Russland „den Eindruck vermitteln, dass wir es ernst meinen mit der Verteidigung der Werte der Europäischen Union.“ Bei einer solchen Eskalationspolitik wäre dann eine bewaffnete „Fortsetzung“ als Krieg eine bereits eingeplante Option.
Allerdings sehen die Regierungen anderer EU-Staaten die gemeinsame Armee kritisch. Aus der französischen Regierung wurden Forderungen laut, die anderen EU-Mitglieder sollten sich doch erst einmal stärker an den von Frankreich geführten Kriegen in verschiedenen afrikanischen Ländern beteiligen. Der britische Premier David Cameron erklärte unter dem Eindruck der starken EU-kritischen Stimmung in der Bevölkerung, „[…] Verteidigung ist eine Aufgabe der Nationalstaaten, nicht der EU. Es gibt keine Perspektive, dass sich das ändert und keine Perspektive für eine europäische Armee.“ Auch die USA lehnen die Idee ab, weil sie einen Bedeutungsverlust der NATO befürchten.
Normalisierung imperialistischer Kriege
Die Wahrscheinlichkeit für die Bildung einer EU-Armee in absehbarer Zeit ist sehr gering. Die Diskussion darüber zeigt aber bedeutende Entwicklungen in der Außenpolitik Deutschlands und anderer europäischer Länder. So fordert die Bundesregierung als führende Macht der EU mit der – im Koalitionsvertrag vorgesehenen – gemeinsamen Armee auch die militärische Führungsrolle in der Union ein. So könnten alle Mitgliedsländer verpflichtet werden, einen Mindestanteil zum Budget der EU-Armee beizusteuern, um (deutsche) Waffen zu kaufen. Ähnlich wie Griechenland trotz Wirtschaftskrise zum Kauf deutscher U-Boote gezwungen wurde.
Krieg erscheint in den Diskursen der Herrschenden zunehmend wieder als legitimes und „normales“ Mittel der Politik zur Verteidigung und Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen. Es geht um den Zugang zu Absatzmärkten, Rohstoffen und nicht zuletzt um die Profite der Waffenindustrie. Offene Drohungen an Russland sind unter den Herrschenden der EU- und NATO-Länder und in den sie unterstützenden Medien unumstritten – Kontroversen gibt es nur darüber, wie am effektivsten gedroht werden kann.
Die SAV lehnt eine EU-Armee ebenso ab wie jede andere Armee, die den imperialistischen Interessen der Herrschenden dient. Wir fordern das Ende aller Auslandseinsätze der Bundeswehr. Gleichzeitig müssen die SoldatInnen innerhalb der Bundeswehr demokratische Rechte – einschließlich des Streikrechts – erhalten, damit sie für die aggressiven Ziele der Herrschenden unbrauchbar wird.