Interview mit Lukas Schütz (20), zur Zeit in Ausbildung zum Erzieher an einer Fachschule für Sozialpädagogik in Kassel
Lukas ist an der Fachschule für Sozialpädagogik in Kassel Sprecher des Studierendenrates. Am 19. März mobilisierte er 50 weitere Azubis seiner Fachschule zur Warnstreikdemonstration des Sozial- und Erziehungsdienstes in Kassel. Vorher war er jahrelang in der Antispebewegung aktiv, im Steet Team FreeMe Nordhessen. Nach dessen Auflösung beteiligte er sich an Antifa-Protesten unter anderem gegen Kagida. Das Interview mit Lukas führte Anne Engelhardt.
Warum unterstützt du als Azubi den Streik für Soziale Dienste und Erzieherinnen und Erzieher?
Ganz egoistisch möchte ich mehr Geld bekommen, wenn ich ausgelernt habe. Außerdem setzt der Streik einen Prozess in Gang, der schon längst überfällig ist. „Die Erzieherin“ ist ein typischer „Frauenberuf“, und genauso wie bei der „Raumpflegerin“ und anderen gilt es als normal, dass die Berufe schlechter bezahlt werden und es viel mehr Teilzeit gibt. Man muss dafür kämpfen, dass die Geschlechterdiskriminierung über die Bezahlung – weil es eben ein Beruf ist, in dem viele Frauen arbeiten – aufhört. Mit dem Beruf der Erzieherin geht sehr viel Verantwortung einher, indem man die Förderung der Kinder für ihre Zukunft bestreitet und sie auf ihren Weg begleitet. Das ist eine vertrauensvolle Aufgabe und sie braucht mehr Anerkennung.
Wie bist du auf die Idee gekommen, an deiner Fachschule für den Streik zu mobilisieren?
Auf die Idee gekommen bin ich, weil ich vorher schon politisch aktiv war und es für mich außer Frage stand, den Streik zu unterstützen und sich zu solidarisieren. Es hat für mich nicht ausgereicht, allein etwas zu machen. Mit einer größeren Gruppe kann man einfach mehr erreichen und deshalb habe ich den Studierendenrat und die Studierenden in meinem Fachbereich angesprochen. Unsere Ausbildung ist im deutschen Qualifikationsrahmen mit dem Bachelor gleichgesetzt. Und wir gelten damit als Studentinnen und Studenten und dürfen einen Studierendenrat gründen, der jedoch die gleichen Rechte wie ein SchülerInnenrat hat. Wir haben uns zusammengesetzt, haben uns mit dem Thema beschäftigt und abgestimmt, den Streik zu unterstützen. Wir haben ver.di eingeladen, eine Studierendenversammlung mit über 200 zukünftigen Erzieherinnen und Erziehern an unserer Schule organisiert, die für die Unterstützung des Streiks gestimmt haben.
Wie ist eure Situation als auszubildende Erzieherinnen und Erzieher?
Unsere Situation ist die, dass wir mit bis zu fünf Jahren eine der längsten Ausbildungen Deutschlands machen, von denen nur ein Jahr vergütet wird. In Hessen müssen wir erst den Sozialassistent absolvieren und können erst im Anschluss die Ausbildung zum Erzieher machen. Es geht auch über den Weg Abitur, FSJ und dann im Anschluss Erzieherin beziehungsweise Erzieher. Wir gelten in Hessen als Studierende, haben daher im Gegensatz zu anderen Azubis kein Recht auf Fahrtkostenerstattung. Wenn wir nach der Ausbildung studieren, haben wir kein Anrecht mehr auf BaföG. Das sind alles Versuche, uns so schnell wie möglich auf den Arbeitsmarkt zu werfen, aber da die Bezahlung so schlecht ist, wollen sich viele lieber fortbilden.
Was hältst du für die wichtigste Forderung im Streik?
Die wichtigste Forderung, die ich unterstütze, ist die höhere Eingruppierung in die Entgelttabelle. Das hat einen pragmatischen Grund und einen philosophischen. Der pragmatische ist, dass ich damit mehr Lohn erhalte und der philosophische ist, dass anhand der Bezahlung der Erzieherinnen und Erzieher deutlich wird, wie wenig oder wie viel dieser Gesellschaft ihre Kinder wert sind. Genau das wird im Streik widergespiegelt: Wie viel investieren wir in Ausbildung, Bildung und Soziale Berufe? Wie fördern wir Kinder? Kinder verdienen mehr Anerkennung, deswegen verdienen Erzieherinnen und Erzieher auch mehr Anerkennung. Das muss endlich klar werden.
Was rätst du anderen Auszubildenden an Fachschulen, die noch keinen Studierendenrat haben und die den Streik auch unterstützen möchten?
Ja, organisiert euch! Ich würde allen raten, sich mit anderen Erzieherinnen und Erziehern in Ausbildung zusammenzuschließen, die sagen, hey, wir haben Bock da drauf und wir möchten zum Beispiel einen Studierendenrat gründen. Dann könnt ihr eine Lehrkraft eures Vertrauens ansprechen, die das am besten auch noch unterstützt und die Strukturen aufbauen. Und dann könnt ihr natürlich über Ortsgruppen der SAV, die sich mit dem Streik solidarisieren, aktiv werden und über ver.di und GEW, die Verhandlungspartnerinnen im Streik sind und auch in Hessen eine Hochschultour planen, um Auszubildende zur Solidarität aufzurufen.
Eltern und politisch Aktiven würde ich raten, solidarisiert euch, bietet eure Hilfe während des Streiks an, informiert die Öffentlichkeit, macht Veranstaltungen zur Unterstützung mit den Streikenden. Aber macht euch vorher schlau, in den Kitas in eurer Nähe, bei den Kolleginnen und Kollegen. Lokal gibt es viele Unterschiede zwischen den Einrichtungen. Durch das KiFöG in Hessen gibt es zum Beispiel riesige Unterschiede zwischen Problemen der Einrichtungen in der Stadt und auf dem Land.
Wie stellst du dir die optimale Kinderförderung in einer Kita vor?
Kita ist nicht weit genug gefasst. Ich würde generell die Förderung von Kindern und Jugendlichen sagen, und da geht es darum, dass Kinder die gleichen Chancen auf Förderungen bekommen, dass Inklusion stattfindet, also Menschen mit Behinderung einbezogen werden und es in der Gesellschaft normal ist, dass es keinen Unterschied gibt, aus welcher sozialer Schicht sie kommen, ob sie Flüchtlinge sind oder welche sexuelle Orientierung sie entwickeln. Sondern, dass alle Platz haben, ihre Individualität auszuleben. Eine wichtige Forderung wäre dabei, dass alle Kitas verstaatlicht und nach ihren Bedürfnissen finanziert werden, dass für alle der Zugang zu Kitas gegeben ist, dass Elternteile sich aussuchen können, in was für eine Art Kita sie ihre Kinder schicken, und dass nicht erst nach einem Blick in den Geldbeutel entscheiden müssen.
Es braucht mehr gut bezahlte Erzieherinnen und Erzieher, einen großen Personalschlüssel, nicht wie beim hessischen Kinderförderungsgesetz, wo jetzt ein Personalschlüssel für über Dreijährige von 1,75 auf 25 Kinder festgelegt wurde. Wie ist denn da Förderung möglich? Da kann ja nur noch Aufsicht stattfinden! Also diese ganzen Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, damit Kinder und Jugendliche wirklich gefördert werden.