Ein Gespräch mit Heidrun Dittrich, Vertrauensfrau* und Diplom-Sozialwissenschaftlerin sowie Diplom-Sozialarbeiterin in Hannover
Im Sozial- und Erziehungsdienst ist eine harte Tarifauseinandersetzung zu erwarten.
Worum geht es beim anstehenden Tarifkonflikt?
Nach der Einführung des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst (TVÖD) 2005, der den Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) ablöste, war eine Absenkung der Lohnsumme – bei Erzieherinnen und Erziehern von bis zu 20 Prozent – die Folge.
Diese Absenkung soll nun durch die Höherbewertung der Entgeltgruppen für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst ausgeglichen werden. Die Forderung nach zehn Prozent und mehr entstand durch die Benachteiligung in der Vergangenheit.
Es wird weiterhin gefordert, berufliche Vorerfahrungen bei Einstellungen zu berücksichtigen. Bisher wird eine Bewerberin nach dem TVÖD wieder in der untersten Gruppe eingestuft und muss sich hocharbeiten. Keine angenehmen Aussichten, wenn ein Umzug oder Ähnliches ansteht …
Im Zuge der Inklusion sollen Merkmale wie die Anzahl der Gruppen und die Anzahl der MitarbeiterInnen und Mitarbeiter eine Rolle bei der Eingruppierung spielen. Denn Inklusion geht nicht mit großen Gruppen, es müssen mehr PädagogInnen und Pädagogen beschäftigt werden.
Die Ansprüche haben stetig zugenommen. Eine Anerkennung der Leistung durch höhere Bezahlung ist indes ausgeblieben. Wie beurteilst du die Situation der Beschäftigten?
Es sind neue Berufsbilder wie Kindheitspädagogen, frühkindliche Bildung, Traumatherapeuten entstanden. MigrantInnen und Migranten in der sozialen Arbeit und kollegiale Beratungen als Methode kamen hinzu. Die Qualitätsstandards in der sozialen und pädagogischen Arbeit kommen erst zur Geltung, wenn auch genügend Personal vorhanden ist.
Deshalb ist der Kampf der ver.di-Betriebsgruppe bei der Charité in Berlin so vorbildlich, weil dort die Beschäftigten selbst in Sachen Personalbemessung gefragt werden sollen.
Unbefristete Arbeitsplätze sind notwendig, um das eigene Leben zu planen. Auch bei der Betreuung der Kleinkinder ist ein ständiger Wechsel schädlich: Erziehung gelingt nur durch Beziehung! Dazu ist Vertrauen notwendig, und das muss aufgebaut werden.
In der Osterzeit sind Warnstreiks geplant. Es ist die Rede davon, dass es danach zu einem Erzwingungsstreik kommen könnte. Was planen ver.di und GEW?
Der erste Verhandlungstag ist am 25. Februar in Hannover. Dort wollen ver.di-Mitglieder morgens um 10 Uhr vor dem Hotel Crown Plaza demonstrieren. Der zweite Verhandlungstag findet am 23. März in Münster statt.
Nach Ostern soll es erst zu Arbeitskampfmaßnahmen kommen. Bisher gibt es auf regionaler Ebene noch kaum Streikvorbereitungen. Immerhin ist am 28. Februar in Hannover eine ver.di-Konferenz für die Arbeit von Betriebsgruppen und Vertrauensleuten geplant. Dort können sich die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst mit anderen Betriebsgruppen vernetzen.
2006 und 2009 fanden die letzten großen Arbeitskämpfe im Sozial- und Erziehungsdienst statt. Welche Lehren sind daraus zu ziehen?
Damals hat sich gezeigt, dass das Wichtigste der Aufbau der Solidaritätsarbeit mit den Eltern, den Kita-Beiräten, dem Stadtelternrat und dem Stadtschülerrat ist. Am Besten, wir nehmen auch die Kinder und ihre Eltern mit zur Streikkundgebung!
Bei dem jetzt anstehenden Konflikt können bereichsübergreifend gegenseitige Solidaritätsbesuche bei streikenden Belegschaften – ob die Tarifauseinandersetzung der Länder oder bei der Bahn – stattfinden. Letztendlich sollten Solidaritätsstreiks auch in Deutschland wieder ausgeübt werden.
Zudem ist die aktive Einbeziehung der Streikenden zentral. Um das zu erreichen, sind Wahl und jederzeitige Abwählbarkeit von Streikleitungen ein bewährtes Mittel.
Die Aufstockung des Verteidigungsetats und die Aufrüstungspläne entziehen dem sozialen Bereich finanzielle Mittel. Das muss in unserem Konflikt auch dringend thematisiert werden.
* Angabe der Funktion dient nur zur Kenntlichmachung der Person