Über NPD, Pro NRW und Konsorten
Von zahlreichen Rückschlägen gekennzeichnet und konfrontiert mit dem rasanten Aufstieg der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) konnten NPD, Pro NRW und Konsorten lange Zeit kaum Land gewinnen. Hat sich mit den neuen rassistischen Mobilisierungen wie Pegida jetzt der Wind gedreht?
von Sebastian Förster, Dortmund
Neonazis fühlen sich bestätigt. Zuerst die sogenannten „Bürgerinitiativen“ gegen Flüchtlingsunterkünfte, dann die „Hooligans Gegen Salafisten“ (HoGeSa) und schließlich die Pegida-Proteste. Dabei geht es nicht in erster Linie auf sie zurück, dass unter Teilen der Bevölkerung rassistische Vorurteile zugenommen haben.
Die Geister, die sie riefen …
Die Weltlage ist komplizierter geworden. Spannungen zwischen den imperialistischen Staaten wachsen und es gibt eine Zunahme religiöser, ethnischer und nationaler Konflikte und Kriege, deren politische Auswirkungen auch in Deutschland spürbar sind. Viele Menschen sind beunruhigt durch die sichtbar gewordene ökonomische Instabilität des Kapitalismus. Während der Lebensstandard breiterer Bevölkerungsschichten stagniert oder gesenkt wurde, haben soziale Unsicherheit und Zukunftsängste zugenommen.
Die Ideen, die bei rassistischen Mobilisierungen wie Pegida in Dresden unter die Leute gebracht werden, sind nicht neu. MigrantInnen, im Besonderen auch Flüchtlinge und Muslime, mussten in den letzten Jahren immer wieder als Sündenböcke herhalten. Zwar ist es fast 25 Jahre her, dass DER SPIEGEL „Das Boot ist voll!“ titelte, in Rostock und Hoyerswerda Flüchtlingsunterkünfte brannten und das Asylrecht de facto beseitigt wurde. Aber auch in jüngster Zeit haben zahlreiche Politiker und Medienvertreter Stimmung gemacht. Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ lieferte eine Blaupause für die islamophoben Argumentationsmuster von HoGeSa und Pegida.
Anstatt Flüchtlingen angemessenen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, wurden in den Kommunen Sammelunterkünfte in Schulen und Sporthallen eingerichtet. Sprecher von AfD und Teilen von CDU/CSU machten mit Ideen wie polizeilichen Sondereinheiten gegen „kriminelle Ausländer“ und noch rigideren Abschiebeverfahren von sich reden.
Leider gab es gleichzeitig nur wenige entschlossene Kämpfe seitens der Gewerkschaften gegen Lohn- und Sozialraub. Auch DIE LINKE hat ihre Möglichkeiten nicht ausreichend nutzen können – was auch mit dem Anpassungskurs zu tun hat, den Teile der Parteispitze forcieren.
Angesichts der drohenden politischen Destabilisierung gingen die Entwicklungen um Pegida selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu weit. Mehr und mehr wird sich nun von der vorhergehenden Hetze distanziert. Zu spät angesichts der hohen Beteiligung bei Pegida in Dresden, aber auch bei Legida in Leipzig.
Die NPD in der Dauerkrise?
Trotz hoher Mitgliederverluste ist die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) mit ihren 5.200 Mitgliedern weiterhin die größte faschistische Organisation bundesweit. Auch wenn die Partei noch immer über 300 Mandate auf kommunaler Ebene verfügt, so sind NPD-Wahlergebnisse in den letzten Jahren auf beinahe allen Ebenen rückläufig. In ihrer Hochburg Sachsen verpassten die Neonazis 2014 knapp den Wiedereinzug in den Landtag, sodass ihr nur noch die Sitze in Mecklenburg-Vorpommern bleiben. Die Mehrzahl der verlorenen sächsischen Wählerstimmen ging an die AfD.
Seit 2009 ist die Partei arg von Flügelkämpfen, Funktionärs- und Finanzskandalen gebeutelt und musste ihren Apparat deutlich reduzieren. 2012 wurde ein erneutes Verbotsverfahren wegen Verfassungswidrigkeit eingeleitet. Seit der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), in die Parteikader involviert waren, muss sich die NPD nach außen hin bemüht zeigen, einer Entscheidung beim Verfassungsgericht keinen Vorschub zu leisten.
Innerparteilich ist die Partei zutiefst zerstritten. Während die eine Gruppe vorrangig versucht, den „Kampf um die Parlamente“ voranzubringen, setzt der militantere NPD-Flügel mit engen Verbindungen in die Kameradschaftsszene auf den „Kampf um die Straße“. Alleine im Zeitraum von 1990 bis Ende 2012 wurden bundesweit 184 Todesopfer rechter Gewaltdelikte gezählt – viele Täter stammen aus dem NPD-Umfeld.
Mit dem neuen NPD-Vorsitzenden Frank Franz dominiert weiterhin der wahlorientierte Flügel, der versucht an dem AfD-Erfolg anzuknüpfen. Franz‘ Kurs steht innerparteilich stark unter Beschuss. Die NPD solle nicht „jeden Idioten mit seinem Krawallotheater“ integrieren, meint der junge Saarländer. Kameradschaften bezeichnete er als „Sekten“.
Sollte Franz sich lange an der Spitze halten, so könnten sich Kräfte um die Kameradschaftsszene herum weiter von der NPD entfernen. Möglich ist aber auch, dass Franz wie schon sein Vorbild Holger Apfel einfach aus dem Weg geräumt wird.
Pro NRW und Die Rechte
Nach außen hin versuchte sich Pro NRW ursprünglich als Bürgerinitiative mit rechtspopulistischem Einschlag zu präsentieren, wurde aber früh als Naziorganisation enttarnt. Ein großer Teil der Mitglieder war vor der Gründung 2007 in anderen faschistischen Parteien aktiv oder pflegte Kontakte zur Kameradschaftsszene.
Entgegen ihrer Ambitionen ist die Pro-Bewegung hauptsächlich auf NRW konzentriert geblieben. Hier liegen die Schwerpunkte vor allem bei Protesten gegen den Bau von Moscheen und Flüchtlingsunterkünften. Auch bei Pro NRW gab es eine deutliche Reduzierung der Mitgliedschaft auf 950 (Ende 2012: 1.200). Während die Partei bei den Kommunalwahlen 2014 in Köln von 5,3 auf 2,6 Prozent fiel, konnte sie in anderen Städten ihre Mandate halten und in Duisburg sogar aus dem Stand 4,2 Prozent erlangen.
„Die Rechte“ wurde von dem Nazi-Kader Christian Worch und einem Kreis von Ex-DVUlern gegründet, die mit der Fusion von NPD und DVU nicht einverstanden waren und ein Auffangbecken für ein etwaiges NPD-Verbot schaffen wollten. Um Worch herum sammeln sich auch die “Autonomen Nationalisten” (AN).
Nachdem über Jahrzehnte Neonazis die Skinheadszene kopiert und unterwandert hatten, wurde hier das Erscheinungsbild der autonomen Linken adaptiert, um anknüpfungsfähiger für Jugendliche zu werden. Aber auch das scheint einen vorläufigen Höhepunkt erreicht zu haben.
Die Mitgliederzahl ist seit der Gründung 2012 auf 500 gestiegen, dann jedoch stagniert. In Hamm und ihrer Hochburg Dortmund gewannen sie im Mai 2014 je einen Sitz im Stadtrat. In der Wahlnacht versuchten ihre Mitglieder gewaltsam das Rathaus zu stürmen.
In der Tendenz isoliert und radikalisiert sich die örtliche Szene wieder und neigt zu mehr kleineren Aktionen und dem Bedrohen von AntifaschistInnen.
Umorientierung in der Nazi-Szene
Seit spätestens 2010 gab es die Tendenz, dass die Teilnehmerzahlen traditioneller neonazistischer Großaufmärsche abnahmen.
Das wohl bekannteste Beispiel sind die sogennanten “Gedenkmärsche” anlässlich des Bombenangriffs auf Dresden am 13. Februar 1945. Während die Demonstration 2009 noch mit 7.000 Teilnehmern als Europas größter Nazi-Aufmarsch bezeichnet wurde, fuhren in den letzten Jahren Mitte Februar nur noch einige hundert Neonazis nach Dresden. Ähnlich verhält es sich mit dem Magdeburger Aufmarsch.
Das „Heldengedenken“ an den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß, ein immerhin seit 1987 stattfindender Marsch, gehörte mit bis zu 3.800 Teilnehmern 2004 ehemals zu den wichtigsten in der Nazi-Szene. Zehn Jahre später verirrten sich zu diesem Anlass nur noch 250 Faschisten nach Wunsiedel.
Eine ähnliche Entwicklung gibt es bei den ANs. Sei es der Dortmunder „Nationale Antikriegstag“ oder der „Tag der deutschen Zukunft“ – auch diese Aufmärsche sind von Jahr zu Jahr kleiner geworden.
Gerade den Kameradschaftlern geht es nicht nur um erfolgreiche Aufmärsche. Um ihre Kräfte bei der Stange zu halten, wird auch auf Gewalt und Terror gegen ihre GegnerInnen gesetzt. AntifaschistInnen können es sich aber auf die Fahne schreiben, dass durch massenhafte Mobilisierung zu Blockaden die „klassischen Nazi-Aufmärsche“ in rechtsradikalen Kreisen zunächst weniger attraktiv waren.
Neue rassistische Mobilisierungen
Bundesweit haben sich über 50 „Bürgerinitiativen“ gegründet, die sich gegen Flüchtlinge und ihre Unterkünfte richten. In einigen ziehen Neonazis offen die Fäden, in anderen mimen die Organisatoren „besorgte Bürger“. In Orten wie Duisburg und Berlin-Marzahn konnten NPD- und Pro NRW-Kader bei rassistisch geprägten Anwohnerprotesten eine Führungsrolle einnehmen.
Einen besonders traurigen Erfolg hatten Neonazis im sächsischen Schneeberg. Dort konnte ein NPD-Funktionär vor einem Jahr 1.800 Menschen zu Fackelzügen gegen eine Erstaufnahmeeinrichtung mobilisieren. Auch in den letzten Wochen sind Neonazis aus NPD und regionalen Kameradschaften mit Anwohnern zu Hunderten gegen »Überfremdung« und »kriminelle Ausländer« durch die Straßen gezogen.
Alleine bei Protesten ist es nicht geblieben. Rechte Gewalt gegen Flüchtlingsunterkünfte ist in den letzten zwei Jahren angestiegen. 2014 wurden 68 gewalttätige Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte (darunter 33 Brandstiftungen) und 55 tätliche Übergriffe auf Einzelpersonen festgehalten. Diese Entwicklungen werden sich fortsetzen, haben doch NPD, Pro NRW, Die Rechte und Co. „Asylpolitik“ zu ihrem Schwerpunktthema erklärt.
Weniger berechenbar dagegen scheint HoGeSa zu sein, das an das Konzept der English Defence League (EDL) anknüpft. Hier gab es einen Zusammenschluss rechtsradikaler Hooligans unterschiedlicher Fußballclubs und Neonazis, die das Thema Salafismus als Aufhänger für rassistische Aufmärsche und gewalttätige Ausschreitungen genommen haben.
Nach den großen Versammlungen mit 4.800 Teilnehmern in Köln und 2.500 in Hannover gab es eine Spaltung in der Führung. Unter dem Label Gemeinsam-Stark Deutschland (GSD) agiert nun ein HoGeSa-Flügel auch mit offen faschistischen Inhalten. Einem ersten Verbot der HoGeSa-Demo in Essen im Januar folgte kein rechtlicher Widerspruch, was vermuten lässt, dass ein Teil der HoGeSa-Führung aktuell paralysiert ist.
Pegida
Bei Pegida in Dresden haben wir es mit einem relativ breiten (klein-)bürgerlichen Spektrum zu tun. Tausende aus der örtlichen Bevölkerung gehen hier auf die Straße. Deshalb haben die Demos einen anderen Charakter als zum Beispiel HoGeSa.
In Dresden gehört die NPD auch nicht zu den offiziellen Organisatoren, die sich fleißig von jedem „Extremismus“ distanzieren. Doch so ungelegen, dass man eine wirksame Distanzierung anstrebt, scheinen die Teilnehmer aus dem NPD-Spektrum doch nicht zu sein.
Um Teil der Versammlungen zu bleiben, verzichten NPDler auf ihre Fahnen und akzeptieren, dass auf Bannern des Bündnisses neben einer Antifa-Fahne auch das Hakenkreuz in die Mülltonne geschmissen wird.
Trotzdem haben sie bei Pegida eine offene Bühne für ihre Propaganda gefunden. Gewalttätige Übergriffe gegen MigrantInnen und Nazi-GegnerInnen haben in der Elbstadt bereits zugenommen.
Bei Legida in Leipzig, wo im Januar auch Tausende auf der Straße waren, traten Neonazis und rechte Hooligans deutlich offener und aggressiver auf.
Ob die NPD durch Pegida bei breiteren Schichten punkten kann, lässt sich noch nicht sagen. Bei Umfragen legt in Sachsen eher die rechtspopulistische AfD zu.
Die „Gida“-Ableger in anderen Städten unterscheiden sich von denen in Dresden. Während sich hier wöchentlich (zehn-)tausende „Patrioten“ einfinden, sind es andernorts höchstens einige hundert. In vielen Städten stechen NPD- und Pro NRW-Mitglieder deutlicher hervor, die oft auch der organisatorische Kern sind.
Nazis bekämpfen!
Anders als in Griechenland haben faschistische Parteien hierzulande kein vergleichbares Gewicht. Auch können sie nicht wie die AfD breitere Gesellschaftsschichten erreichen. Dennoch stellen die neuen rassistischen Mobilisierungen ein Einfallstor für Rechtsradikale dar. Aus der neu entstandenen Situation versucht die zuvor geschwächte Szene Profit zu schlagen. Ihre Mobilisierung hat eine neue Qualität der Bedrohung erreicht.
So sehr die faschistische Ideologie der Kit ist, der den Kern der Szene zusammenhält, so sehr sind sich ihre Strategen bewusst, dass sie neue Wege suchen müssen, um zu wachsen.
Auch wenn die NPD als stärkste faschistische Kraft festgefahren zu sein scheint, heißt das nicht, dass Neonazis auf anderen Wegen und unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen es nicht doch wieder schaffen können, in Deutschland eine starke Bewegung aufzubauen.
Deswegen gilt es – gerade angesichts von Pegida und reaktionären Stimmungen in Teilen der Bevölkerung – Rassismus und seine Ursachen zu bekämpfen, aufzuklären und gemeinsame Kämpfe gegen Sozialabbau zu führen. Hier sind DIE LINKE, Gewerkschaften und soziale Bewegungen gefordert, rassistischer Spaltung, Abschiebe- und Verarmungspolitik eine Alternative entgegen zu stellen.
Zudem ist es nötig, über Neonazis aufzuklären, Schutzmaßnahmen zu organisieren und ihren faschistischen Aktivitäten entschlossen entgegenzutreten.